Die Nacht, in der BMW beinahe starb: Wie der unwahrscheinlichste Kleinwagen die Automobil-Ikone in letzter Sekunde rettete

Die Nacht, in der BMW beinahe starb: Wie der unwahrscheinlichste Kleinwagen die Automobil-Ikone in letzter Sekunde rettete


Article: Die Nacht, in der BMW beinahe starb: Wie der unwahrscheinlichste Kleinwagen die Automobil-Ikone in letzter Sekunde rettete

München, Dezember 1959. Die Atmosphäre in der Messehalle auf der Theresienhöhe war von Verzweiflung und Spannung erfüllt. Die Aktionäre der Bayerischen Motoren Werke AG (BMW) strömten zur Jahreshauptversammlung, doch es gab wenig Hoffnung. Eine Woche zuvor war das Angebot von Daimler-Benz auf den Tisch gelegt worden: Der Stuttgarter Konzern würde BMW übernehmen. Vorstand und Aufsichtsrat hatten bereits zugestimmt; die Sache galt als beschlossen. Das Angebot war befristet – bis Mitternacht. In wenigen Stunden drohte BMW, ein Traditionsunternehmen mit stolzer Geschichte, zur bloßen Fußnote im Geschichtsbuch des Erzrivalen zu werden.

Die Katastrophe der Modellpolitik und die Macht der Banken

Die Lage des Münchner Unternehmens war in der Tat katastrophal. Die Jahre 1958 und 1959 waren geprägt von astronomisch hohen Verlusten. Die einst erfolgreichen Motorräder verkauften sich nicht mehr. Die kultige, aber veraltete Isetta war aus der Mode gekommen, und ihr Nachfolger, der BMW 600, entpuppte sich als eklatanter Flop. Am oberen Ende der Modellpalette verlor der prunkvolle „Barock Engel“ (BMW 502) mit seinem V8-Motor bei jedem verkauften Exemplar rund 4.000 Mark. Die Zeitschrift Der Spiegel fasste die Misere zynisch zusammen: BMW baue Fahrzeuge für „Müllmänner oder Millionäre“ – die dringend benötigte Mittelklasse, die das Volumen und die Stabilität bringen sollte, fehlte völlig. Tausende Mitarbeiter bangten um ihre Arbeitsplätze.

Hinter den Kulissen der drohenden Übernahme zog die Deutsche Bank die Fäden. Als Großaktionär bei beiden Unternehmen hielt ihr Vertreter, Hans Feit, dank Depotstimmrecht die Hälfte des BMW-Aktienkapitals. Der Plan war simpel und gnadenlos: Ein Aktienschnitt, gefolgt von einer Kapitalerhöhung. Die neuen Aktien sollten ausschließlich an ein Bankenkonsortium und Daimler-Benz gehen, was für die unzähligen Kleinaktionäre eine faktische Enteignung und das Ende von BMW als eigenständige Marke bedeutete.

Für Daimler-Benz schien die Übernahme ein logischer, effizienter und unvermeidbarer Schritt. Die modernen Ponton-Modelle 180 und 190 verkauften sich so gut, dass die Wartezeiten bis zu 18 Monate betrugen – die Produktionskapazität in Stuttgart reichte schlicht nicht aus. BMW hingegen verfügte über ungenutzte Werke und 5.500 hochqualifizierte Facharbeiter. Eine Übernahme hätte die akuten Produktionsengpässe der Stuttgarter elegant gelöst. Die Würfel schienen gefallen zu sein. Doch etwas, das alle ignorierten, sollte das Blatt wenden: ein kleines Auto, das drei Monate zuvor auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt präsentiert worden war.

Die Notgeburt mit italienischer Eleganz

Das eigentliche Drama begann bereits Ende 1957. BMW wusste, dass weder die Isetta, die Zeit erkauft hatte, noch der ungeliebte 600er die Zukunft sichern würden. Es brauchte ein „richtiges“ Auto – einen konventionellen, viersitzigen Kleinwagen, der bezahlbar war und schnell entwickelt werden musste, da Zeit und Geld nicht vorhanden waren. Ein erster Prototyp auf Basis des 600er, der unentschlossen Stilelemente des 503 imitierte, wurde verworfen.

BMW 700 LS Luxus Baujahr 1962 auf der Straße - BMW Classic Car on the road  - YouTube

Die Rettung kam aus Österreich: Wolfgang Denzel, Wiener BMW-Importeur, ehemaliger Rennfahrer und Autokonstrukteur. Denzel hatte nicht nur eine Idee, sondern auch die entscheidenden Kontakte. Er wandte sich an den italienischen Designer Giovanni Michelotti. Was Michelotti entwarf, war ein radikaler Bruch mit der teutonischen Designtradition von BMW: ein Coupé im eleganten, italienisch-modernen Trapezdesign. Es fehlte die traditionelle BMW-Niere – die bei einem Heckmotor-Konzept ohnehin nicht nötig war – und es wirkte zeitgemäß und begehrenswert. Im Juli 1958 präsentierte Denzel den Prototyp in Starnberg, und der BMW-Vorstand, geleitet von Generaldirektor Heimrich Richter-Brom, war begeistert. Im Oktober fiel die Entscheidung: Der Wagen sollte in Eigenregie als Coupé und Limousine zur Serienreife gebracht werden, den Feinschliff besorgte BMW-Stilistiker Wilhelm Hofmeister.

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