Die Stummen Röhren: Wie 8 Ikonen der deutschen Elektronik am digitalen Wandel zerbrachen

Article: Deutschland galt einst als eine Hochburg der Elektronik. Die Namen der hierzulande entwickelten und gefertigten Radios, Fernseher und Tonbandgeräte standen weltweit für eine unerschütterliche Qualität und einen Pioniergeist, der die Ära des Wirtschaftswunders maßgeblich prägte. Produkte mit dem Label „Made in Germany“ waren gefragt und dominierten die Märkte – vom Wohnzimmer bis zum Auto. Doch die Zeiten haben sich dramatisch geändert.
In den letzten Jahrzehnten führte ein gnadenloser Cocktail aus rasantem technischem Wandel, dem scharfen internationalen Wettbewerb und einer oft fatalen Ignoranz gegenüber neuen Trends zum Zusammenbruch vieler dieser einst glorreichen Unternehmen. Was folgte, war eine Welle von Pleiten, Übernahmen und der Zerstörung jahrzehntelanger Tradition. Heute sind die Logos mancher dieser Firmen nur noch gesichtslose Lizenzmarken unter ausländischer Führung, andere sind komplett von der Bildfläche verschwunden. Wir beleuchten das Schicksal von acht deutschen Elektronikherstellern, deren Ruhm groß war, deren Ende jedoch umso härter.
Der unaufhaltsame Abstieg: Warum Tradition nicht vor der Pleite schützt
Der Hauptgrund für das kollektive Scheitern der deutschen Elektronikriesen liegt in der Unfähigkeit, mit der Geschwindigkeit und den Preisen der asiatischen Konkurrenz, insbesondere aus Japan und Südkorea, mitzuhalten. In den 1970er und 1980er Jahren überschwemmten Konzerne wie Sony, Panasonic und später Samsung den Markt mit technisch modernen, aber vor allem deutlich günstigeren Geräten.
Die deutschen Hersteller litten unter hohen Personalkosten, waren oft zu schwerfällig in ihren Innovationszyklen und hielten zu lange an traditionellen Fertigungsmethoden fest. Hinzu kam die verpasste oder nur zögerliche Adaption des digitalen Wandels. Wer den Sprung von der Röhrentechnik zum Transistor, von der Kassette zur CD und später zu digitalen Formaten verpasste, war im Preiskampf schnell chancenlos. Der schmerzhafte Verlust der Eigenständigkeit war fast immer die Folge.
Grundig: Der Fall des europäischen Giganten
In der Blütezeit der deutschen Unterhaltungselektronik thronte ein Name über allen anderen: Grundig. 1930 in Fürth gegründet, avancierte die Firma in den 1950er und 1960er Jahren zum Inbegriff deutscher Qualität in der Radio- und Fernsehtechnik. Der Slogan „Grundig, eine Marke wie ein Freund“ war in Millionen Haushalten fest verankert. Die Fernseher aus Fürth konkurrierten in den 70ern und 80ern direkt mit den ersten japanischen Herausforderern. Grundig war einer der größten europäischen Hersteller.
Doch die schiere Masse an billiger Produktion aus Asien und ein Mangel an ausreichenden Innovationen brachten das Unternehmen ins Straucheln. Trotz mehrerer Sanierungsversuche und wechselnder Eigner folgte 2003 die Insolvenz. Die Marke existiert zwar heute noch, wurde jedoch vom türkischen Elektronikkonzern übernommen, während die Fertigung in Deutschland längst eingestellt wurde. Die Geschichte von Grundig ist die wohl prominenteste Erinnerung an eine Ära deutscher Ingenieurskunst, die am globalen Preiskampf zerbrach.
Schneider: Erschwingliche Technik unter massivem Druck
Die Geschichte von Schneider, einem Hersteller aus dem bayerischen Türkheim, war geprägt von dem Anspruch, erschwingliche und solide Technik für jedermann anzubieten. In den 1970er und 1980er Jahren fand man die Fernseher und kompakten Musikzentren von Schneider in vielen Haushalten, die Wert auf Qualität ohne überteuerte Preise legten.
Das Unternehmen bewies mit der Kooperation mit dem japanischen Amstrad-Konzern im Bereich der Heimcomputer sogar kurzzeitig Weitsicht. Doch der immense Preisdruck im Unterhaltungselektronikmarkt wurde Schneider schließlich zum Verhängnis. Die internationalen Konkurrenten konnten zu Preisen produzieren, die für das deutsche Unternehmen nicht mehr rentabel waren. 2002 musste das Traditionsunternehmen Insolvenz anmelden. Die Marke verschwand vom Markt, wenngleich die Erinnerung an erschwingliche Technik für die breite Masse blieb.
Nordmende: Eleganz, die in Frankreich aufging
Aus der traditionsreichen Radiofabrik Mende entstand Nordmende, eine Marke, die in der Wirtschaftswunderzeit besonders durch ihre eleganten Fernseher und soliden Röhrenradios bekannt wurde. Nordmende legte Wert auf die Kombination von hochwertiger Technik und modernem Möbeldesign; die Geräte sollten nicht nur funktionieren, sondern auch ästhetisch ins Wohnzimmer passen. Die edlen Holzgehäuse und stilvollen Standfüße wurden zum Markenzeichen.
Doch auch Nordmende wurde in den 1970er Jahren von internen Problemen und enormen Investitionen in neue Technologien geschwächt. Strategische Fehler ließen das Unternehmen wanken. Ende der 70er Jahre wurde Nordmende vom französischen Thomson Konzern übernommen und verlor damit seine Eigenständigkeit. Heute wird der Name Nordmende lediglich von verschiedenen Lizenznehmern genutzt. Das ursprüngliche deutsche Unternehmen ist längst Geschichte.
Blaupunkt: Der Pionier, der digital den Anschluss verlor

Blaupunkt, 1920er Jahre in Berlin gegründet, etablierte sich als eine der bekanntesten deutschen Marken, insbesondere im Bereich der Autoradios. Der berühmte „Blaue Punkt“ war ursprünglich ein Gütesiegel für besonders gründlich geprüfte Geräte und wurde später zum Firmennamen selbst. Ein Blaupunkt-Radio im Auto galt in den 1960er und 70er Jahren als Standard und stand für Verlässlichkeit.
Doch die 1990er Jahre brachten für Blaupunkt einen steigenden Druck durch billigere, flexiblere asiatische Hersteller, sinkende Margen und, entscheidend, eine verpasste Anpassung an neue digitale Trends in der Autoelektronik. Die Folgen waren verheerend. Das Unternehmen wurde 2016 endgültig aufgelöst. Ähnlich wie bei anderen Marken existiert der Name heute nur noch als Lizenzmarke, ohne jegliche Verbindung zur einstigen deutschen Elektronikfertigung. Die Ära, in der ein blauer Punkt Vertrauen in deutsche Technik symbolisierte, ist vorbei.
Saba: Der stille Tod einer Schwarzwälder Innovation
Saba, aus dem Schwarzwald stammend, war eine der traditionsreichsten deutschen Marken der Unterhaltungselektronik. Das Unternehmen glänzte in den 1950er und 60er Jahren durch Qualität und technische Innovation. Besonders berühmt wurde Saba in den 1970er Jahren, als es zu den Pionieren der Fernbedienungen für Fernseher zählte – eine damalige Sensation.
Doch in den späten 1970er Jahren geriet Saba in finanzielle Schwierigkeiten und wurde zunächst vom US-Konzern GTE und später vom französischen Thomson Konzern übernommen. Mit jedem Verkauf verlor Saba weiter an Eigenständigkeit. Die Werke im Schwarzwald wurden geschlossen. Das traurige Ende der Marke kam 2015/2016, als sie von Thomson aufgegeben und endgültig gelöscht wurde. Saba verschwand vollständig.
Wega: Die Marke, die in Sony aufging
Wega, 1923 in Stuttgart gegründet, gehört zu den ältesten deutschen Radioherstellern. In den 1950er und 60er Jahren war Wega für solides deutsches Handwerk und präzise Technik bekannt. In den 70er Jahren bewies Wega Mut zum modernen HiFi-Markt mit einem fast schon futuristischen, schlichten Design.
Doch 1975 erfolgte die Übernahme durch den japanischen Elektronikkonzern Sony. Fortan wurden die Geräte unter dem Namen Wega geführt, waren aber im Grunde Sony-Produkte, ein sogenanntes Doppel-Branding. Sony nutzte den vertrauten Namen, bis die Marke 2005 vollständig aufgegeben und durch den Namen „Bravia“ ersetzt wurde. Wega verschwand endgültig vom Markt – ein Beispiel dafür, wie eine deutsche Traditionsfirma als nützliche Hülle für einen internationalen Konzern enden kann.
Graetz und Uher: Das Ende der Spezialisten
Graetz, dessen Wurzeln bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen, konzentrierte sich in den 1950er und 60er Jahren auf die Produktion von Radios und Fernsehern für die breite Masse – solide Qualität zu erschwinglichen Preisen. Doch der Verkauf an die Standard Elektrik Lorenz AG im Jahr 1961 besiegelte das Ende der Eigenständigkeit. Die Marke ging später in verschiedenen Konzernstrukturen unter und ist heute vollständig verschwunden.
Ein noch tragischeres Schicksal traf Uher, den Spezialisten für professionelle Audiotechnik. Die Münchner Firma wurde weltberühmt für ihre tragbaren Tonbandgeräte, wie das legendäre Modell Uher Report, das in den 1960er Jahren von Journalisten, Rundfunkanstalten und Geheimdiensten genutzt wurde – ein Symbol deutscher Ingenieurskunst im Audiobereich. Doch der Siegeszug der Kassette und später der digitalen Aufnahmetechnik verdrängte das Unternehmen. Uher konnte seine einstige Marktstellung nicht behaupten und verschwand in den 1980er Jahren als Hersteller von der Bildfläche.
Die Last des Verlusts
Das Verschwinden dieser acht Ikonen der deutschen Elektronikindustrie ist mehr als nur eine Aneinanderreihung von Geschäftsschließungen. Es ist ein tiefgreifender Verlust an industrieller Substanz, von technologischem Wissen und von kulturellem Erbe. Die Geschichten von Grundig, Saba und Blaupunkt sind ein mahnendes Beispiel dafür, dass in einer globalisierten Welt weder Tradition noch ein exzellenter Ruf allein ein Überleben sichern. Nur ständige Innovation, kompromisslose Anpassung an neue Märkte und die Bereitschaft, alte Zöpfe abzuschneiden, bieten Schutz. Was bleibt, ist die wehmütige Erinnerung an eine Zeit, in der das Etikett „Made in Germany“ im Elektronikmarkt die unumstößliche Garantie für Qualität und Fortschritt war.