Güstro. Der Schleier der Trauer, der vier Tage lang über Güstro lag, ist jäh zerrissen. Er weicht einem eisigen Sch
Das Mysterium der verlorenen Stunden
ock und einem Verdacht, der das Fundament unserer tiefsten Überzeugungen erschüttert. Es ist die Art von Wendung, die das Unvorstellbare in den Bereich des Grausamen Möglichen zerrt. Der Mord am achtjährigen Fabian – ein Fall, der ohnehin schon durch die Beteiligung der Ex-Freundin des Vaters, Gina H., düstere Schatten warf – hat eine neue, abgrundtiefe Dimension erreicht.
Dorina L., die Frau, die öffentlich um ihren verlorenen Sohn weinte, die in den ersten Tagen als das verzweifelte Opfer galt, steht nun im Fadenkreuz der Ermittlungen. Die Polizei hält sich bedeckt, doch die Gerüchteküche brodelt über: Die Beamten haben Widersprüche in ihren Aussagen entdeckt. Widersprüche, die so gravierend und kalt sind, dass sie das Bild der trauernden Mutter Lügen strafen könnten.
Wir müssen uns der Wahrheit stellen, auch wenn sie uns innerlich zerreißt. Wir müssen uns eingestehen, dass Mütter statistisch gesehen nicht automatisch über jeden Verdacht erhaben sind. Es gibt sie, die schrecklichen, entsetzlichen Fälle, in denen die Hand, die das Kind nähren sollte, auch die Hand war, die ihm das Leben nahm. Heute wagen wir den Blick in den Abgrund.

Das Mysterium der verlorenen Stunden
Der 10. Oktober ist der Schlüssel zu allem. Es war der Tag, an dem Fabian verschwand, getötet wurde, und der Tag, an dem seine Mutter Dorina L. ihn als letzte lebend sah.
Fabian war krank, er blieb zu Hause – eine alltägliche, unverdächtige Entscheidung jeder fürsorglichen Mutter. Doch was dann geschah, lässt die Ermittler erstarren. Irgendwann zwischen 11:00 und 15:00 Uhr verließ Fabian das Haus. Ohne sein Handy. Für einen Achtjährigen in der heutigen Zeit ist das eine alarmierende Anomalie. Ging er freiwillig? Wurde er abgeholt? Oder – und hier beginnt der düstere Verdacht – hat die Mutter ihn an einen Ort gebracht, von dem es keine Rückkehr gab?
Dorina L. lieferte den Ermittlern ihre Version der Ereignisse. Eine sorgfältig konstruierte Erzählung, wie man annehmen muss. Denn jetzt, nach intensiver Überprüfung, ist klar: Teile dieser Geschichte passen nicht zusammen. Die Polizei fand Ungereimtheiten, die darauf hindeuten, dass Dorina L. nicht die ganze Wahrheit gesagt hat.
Die Mauern des Alibis bröckeln: Vier Kategorien des Verrats
Was genau sind diese verhängnisvollen Widersprüche? Die Polizei spielt ihre Karten nicht offen aus, doch Experten für Kriminalistik haben klare Hypothesen, wo die Risse in Dorina L.’s Aussage verlaufen:
1. Der Tyrann der Zeit (Widerspruch 1: Die Zeitangaben)
Der klassischste aller Widersprüche ist die Zeit. Eine unkorrekte Zeitangabe kann eine gesamte Geschichte zum Einsturz bringen. Dorina L. nannte einen Zeitpunkt, wann Fabian das Haus verlassen haben soll. Doch was, wenn diese Angabe im krassen Gegensatz steht zu:
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Handydaten, die beweisen, dass die Mutter zu dieser Zeit woanders war?
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Zeugenaussagen, die Fabian früher oder später an einem Ort gesehen haben?
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Forensischen Erkenntnissen über den genauen Todeszeitpunkt, der Stunden vor dem behaupteten Verschwinden lag?
Ein Abweichen von Minuten kann verziehen werden; ein Widerspruch von Stunden ist ein Todesurteil für ein Alibi.
2. Das wandernde Telefon (Widerspruch 2: Der Aufenthaltsort)
Dorina L. behauptete, sie sei zu Hause gewesen. Doch die Technologie ist ein unbarmherziger Zeuge. Hat sich ihr Mobiltelefon bewegt, als sie vorgab, am Tisch zu sitzen? Können Kreditkartenbelege oder Überwachungskameras belegen, dass sie Besorgungen machte, die sie nicht erwähnte? Wenn Dorina L.’s digitaler Fußabdruck ihrem gesprochenen Wort widerspricht, dann war sie nicht dort, wo sie hätte sein sollen – und ihre Abwesenheit in diesen kritischen Stunden wird zum Verdachtsmoment Nummer eins.
3. Die Maske der Trauer (Widerspruch 3: Das Verhalten)
Ermittler sind Experten im Lesen von Körpersprache, von unangemessenen Reaktionen. War Dorina L. verzweifelt, hysterisch, panisch – wie man es von einer Mutter erwartet, deren Sohn verschwunden ist? Oder war sie zu ruhig, zu gefasst, zu kontrolliert? Gab es eine verdächtige Verzögerung, bevor sie die Polizei rief? Solche Zögerlichkeiten können bedeuten, dass die Person Zeit benötigte, um ihre Geschichte zu festigen, um Spuren zu verwischen. Die Suche, die vier Tage lang andauerte: War sie auffallend aktiv, um unverdächtig zu wirken? Oder auffallend zurückhaltend, weil sie wusste, dass die Suche sinnlos war? Die Art und Weise, wie sie nach dem Fund von Fabians Leiche zusammenbrach – war sie authentisch oder inszeniert? Für Ermittler sind das keine trivialen Details; sie sind die Risse in der Fassade der Unschuld.