Keith Richards – Zwischen Gold, Gitarren und Geistern der Vergangenheit

Ein Porträt über das ewige Enfant terrible des Rock’n’Roll – und den Mann, der sich selbst überlebt hat.
Er sitzt in einem abgewetzten Ledersessel in seinem Haus in Connecticut, eine Zigarette zwischen den Fingern, die rechte Hand ruht auf einer alten Akustikgitarre. Der Raum riecht nach Holz, Rauch, Staub und Erinnerung. An den Wänden hängen vergilbte Schwarz-Weiß-Fotos – Jagger, Lennon, Clapton, alle jung, alle unsterblich eingefangen in einem Moment, der längst vergangen ist.
Keith Richards, 81, blickt auf dieses Pantheon der Geister und lächelt müde. „Ich hab sie alle überlebt“, murmelt er – und zündet sich die nächste Zigarette an.
Der Mann, der das Unmögliche überlebte
Seit Jahrzehnten ranken sich Mythen um ihn. Dass er sich Blut austauschen ließ. Dass er nie schlief. Dass er den Tod mehrfach ausgetrickst habe. Richards lacht über diese Geschichten, aber man merkt: Ein Teil davon stimmt.
Er hat mehr Freunde verloren, als die meisten Menschen je hatten. Mehr Nächte durchgefeiert, als andere Tage erleben.
Und doch – er ist noch hier.
Die Ärzte sagten einst, er würde kaum 40 werden. Heute spielt er Gitarre, als würde jede Note den Herzschlag verlängern.
„Ich bin nicht stolz darauf, was ich getan habe“, sagt er, „aber ich bin stolz, dass ich noch da bin.“
Luxus, Einsamkeit und das Erbe eines Rebellen
Seine Villa wirkt wie ein Museum – ein Schrein für den Rock’n’Roll. Alte Fender-Gitarren lehnen an den Wänden, halb geleerte Whiskyflaschen auf dem Klavier, eine Staubschicht auf goldenen Schallplatten.
Aber hinter all dem Glanz liegt eine Stille, die schwer wiegt. Richards lebt nicht in Prunk, sondern zwischen Relikten.
Seine Frau Patti Hansen, seit über 40 Jahren an seiner Seite, ist die stille Konstante in seinem Leben. Sie war da, als er fiel – und als er wieder aufstand.
„Sie ist meine Rettung“, sagte er einmal in einem seltenen Moment der Offenheit.
Vielleicht ist sie auch der Grund, warum er noch lebt – weil jemand ihm gezeigt hat, dass Liebe manchmal stärker ist als jede Droge.
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Der letzte der Unsterblichen
Während Bowie, Prince und Lennon zu Legenden wurden, indem sie starben, ist Richards zur Legende geworden, weil er nicht starb.
Er ist das Gegenstück zum Mythos des tragischen Künstlers – ein Mann, der mit seinen Fehlern alt wurde, anstatt an ihnen zu sterben.
Jede Falte, jede Narbe auf seinem Gesicht erzählt eine Geschichte: von Tourbussen, Hotels, Bühnenlichtern, von Freundschaften, die zu Rauch wurden.
Wenn er heute auftritt, ist es kein Spektakel mehr – es ist ein Ritual.
Die Hände zittern, die Stimme kratzt, aber wenn die Gitarre erklingt, herrscht plötzlich diese Stille, die nur wahre Größe erzeugen kann.
Ein Kritiker schrieb: „Keith Richards spielt nicht mehr für die Welt. Er spielt, um dem Tod noch ein Solo zu stehlen.“
Die Freiheit der letzten Generation
In einer Welt, die Kontrolle und Disziplin vergöttert, steht Richards für das Gegenteil: Instinkt, Chaos, Überleben.
Er ist ein Fossil, ja – aber auch ein Spiegel.
Ein Spiegel einer Generation, die gelernt hat, dass Freiheit nicht in Perfektion liegt, sondern im Scheitern – im Weitermachen trotz allem.
Er ist das, was Deutschland nach der Merkel-Ära in der Politik vermisst: ein ungezähmter Geist, ein Mensch, der Fehler macht und trotzdem glaubwürdig bleibt.
Während Politiker wie Scholz oder Merz um Vertrauen ringen, trägt Richards seine Widersprüche wie Orden.
Er verkörpert eine Freiheit, die wir verloren haben – die Freiheit, man selbst zu sein, ohne PR, ohne Fassade.
Zwischen Licht und Dunkel
In den Nächten hört er manchmal alte Aufnahmen – unveröffentlichte Bänder, Bruchstücke, Gelächter.
Das Knacken des Tonbands klingt wie das Atmen der Vergangenheit.
Manchmal sagt er: „Das war ich. Oder jemand, der ich einmal war.“
Und dann lächelt er.
Vielleicht ist das die Essenz des Alterns: sich selbst beim Verschwinden zuzusehen – und trotzdem weiterzumachen.
Der Mensch hinter der Legende
Abseits der Bühne ist Richards leise, fast schüchtern. Freunde erzählen, dass er morgens stundenlang Zeitung liest, Tee trinkt und mit seinen Hunden spricht.
Er interessiert sich für Politik, Kunst, Philosophie. Er lacht über die Welt, aber nie verächtlich – eher wie jemand, der sie zu gut kennt.
„Ich habe das Leben nie verstanden“, sagt er, „aber ich habe gelernt, im Rhythmus zu bleiben.“
Vielleicht ist das sein größtes Geheimnis: Er hat nie versucht, ewig jung zu bleiben – nur ewig echt.
