Der Moment, in dem sich alles verschiebt: Eine öffentliche Anklage
Es sind die leisen, aber präzisen Momente in einem True-Crime-Fall, die seine gesamte Dynamik verändern. Momente, in denen das Schweigen gebrochen wird und eine neue, brisante Wahrheit das bisherige Bild ins Wanken bringt. Genau dieser Punkt ist im Fall des achtjährigen Fabian nun erreicht. Erstmals tritt eine enge Angehörige, die Großtante des Jungen, an die Öffentlichkeit und formuliert einen schwerwiegenden Verdacht. Dieser richtet sich nicht gegen eine abstrakte Gestalt, keinen Unbekannten, der zufällig in Fabians Leben trat, sondern gegen eine ganz konkrete Person aus dem engsten Umfeld der Familie.
Diese unerwartete Wendung ist das Ergebnis wochenlanger innerer Zerrissenheit. Sie entspringt einem tief sitzenden Gefühl in der Familie, dass die offizielle Version der Ereignisse, insbesondere der Fund von Fabians Leiche, nicht mit der Realität übereinstimmt. Zu viele Fragen sind unbeantwortet, zu viele Zufälle scheinen zusammenzukommen. Die Familie fühlt sich nicht gehört, ihre Zweifel werden beiseitegewischt. Deshalb die Entscheidung der Großtante, die Sprachlosigkeit zu durchbrechen – ein Akt, der nun die emotionale Ebene des Falls radikal mit der nüchternen Ermittlungsarbeit konfrontiert.
Die Ermittlungen laufen seit Wochen auf Hochtouren: Hausdurchsuchungen, Befragungen, Spurenanalyse. Und doch steht offiziell niemand im Fokus. Die Polizei betont die Ergebnisoffenheit. Aber in Fällen dieser emotionalen Sprengkraft existieren immer zwei Realitäten: die offizielle Ermittlungslage der Behörden und die intuitive Wahrnehmung der Menschen, die das Opfer kannten und liebten. Und genau hier, in diesem Kontrast, beginnt das erschütterndste Kapitel des Falles.

Der Ort, der keine Zufälle duldet: Klein Upal und die Ex-Partnerin
Der Kern der familiären Zweifel dreht sich um eine Frage, die alles verändert: Warum war ausgerechnet die Ex-Freundin von Fabians Vater dort?
Die Frau, die die Leiche des Jungen fand, ist keine zufällige Spaziergängerin. Sie ist die ehemalige Partnerin von Fabians Vater, eine Person, die jahrelang eine Rolle im Leben des Jungen spielte, die Fabian gut kannte. Die Großtante beschreibt diesen Umstand als „zu viele Zufälle auf einmal“ und damit spricht sie das Unfassbare aus. Die Familie hält es für nahezu ausgeschlossen, dass diese Person zufällig an einem derart abgelegenen Ort war.
Um diese Irritation zu verstehen, muss man sich den Fundort vorstellen: Klein Upal. Ein winziges, kaum 200 Einwohner zählendes Dorf, umgeben von unwegsamen Feldern und Waldstücken. Der Fundort selbst, ein kaum genutzter Waldweg an einem Tümpel, ist für Außenstehende kaum zu finden. Es ist kein idyllisches Naturgebiet, kein beliebtes Ausflugsziel oder idyllischer Rundweg. Es ist ein abgelegenes, oft matschiges Gebiet, in dem selbst Autos stecken bleiben können.
Die logische Schlussfolgerung der Großtante ist vernichtend: „Warum sollte man zum Spazieren gehen ausgerechnet nach Klein Upal fahren?“ Die Finderin wohnt nicht dort, hat keinen direkten Bezug zu dem Ort, war nicht auf der Durchreise. Sie hat sich bewusst dorthin bewegt. Die Version der Finderin, sie sei mit einer psychisch angeschlagenen Freundin dorthin gefahren, um „den Kopf frei zu bekommen“, klingt für die Angehörigen nicht schlüssig. Sie argumentieren, dass man zur Beruhigung an einen See, in einen Park oder auf einen normalen Spazierweg geht – aber nicht tief in einen abgelegenen Wald, dessen Wege selbst Ortskundige meiden.
Hinzu kommt die irritierende Präzision des Fundortes. Man muss die Gegend fast auf den Meter kennen, um genau an jenem Tümpel vorbeizukommen, an dem Fabians Körper lag. Es gibt keinen ausgeschilderten Pfad, keine Jogger, keine regelmäßigen Spaziergänger. Selbst ein Schäfer aus der Umgebung bekräftigte, dass man dort mit einem Auto leicht versinken könne. Die Frage der Familie lautet daher nicht: Wie konnte man die Leiche finden?, sondern: „Warum ist man überhaupt dort gewesen?“
Auch das Verhalten der Finderin nach dem Fund erscheint der Familie seltsam. Laut Angaben eines Schäfers wartete die Frau mit ihrem Auto an der Zufahrt, vermutlich auf die Beamten. Wer zufällig eine Leiche findet, gerät in Panik, entfernt sich schockiert. Doch die Finderin blieb an einem Punkt, der jener sein könnte, den man auch gewählt hätte, wenn man bewusst zu diesem Fundort gefahren wäre. Die Zweifel der Angehörigen sind scharf formuliert und beruhen auf der Kenntnis der Umstände, die sich gegen jede Logik sträuben.