Vincent Albrecht hatte überall in seinem Haus versteckte Kameras installieren lassen. In der Küche, im Wohnzimmer, sogar im Flur zum Kinderzimmer. Nicht, weil er ein Kontrollfrieg war, sondern weil er niemandem mehr vertraute, schon gar nicht einer neuen Haushälterin. Er war überzeugt, sie würde ihn ausnutzen, bestehlen oder zumindest hintergehen.
Doch was er später auf den Aufnahmen sah, veränderte sein Leben für immer. Vincent Albrecht war Milliardär, Eigentümer eines der größten Bauunternehmen Deutschlands mit Sitz in München und Projekten in ganz Europa. 800 Millionen Euro war seine Firma wert. Er besaß alles, was man kaufen konnte. Eine Villa in Grünwald, Oldtimer, Kunstwerke konnten, die mehr Zinsen abwarfen, als ein Mensch je ausgeben könnte.
Aber eines konnte er sich nie kaufen, vertrauen. Seit dem Tod seiner Frau war er ein misstrauischer, verschlossener Mann geworden. In nur sechs Monaten hatte er fünf Angestellte entlassen. Die erste hatte Schmuck gestohlen. Die zweite wollte Fotos seines kleinen Sohnes an ein Klatschmagazin verkaufen. Die Dritte hatte auf Instagram gepostet, dass sie für einen bekannten Münchner Milliardär arbeite und beinahe ein Sicherheitsproblem verursacht.
Nun war nur noch er und sein einjähriger Sohn Felix übrig, ein stilles Kind mit großen graublauen Augen, das kaum lachte und noch nicht laufen konnte. An jenem Montagmgen erschien sie Helena Weber, eine einfache, unscheinbare Frau mit hellbraunem Haar, schlichten Jeans und dieser ehrlichen, unaufdringlichen Art, die man selten sieht.
Guten Morgen, Herr Albrecht, sagte sie freundlich, als er die Tür öffnete. Was für ein wunderschönes Haus. Und dieser Kleine, wie süß er lächelt. Vincent musterte sie mißstrauisch. Niemand war so freundlich, nicht ohne Grund. Sie beginnen in der Küche, dann das Wohnzimmer. Mein Arbeitszimmer fassen Sie nicht an und sie nehmen den Jungen nicht auf den Arm.
Es sei denn, ich erlaube es. Verstanden? Natürlich, Herr Albrecht, antwortete sie ruhig mit einem Lächeln, das nichts forderte. Er ging in sein Büro und versuchte zu arbeiten. Doch zum ersten Mal seit Monaten hörte er etwas, das ihn innerhalten ließ. Felix lachte. Ein helles glockenreines Kinderlachen, das durch die Villa halte.
Leise trat Vincent an die Tür des Wohnzimmers. Durch den Spalt sah er Helena auf dem Boden knien, einen feuchten Lappen in der Hand, während sie ein altes Kinderlied zummte. Felix saß in seinem Laufgitter und klatschte begeistert in die Hände. Etwas in Vincen Brust zog sich zusammen. Nicht Freude, sondern Angst.
Wie konnte sein Sohn sich so schnell an eine Fremde binden? Was war ihr Ziel dabei? Er wollte es wissen und noch am selben Abend rief er bei einer Sicherheitsfirma an. Ich will Kameras im Wohnzimmer, in der Küche, im Kinderzimmer, überall. Ich will jede ihrer Bewegungen sehen. Herr Albrecht, ist das überhaupt erlaubt? Fragte der Techniker zögernd.
Das ist mein Haus, mein Sohn. Meine Entscheidung. Installieren Sie noch heute. So begann Vincen seltsamer Doppellebensmonat. Tagsüber arbeitete er wie gewohnt. Nachts saß er in seinem Arbeitszimmer. Das Licht seines Handys spiegelte sich in seinen müden Augen, während er jede Aufnahme durchsah. Helena arbeitete unermüdlich.
Sie sang beim Putzen, redete mit Felix, als wäre er ein kleiner Erwachsener, zeigte ihm, wie man winkt, klatscht, wie man Papa formt, auch wenn der Junge nur gluchste. Nichts Verdächtiges, keine gestohlenen Dinge, keine heimlichen Fotos. Doch dann geschah etwas, das Winon stutzig machte. Am Donnerstag fand Helena beim Abstauben im Büro ein altes Familienfoto.
Er als Kind mit seinen Eltern Weihnachten in den 90ern. Helena blieb einen Moment stehen, betrachtete das Bild, strich behutsam über den Rahmen und flüsterte, ohne zu wissen, dass sie gefilmt wurde. “Du hast denselben Blick wie er, denselben guten Charakter.” Vincent fröstelte. Er, wen meinte sie? Seinen Vater. Er konnte kaum atmen.
Woher kannte sie seinen Vater? Vincent konnte in dieser Nacht kaum schlafen. Der Gedanke, dass eine völlig fremde Frau über seinen Vater sprach, als hätte sie ihn gekannt, ließ ihn nicht los. Er war kein Mann, der leicht Angst verspürte, aber dieses Rätsel nagte an etwas tieferem, an seiner Erinnerung, an seinem Stolz, vielleicht sogar an seinem Gewissen.