Politisches Erdbeben in Österreich: Die 38-Prozent-Sensation – Warum Kickls FPÖ jetzt stärker ist als ÖVP und SPÖ zusammen

Ein Beben geht durch die Alpenrepublik. Es ist kein seismisches Zittern, sondern ein politisches, das die Grundfesten der Zweiten Republik erschüttert. Eine neue Sonntagsfrage, durchgeführt von der renommierten Lazarsfeldgesellschaft für Ö24, hat Zahlen zutage gefördert, die mehr sind als nur eine Momentaufnahme. Sie sind ein Symptom, ein Fieberthermometer einer Gesellschaft im Umbruch. Das Ergebnis ist eine Sensation, ein Paukenschlag, der in den Redaktionsstuben in Wien ebenso nachhallt wie in den Parteizentralen in Berlin: Die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) erreicht sagenhafte 38 Prozent.

Das allein wäre schon eine Nachricht. Doch die wahre Sprengkraft dieser Zahl offenbart sich erst im direkten Vergleich mit den einstigen Giganten der österreichischen Politik. Die Österreichische Volkspartei (ÖVP), die Kanzlerpartei, stürzt ab auf 20 Prozent. Die Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ), einst die dominante Kraft der Linken Mitte, liegt bei nur noch 17 Prozent.

Rechnen wir zusammen: 20 plus 17 ergibt 37. Die FPÖ, mit 38 Prozent, ist damit im Moment stärker als die beiden traditionsreichsten und größten Volksparteien des Landes zusammen.

Um die Tragweite dieses Moments zu verstehen, muss man die Analogie bemühen, die im Netz bereits kursiert und die auch deutsche Beobachter aufhorchen lässt: Es wäre in Deutschland so, als würde die Alternative für Deutschland (AfD) in Umfragen mehr Stimmen auf sich vereinen als die CDU/CSU und die SPD gemeinsam. Ein Szenario, das vor wenigen Jahren noch als absurd, als politische Fiktion abgetan worden wäre, ist in Österreich nun Realität geworden – zumindest in dieser Umfrage, die 2.000 Menschen befragte.

A YouTube thumbnail with maxres quality

Der Wind hat sich gedreht. Diese Phrase, oft überstrapaziert, trifft den Nagel selten so sehr auf den Kopf wie hier. Es ist eine 180-Grad-Wende. Die Zugewinne und Verluste sprechen eine Bände: Die FPÖ legt im Vergleich zur letzten Wahl um massive 9,2 Prozentpunkte zu. Die ÖVP verliert 6,3 Prozent, die SPÖ 4,1 Prozent. Das ist kein langsames Erodieren mehr, das ist ein Erdrutsch.

Doch wie konnte es so weit kommen? Wie konnte eine Partei, die oft am Rand des politischen Spektrums verortet wird, zur unangefochtenen Nummer Eins im Land aufsteigen? Die Antwort ist komplex, aber sie beginnt und endet zu einem großen Teil mit einem Namen: Herbert Kickl.

Kickl, der streitbare und rhetorisch brillante Obmann der FPÖ, hat die Partei vollkommen auf sich zugeschnitten. Er hat einen Kurs eingeschlagen, der keine Kompromisse kennt. Während seiner Zeit als Innenminister in der Koalition mit der ÖVP (2017-2019) eckte er mit seiner “Null-Toleranz”-Politik in der Migration und seiner harten Rhetorik permanent an. Nach dem “Ibiza-Skandal”, der die Koalition sprengte, wurde er von vielen bereits abgeschrieben. Doch Kickl nutzte die Opposition, insbesondere während der Corona-Pandemie, um sich als der ultimative Anti-Establishment-Kämpfer zu inszenieren.

Er gab den Ungeimpften eine Stimme, er wetterte gegen die “Systemparteien”, er griff die EU an und positionierte sich als einziger wahrer Vertreter des “Volkes”. Diese Strategie, eine Mischung aus Fundamentalopposition und dem Bespielen von Ängsten – sei es vor Überfremdung, vor Inflation oder vor einem Identitätsverlust –, ist aufgegangen. Kickl hat es geschafft, eine “Jetzt-erst-recht”-Stimmung zu erzeugen. Er ist für seine Anhänger nicht trotz, sondern wegen seiner Radikalität wählbar geworden. Er verspricht den “Systemsturz” auf demokratischem Wege, und fast vier von zehn Österreichern scheinen ihm dieses Versprechen abzukaufen.

Während Kickl triumphierte, zerlegten sich die Volksparteien selbst. Die ÖVP, einst unter Sebastian Kurz zu ungeahnten Höhen aufgestiegen, ist nach dessen Rücktritt und einer Flut von Korruptionsermittlungen und Chatskandalen implodiert. Der Lack der “neuen Volkspartei” ist ab. Kanzler Karl Nehammer wirkt oft glücklos im Versuch, die Partei zu einen und gleichzeitig das Land durch multiple Krisen (Ukraine-Krieg, Energiekrise, Teuerung) zu führen. Der Verlust von 6,3 Prozent ist ein vernichtendes Urteil über die Regierungsarbeit und den Zustand der Partei.

Related Posts

Our Privacy policy

https://worldnews24hr.com - © 2025 News