Niemand bemerkte die verwirrte alte Frau. Nur ein armer schwarzer Teenager half ihr. Er ahnte nicht, dass diese eine Tat sein Leben für immer verändern würde

Der Wind war kälter geworden an diesem Abend, von der Sorte, die einem in die Ohren biss und leise den Nacken hinunterkroch, selbst wenn der Mantel fest zugeknöpft war. In einer kleinen Stadt, am Ende eines harten Winters, fuhr Andre, ein 18-jähriger Waise, auf dem alten Fahrrad seiner verstorbenen Mutter. Er war ein Schatten, der durch die Dämmerung huschte, ein junger Mann, der ums nackte Überleben kämpfte. Seine Tage bestanden aus Lieferjobs, und seine Nächte waren ein ständiger Kampf darum, genug Geld für einen Schlafplatz zusammenzukratzen.

An diesem Abend war er spät dran. Die letzte Lieferung des Tages entschied darüber, ob er die Miete für sein winziges Zimmer bezahlen konnte oder nicht. Wenn er es nicht rechtzeitig schaffte, hatte der Vermieter klargemacht, würde der Schlüssel am Morgen nicht mehr passen.

Er trat in die Pedale, die rostige Kette ächzte unter der Anstrengung, als sein Blick auf eine Gestalt an der verlassenen Bushaltestelle am Ende des rissigen Bürgersteigs fiel. Die Leute eilten vorbei, die Augen auf ihre Handys gerichtet oder von Einkaufstüten nach unten gezogen, auf dem schnellen Weg nach Hause, bevor die Dunkelheit sich völlig festsetzte.

Aber niemand sah sie.

Eine alte Frau stand allein da, eingewickelt in einen beigen Wollmantel, der bessere Jahrzehnte gesehen hatte. Ihr silbernes Haar lugte unter einer Mütze hervor, und ihre kleinen Hände umklammerten eine zerschlissene Ledertasche. Sie drehte sich bei jedem vorbeifahrenden Auto um, in der Hoffnung, es könnte das richtige sein. Ihr Mund bewegte sich, murmelte etwas über die Linie 12, über eine Straße, die es hier nirgends zu geben schien.

Andre hielt an, um aus seiner verbeulten Wasserflasche zu trinken. Er war kaum 18, sein Körper dünn von Hunger und Zeit, gekleidet in eine Kapuzenjacke, die von zu vielen Wintern ausgeblichen war. Er zögerte. Das Ticken der Uhr in seiner Brust wurde lauter. Minuten waren jetzt entscheidend. Der Unterschied zwischen einem warmen Bett und der Straße war nur diese eine Lieferung entfernt.

Doch dann trug der Wind ihre Stimme zu ihm herüber – schwach, zittrig, aber unverkennbar verängstigt. “Willow Lane … oder war es Garden?”

Andre schob sein Fahrrad neben sich her. “Entschuldigen Sie, Ma’am”, sagte er sanft. “Ist alles in Ordnung?”

Sie blinzelte ihn an, unsicher. “Ich wollte nach Hause”, sagte sie mit wandernder Stimme. “Aber ich glaube, ich habe den Bus verpasst.”

“Wo wohnen Sie? Vielleicht kann ich Ihnen helfen.”

Sie wühlte ziellos in ihrer Tasche. Ein Taschentuch, ein Lippenstift ohne Kappe, Münzen, aber keine Adresse. Andres Herz zog sich zusammen. Dann fiel sein Blick auf eine zarte Silberkette um ihren Hals. Ein kleiner ovaler Anhänger. Er beugte sich näher. Auf der Rückseite waren in eleganter Kursivschrift die Worte eingraviert: Evelyn Rose, 48 Oak Hill Drive, Nordseite.

Andre stockte der Atem. Oak Hill. Er kannte die Gegend. Sie lag weit außerhalb der Stadt, fast zwei Stunden mit dem Rad, und das meiste davon bergauf.

Er würde die Lieferung verpassen. Er würde sein Zimmer verlieren. Er würde heute Nacht in der Kälte schlafen.

Er blickte in Evelyns Augen, weich und von Alter getrübt, und sah das kindliche Vertrauen, das sich zu bilden begann, nur weil er angehalten hatte. Er zwang sich zu einem Lächeln. “Das ist ein Stückchen, aber ich glaube, wir schaffen das.”

Er half ihr auf den wackeligen Gepäckträger, band seinen Ersatzschal um den Sitz und legte ihr seine eigene Jacke um die Schultern. “Halten Sie sich gut fest. Wir fahren langsam.”

Sie kicherte, benommen, aber dankbar. “Sie erinnern mich an jemanden. Meinen Enkel.”

Andre trat in die Pedale. Der Himmel färbte sich lavendelgrau, dann dunkel. Die Straße schlängelte sich endlos, aber Andre fuhr weiter. Hinter ihm summte Evelyn eine Melodie. Er antwortete jedes Mal geduldig auf ihre wiederholten Fragen, wo sie seien. “Wir sind bald da. Nur noch über den nächsten Hügel.”

Sie hielten einmal an einer Tankstelle. Mit dem letzten Dollar in seiner Tasche kaufte er ihr einen warmen Tee. Sie bestand darauf, dass er den ersten Schluck nahm. “Sie brauchen das mehr”, sagte sie mit einer zärtlichen Strenge, die ihn an seine Mutter erinnerte.

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