
Ein kleines Mädchen rannte weinend zu den Motorradfahrern: „Er kommt!“ – Als die Motorradfahrer den Grund hörten, stürmten sie davon.
Es war ein kalter, windiger Abend, als ein kleines Mädchen weinend durch die engen Gassen der Altstadt rannte. Ihre kleinen Hände klammerten sich an ein zerfleddertes Stofftier, ihre Augen suchten verzweifelt Schutz. „Er kommt!“, rief sie keuchend zu einer Gruppe Motorradfahrer, die gerade an der Ecke pausierten.
Die Männer, grob und mit Lederjacken bekleidet, starrten das Kind überrascht an. Einer von ihnen, ein großer Mann mit einer tiefen Narbe auf der Wange, fragte mit rauer Stimme: „Wer kommt?“
„Mein Bruder!“, schluchzte das Mädchen. „Er wird alles zerstören, wenn er mich findet!“
Als sie ihnen den Grund nannte, zögerten die Männer einen Moment, dann starteten sie ihre Motorräder und verschwanden so schnell, wie sie gekommen waren. Es war nicht nur die Angst vor dem Unbekannten, sondern die unheilvolle Aura des Jungen, die selbst die erfahrensten Straßenkämpfer erzittern ließ.
Das Mädchen hieß Anna. Sie war erst acht Jahre alt, aber schon viel zu früh gezwungen gewesen, für sich selbst zu sorgen. Ihre Eltern waren bei einem tragischen Unfall gestorben, und ihr älterer Bruder Jakob war das Einzige, was ihr noch von einer Familie geblieben war. Doch Jakob war nicht mehr derselbe Junge, der sie einst beschützt hatte. In den letzten Jahren hatte er sich von dunklen Kreisen der Stadt verführen lassen – eine Welt voller Gewalt, Macht und Geheimnisse.
Anna wusste, dass er sie suchte. Und sie wusste, dass sie keine Chance hatte, wenn er sie fand. Ihr Herz raste, als sie in Richtung der alten Fabrik rannte, die versteckte Tunnel unter den Straßen hatte – die einzigen Orte, die ihr noch Schutz bieten konnten.
Jakob hingegen war unaufhaltsam. Seit seiner Rückkehr in die Stadt hatte er sich verändert. Seine Augen, einst warm und liebevoll, waren jetzt kalt, berechnend und voller Zorn. Er wollte nicht nur Anna finden – er wollte sie dazu bringen, ihm zu folgen, tief in eine Welt, aus der es kein Zurück gab.
Unterdessen hatten die Motorradfahrer, die zuvor gewarnt worden waren, sich in einem verlassenen Industriegebiet gesammelt. Sie waren Teil einer berüchtigten Bande, die die Unterwelt der Stadt kontrollierte. „Dieses Mädchen…“, murmelte der Mann mit der Narbe, „es hat uns ernsthaft gewarnt. Ich habe noch nie so viel Angst vor einem Kind gehabt.“
„Wir haben keine Chance gegen ihn“, sagte ein anderer Fahrer. „Er ist cleverer als alles, was wir kennen.“
Die Geschichten über Jakob waren wie Schatten, die die gesamte Stadt heimsuchten. Jeder, der sich ihm in den Weg stellte, bezahlte einen hohen Preis.
Anna erreichte die Fabrik, doch sie war nicht allein. Jakob hatte ihre Spuren verfolgt und stand nun im Schatten, nur wenige Meter entfernt. „Anna…“, rief er mit einer Stimme, die kalt und fremd klang, „komm mit mir.“
Anna wich zurück. „Nein, Jakob! Bitte! Ich habe Angst!“
Er trat näher, aber anstatt sie zu packen, blieb er stehen. „Du musst verstehen… ich tue das nur, um uns zu schützen.“
„Zu schützen?“ Anna zitterte. „Von wem?“
Da hörten sie plötzlich die Sirenen der Polizei in der Ferne. Jakob wusste, dass seine Zeit begrenzt war. Doch noch bevor die Polizei eintreffen konnte, hörten sie ein lautes Krachen aus der anderen Ecke der Fabrik – die Motorradfahrer waren zurückgekehrt, diesmal in Begleitung anderer Gangster. Ein Kampf brach aus. Funken flogen, Schüsse hallten durch die verlassenen Hallen.
Anna nutzte das Chaos, um in die Tunnel zu fliehen. Jakob folgte ihr, kämpfte sich durch die Gegner und beschützte sie mit einer fast übermenschlichen Entschlossenheit. Die Bande wurde nach und nach überwältigt, einige flohen, andere wurden gefangen genommen.
Im sicheren Versteck unter der Fabrik fiel Anna erschöpft zu Boden. Jakob kniete sich neben sie. „Ich wollte dich nicht erschrecken“, sagte er leise. „Aber ich musste sicherstellen, dass niemand dir etwas antut. Du bist das Einzige, was mir noch wichtig ist.“
Anna sah ihn an, Tränen der Erleichterung in den Augen. „Versprich mir, dass du nicht wieder… böse wirst.“