Ich half einem Jungen, nach Hause zu kommen, aber als seine Mutter mich sah, wurde sie kreidebleich und sagte: „Du… bist es?“

Ich half einem Jungen, nach Hause zu kommen, aber als seine Mutter mich sah, wurde sie kreidebleich und sagte: „Du… bist es?“

Der Regen prasselte unbarmherzig gegen meinen Mantel, als ich an diesem Abend die Abkürzung durch den alten Stadtpark nahm. Die Laternen flackerten, als wollten sie mich warnen, umzukehren. Doch ich war müde, erschöpft von der endlosen Schicht im Krankenhaus, und alles, woran ich dachte, war ein heißes Bad und Schlaf.

Dann hörte ich es.

Ein Schluchzen.
Leise erst, dann plötzlich wie ein schmerzerfüllter Ruf.

Ich blieb stehen. „Hallo? Ist da jemand?“

Aus dem Schatten der Büsche löste sich eine kleine Gestalt. Ein Junge, vielleicht acht Jahre alt, durchnässt, zitternd, mit graugrünen Augen, die im Licht aufflackerten wie zwei Funken Hoffnung.

„Ich… ich hab mich verlaufen“, flüsterte er.

Sein Gesicht war schmutzig, die Hände zitterten, und ein Riss ging durch den Stoff seines Pullovers. Mein Herz zog sich zusammen.

„Wie heißt du?“ fragte ich sanft.

„L… Leo.“

„Okay, Leo. Ich bring dich nach Hause.“

Er sah mich an, als sei dieser Satz das Rettungsseil, nach dem er die ganze Zeit gesucht hatte. Vorsichtig nahm ich seine Hand. Sie war eiskalt.

Wir gingen durch die verregneten Straßen, und je mehr wir uns dem Viertel näherten, das er mir genannt hatte, desto merkwürdiger wurde mir zumute. Ein Gefühl… als würde etwas Uraltes in meinem Kopf wach werden. Ich konnte es nicht einordnen.

„Da vorne ist unser Haus“, sagte Leo schließlich und zeigte auf ein altes, charmantes Backsteinhaus mit Efeu an den Wänden. Warmes Licht schimmerte durch die Gardinen. Ein friedlicher Ort – zu friedlich, um mit dem Gefühl in meinem Bauch zusammenzupassen.

Leo drückte meine Hand fester.

„Meine Mama… sie macht sich bestimmt Sorgen.“

Wir gingen die Stufen hinauf. Leo klopfte hektisch. „Mama! Ich bin’s!“

Die Tür riss auf.

Eine Frau stand in der Tür. Mittleren Alters, schlank, lange dunkelblonde Haare, die unordentlich über die Schultern fielen. Ihre Augen — dieselben graugrünen wie die ihres Sohnes — weiteten sich, als sie mich sah.

Ihr Gesicht verlor augenblicklich jede Farbe.

Sie schwankte. Stützte sich an der Tür.
Dann flüsterte sie heiser, geradezu erstickt:

„Du… bist es?“

Ich blinzelte. „Wir kennen uns?“

Doch ihr Blick war nicht der einer Frau, die einen Unbekannten ansieht. Es war der Blick einer Person, die einem Geist gegenübersteht.

„Mama?“ Leo drückte sich an sie. „Sie hat mir geholfen…“

Die Frau schien ihn kaum wahrzunehmen. Ihre Augen klebten an meinem Gesicht.

„Unmöglich…“, hauchte sie. „Du solltest nicht hier sein… nicht mehr.“

Ein Schauer kroch meinen Rücken hinauf. „Vielleicht verwechseln Sie mich—“

„Nein.“
Sie machte einen Schritt vor, schob Leo behutsam hinter sich.
„Ich habe dich vor zehn Jahren beerdigt.“

Mir wurde kalt.

„Was?“

Sie befeuchtete ihre Lippen, die vor Schock kaum Farbe hatten. „Du… du bist Jonas.“

Der Name traf mich wie ein Schlag. Eine Welle aus Erinnerungsfetzen prallte in meinen Kopf — Bilder, Geräusche, ein Lachen, ein Schrei… und Dunkelheit.

„Mein Sohn“, fuhr sie fort. „Du bist mein Sohn.“

„Das… das ist unmöglich“, stammelte ich. „Ich bin 29. Ich arbeite im St.-Marien-Krankenhaus. Ich…“

Doch selbst während ich sprach, fühlte ich, wie sich ein Sturm in meinem Innern zusammenbraute. Bilder tauchten auf. Flackernd. Unkontrollierbar.

Ein Junge.
Ich selbst.
Ein anderes Haus.
Ein Feuer.
Flammen, die sich an den Wänden hochschlangen.
Eine Frau, die meinen Namen schreit.

Ich griff mir an den Kopf. „Was passiert mit mir?“

„Komm rein“, sagte sie plötzlich. „Bitte.“

Ihr Ton war verzweifelt, aber fest.
Und ich wusste nicht warum — aber ich folgte ihr.


Drinnen war es warm, fast zu warm. Der Duft von Kamille lag in der Luft. Familienfotos hingen an den Wänden. Auf mehreren Bildern war Leo zu sehen — lachend, spielend, mal mit einer Katze, mal auf einem Fahrrad.

Doch dann sah ich es.

Ein Foto von einer Frau und zwei Kindern.

Einem kleinen Jungen mit meinen Augen.
Und einem Baby im Arm der Frau.

„Das bist du“, sagte sie leise und deutete auf den Jungen.

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