
Niemand kannte ihre wahre Identität – bis sie plötzlich jeden kündigte!
Leonie Berger war gerade mal 24 frisch gebackene Absolventin der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Mannheim. Ehrgeizig, neugierig und überzeugt davon, dass Unternehmen mehr sein sollten als bloße Gewinnmaschinen.
Als sie das Praktikum bei der Weltronik AG in Berlin bekam, dachte sie, sie habe das Große Los gezogen, 6 Monate im Herzen eines aufstrebenden Techkonzerns, bekannt für seine Innovationskraft zumindest nach außen. Der erste Tag begann vielversprechend. Die gläserne Firmenzentrale glänzte im Morgensonnenlicht.
Empfangsmitarbeiter in Designeranzügen nickten freundlich und der Duft von frisch gemahlenem Kaffee lag in der Luft. Alles schien perfekt, bis Leon die Personalabteilung betrat, um sich offiziell anzumelden. „A Praktikantin“, murmelte Claudia vom HR mit kaum verholener Langeweile ohne aufzusehen. „Cafeteria ist unten links. Drucker benutzen Sie selbst und niemand hat Zeit für Einarbeitung. Willkommen bei Weltronik.“ Leonie lächelte tapfer. Sie war gekommen, um zu lernen, nicht um hoffiert zu werden.
Ihr Arbeitsplatz? Ein kleiner Schreibtisch im Nebengang, direkt neben dem Putzschrank ohne Tageslicht. Ihr Auftrag: Bestandsdaten eingeben, Listen kopieren und Kaffee für die Teamleiter bringen. Kein echtes Projekt, kein Mentor, kein Interesse. Doch Leonie war nicht enttäuscht. Sie war wachsam.
Und je mehr sie beobachtete, desto mehr wurde ihr bewusst. Hinter den Glaswänden dieses Unternehmens brodelte es. Gleich in ihrer ersten Woche sah sie, wie eine Reinigungskraft von einem Abteilungsleiter zur Schnecke gemacht wurde, wegen eines Fingerabdrucks auf dem Aufzugsknopf. Ein Kollege in der Logistik bat um einen Tag frei für die Beerdigung seines Vaters, abgelehnt. Eine Kollegin aus dem Kundenservice wurde vor versammelter Mannschaft verspottet, weil sie zu sensibel reagiert hatte.
Leon begann Notizen zu machen, nicht aus Neugier, sondern aus einem wachsenden Gefühl der Verpflichtung. Dieses Unternehmen, das sich auf LinkedIn mit Schlagwörtern wie Diversität und Wertschätzung brüstete, war im Inneren eine kalte Maschine. Und Menschen, die nicht ins System passten, wurden ignoriert oder zerdrückt.
Am Freitagabend saß Leon allein an ihrem Platz, während die anderen längst ins Wochenende verschwunden waren. Sie blickte auf die glatten Wände, die weißen Böden, die glänzenden Bildschirme und fragte sich, was steckt wirklich hinter dieser perfekten Fassade? Dann kam ihr ein Gedanke, gefährlich, aber notwendig.
„Wenn sie die Wahrheit wissen wollte, dürfte sie sich nicht mehr als Praktikantin sehen. Sie musste sich unsichtbar machen, nicht als Opfer, sondern als Stille Zeugin. Eine, die nicht nur beobachtet, sondern später handelt.“ Sie schloss ihren Laptop, atmete tief durch und murmelte: „Wenn niemand hinsieht, dann werde ich eben genauer hinsehen.“
Am Montagmorgen entschied sich Leon bewusst für ein unauffälliges Outfit. Grauer Pullover, einfache Jeans, kein Make-up. Sie wollte nicht auffallen und es funktionierte. Niemand fragte sie nach dem Wochenende. Niemand bemerkte, dass sie früher kam und später ging. Sie war nun wirklich nur die Praktikantin unsichtbar. Wie so viele andere im Schatten der Macht.
Was Leon zunehmend auffiel, war die Art, wie Menschen miteinander umgingen oder besser gesagt, wie von oben nach unten getreten wurde. Der Teamleiter Markus Bömler, ein Mann mit Rolex und Arroganz im Blick, schnauzte eine Azubine an, weil sie eine Exceltabelle falsch formatiert hatte. „Wenn du nicht mal das hinkriegst, solltest du vielleicht über deinen Berufswunsch nachdenken“, sagte er höhnisch, während die junge Frau die Tränen unterdrückte.
Leon wollte eingreifen, doch sie wusste, noch war nicht der Moment. Sie musste Beweise haben, Zeugen. Etwas, das man nicht einfach wegwischen konnte wie einen Fleck auf dem Fliesenboden.
Am Dienstag beobachtete sie zufällig, wie eine Reinigungskraft von einem der Bereichsleiter Torsten König zur Seite gezogen wurde. Der Mann war wütend, weil sein Büro nicht nach Zitrone roch. „Das hier ist keine Bahnhofstoilette“, sagte er mit beißendem Ton. Die Frau senkte den Blick, murmelte eine Entschuldigung und machte sich an die Arbeit. Niemand sagte etwas.
An diesem Abend kaufte Leon eine kleine Beudam, kaum größer als ein USB-Stick. Wenn sie sich bewegen musste wie ein Geist, würde sie wenigstens die Wahrheit dokumentieren. Es ging ihr nicht mehr nur um das eigene Praktikum. Es ging darum, ob das Ganze systematisch war oder nur Einzelfälle.
Schon in den nächsten Tagen bestätigte sich ihre Vermutung, es war ein System. Die Vorfälle wiederholten sich, immer dieselben Täter, immer dieselbe Zielgruppe, die Schwächsten. Reinigungskräfte, Azubis, befristet Angestellte. Wer keine Stimme hatte, wurde zum Blitzableiter.
Besonders auffällig war die Zusammenarbeit zwischen Markus Bömler und einem anderen Führungskopf, David Reinhard aus dem Strategieteam. Sie zogen sich oft in Besprechungsräume zurück, tuschelten mit verschlossenen Türen, lachten über zu emotionale Mitarbeiterinnen und über die Quote, die man eben einhalten müsse. Leon notierte alles minutiös. Tonfall, Uhrzeit, Zitate. Ihre Kamera lieferte begleitendes Material.
Noch hatte sie keinen Plan, wie sie all das veröffentlichen sollte, aber sie wusste, die Mauer bekam Risse.