Die Tragödie um den achtjährigen Fabian aus Güstrow hat eine neue, zutiefst beunruhigende Dimension erreicht. Was zunächst wie ein lang ersehnter Durchbruch in den Ermittlungen schien – der Fund eines verkohlten Handschuhs in unmittelbarer Nähe des Leichenfundorts – hat sich binnen weniger Tage in ein juristisches und psychologisches Minenfeld verwandelt. Der Grund dafür ist die Aussage einer neuen, bisher unbekannten Zeugin, deren Behauptungen die gesamte Beweiskette infrage stellen.
Wir stehen nicht mehr vor dem Problem eines unklaren Verbrechens. Wir stehen vor der Erkenntnis, dass das Verbrechen selbst möglicherweise nur der Anfang war. Der Handschuh ist nicht nur ein potenzielles Beweisstück; er ist im Lichte der neuen Informationen zur Waffe der psychologischen Kriegsführung geworden – ein bewusst platziertes oder manipuliertes Objekt, dessen eigentlicher Zweck die systematische Zerstörung der Ermittlungen ist.
Der Fall Fabian wird damit zur ultimativen Probe für den deutschen Rechtsstaat: ein Kampf nicht nur gegen einen Täter, sondern gegen einen Gegner, der die Regeln der Forensik und der Justiz besser zu verstehen scheint als die Ermittler selbst.

I. Der Bruch im Fundament: Die Geburt der Kontamination
Um die Brisanz der neuen Entwicklung zu verstehen, muss man sich die fatale Kette von Ereignissen rund um den Handschuh noch einmal vor Augen führen – eine Kette, die dem Täter, sollte er der Urheber des Chaos sein, das perfekte Einfallstor bot.
Seit Anfang November sitzt Gina H., die 29-jährige Ex-Freundin von Fabians Vater, als dringend Tatverdächtige in Untersuchungshaft. Sie ist diejenige, die die Leiche Fabians in einem Tümpel bei Reimershagen gefunden haben will. Sie schweigt konsequent.
In diese angespannte Stille platzte der Fund des Handschuhs, nur 100 Meter vom Leichenfundort entfernt. Er ist potenziell die Goldgrube an Spuren: DNA der Täterin, Fasern von Fabians Kleidung, vielleicht sogar Spuren des Brandbeschleunigers, der beim Versuch, den Leichnam anzuzünden, verwendet wurde.
Doch die Umstände des Funds sind von Anfang an bizarr und stellen aus forensischer Sicht einen „kleinen Albtraum“ dar:
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Unkontrollierte Entdeckung: Er wurde nicht von der Spurensicherung gefunden.
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Mediale Kontamination: Eine Spaziergängerin fand den Handschuh in einer Plastiktüte. Statt die Polizei zu rufen, übergab sie das entscheidende Beweisstück einem Fernsehteam, das in der Nähe drehte.
Mit diesem ersten Bruch wurde die sogenannte „Chain of Custody“ – die lückenlose Kette des Gewahrsams, die die Integrität eines Beweisstücks garantiert – von Anfang an kompromittiert. Wer hat den Handschuh angefasst? Wie wurde er transportiert? Wurden bei der Übergabe an das TV-Team versehentlich fremde DNA-Spuren hinzugefügt? Der Täter, so die Befürchtung, hat diese anfängliche Fragilität des Fundorts (die bald nach Fabians Entdeckung zur unkontrollierten Trauerstätte wurde) einkalkuliert.
II. Der Eiskalte Zug: Die Gezielte Platzierung des Zweifels
Kaum hatten die Ermittler den Handschuh ins Labor geschickt, folgte der eiskalte Zug des Gegners: Die neue Zeugin meldet sich bei der Polizei. Ihre Aussage ist ein direkter Anschlag auf die Glaubwürdigkeit des Fundstücks:
Sie behauptet, denselben Handschuh bereits Tage zuvor an einer völlig anderen Stelle gesehen zu haben – einem Ort, den die Polizei im Zuge ihrer Ermittlungen bereits abgesucht und für unrelevant erklärt hatte.
Diese Behauptung ist, juristisch gesehen, verheerend. Sie verwandelt den Handschuh von einem „Sechser im Lotto“ in ein „Ermittlungsdilemma“. Die Ermittler stehen nun nicht mehr vor der Frage, was der Handschuh verrät, sondern ob seine Geschichte überhaupt wahr ist.
Dieser Akt kann nicht als bloßer Zufall oder menschlicher Fehler abgetan werden. Die Zeugenaussage deutet auf eine kalte, gezielte Berechnung hin, die nur einem Zweck dient: die bewusste Schaffung eines „Signalrauschproblems“.
Die drei potenziellen Szenarien sind die drei Keulen, mit denen die Verteidigung nun die Anklage zerlegen kann: