Metzgerei der Steinbergers — Sie füllten ihre Würste mit Menschenresten (1963, Oberpfalz)

Im abgelegenen bayerischen Landkreis Oberpfals lag das kleine Städtchen Stt Marinenfels. Ein Ort, der wirkte, als wäre die Zeit vor Jahrzehnten stehen geblieben. Es war das Jahr 1963 und während der Rest Deutschlands im Nachkriegsaufschwung nach vorne preschte, blieb St. Marinenfels unverändert.


Engge Kopfsteinpflastergassen, Fachwerkhäuser mit verwitterten Holzbalken, Fensterläden, die im Wind klapperten und ein Marktplatz, der jeden Morgen nach frischem Brot und feuchtem Waldboden roch. Unter den wichtigsten Geschäften des Ortes befand sich die Metzkerei Steinberger, ein Familienbetrieb in dritter Generation, der seit Jahrzehnten an der Hauptstraße stand.
Der Laden war ein massives Gebäude mit breiter Sandsteinfassade, schweren Holztüren und einem schmiedeeisernen Schild, auf dem ein stilisiertes Metzgerbeil prankte. Der Inhaber Ernst Steinberger, ein Mann von etwa 60 Jahren, war bekannt für seinen ernsten Blick, seine tiefen Stirnfalten und die gewaltigen schwieligen Hände eines Mannes, der sein Leben lang Tiere geschlachtet hatte.
Seine Frau Gertrud Steinberger, klein, zierlich und stets mit einem Rosenkranz in der Schürzentasche, führte die Bücher und regelte den Haushalt. Ihr Sohn Matthias Steinberger, 32 Jahre alt, arbeitete seit seiner Kindheit im Betrieb. Er war kräftig, geschickt und freundlich.
Doch es fehlte ihm die kalte Präzision seines Vaters, die die Kunden gleichermaßen faszinierte und einschüchterte. Die Steinbergers waren besonders berühmt für ihre hausgemachten Bratwürste, deren Rezept angeblich Ernstsgroßvater aus Bömen mitgebracht hatte. “Das Geheimnis liegt in der Mischung der Gewürze und der Geduld”, pflegte ernst seinen neugierigen Kunden zu sagen, verriet jedoch niemals ein einziges Detail der tatsächlichen Zutatenliste.
Die Metzgerei nahm das gesamte Erdgeschoss des zweistöckigen Fachwerkhauses ein. Vorne befand sich der blitzsaubere Marmordresen, hinter dem die Würste an Haken baumelten. Dahinter lag der Arbeitsraum und ganz hinten der Hinterhof, wo sich ein kleiner privater Schlachtplatz befand. Dort wurden die Tiere geschlachtet, die Bauern aus den umliegenden Dörfern lieferten.
An einem warmen Sommermorgen des Jahres 1963 kam eine junge Frau nach St. Marienfels. Elena Fuchs, 25 Jahre alt, frisch ernannte Lehrerin an der örtlichen Volksschule. Ursprünglich aus München suchte sie Ruhe und einen Neuanfang fernab des Großstadtrubels. Doch die Stille des Ortes war gleichermaßen beruhigend wie bedrückend.
An einem Samstagmorgen, als sie sich auf dem Markt mit Lebensmitteln eindeckte, betrat sie zum ersten Mal die Metzkerei Steinberger. Der Raum roch nach Gewürzen, frisch geschliffenem Metall und geräuchertem Fleisch. “Grüß Gott”, sagte sie lächelnd. “Man hat mir ihre Bratwürste sehr empfohlen.” Ernst, der gerade eine ältere Kundin bediente, hob kaum den Blick.
Doch Matthias, der im Hintergrund Messer säuberte, erstarrte für einen Moment, als hätte ihn ihr Anblick überrascht. Dann trat er rasch an den Tresen. “Die besten Würste der ganzen Oberpfals”, meinte er mit gewinnender Freundlichkeit. “Neu hier im Ort?” “Ich hätte sie sonst bestimmt bemerkt. Ich bin die neue Lehrerin, seit zwei Wochen hier.
” “Dann herzlich willkommen, Fräulein Fuchs. Sie sollten unbedingt unsere Waldkräuterbratwürste probieren.” Familienrezept. Elena kaufte ein halbes Kilo und verließ das Geschäft. Doch als sie die Tür hinter sich schloss, spürte sie den brennenden Blick zweier Männer in ihrem Rücken.
Nicht nur den neugierigen, fast bewundernden von Matthias, sondern auch den dunklen, unergründlichen von Ernst. Ein Blick, wie ihn ein Metzger auf ein Fleischstück wirft, bevor er entscheidet, wie er es zerlegt. Am Abend briet Elena die Würste in ihrer kleinen Lehrerdienstwohnung. Der Duft erfüllte die Zimmer, würzig, intensiv, beinahe berauschend.
Der Geschmack war noch ungewöhnlicher, kräftig, reich, fast hypnotisch. Kein Wunder, dass alle davon schwärmen, dachte sie, ohne zu ahnen, dass hinter diesem einzigartigen Aroma ein Geheimnis lauerte, das den ganzen Ort seit Jahrzehnten vergiftete. In den Monaten vor Elenas Ankunft hatten sich merkwürdige Vorfälle gehäuft, doch kaum jemand sprach darüber.
Ein alter Landstreicher war verschwunden. Ein alleinstehender Witver wurde nicht mehr gesehen. Eine Frau aus dem Randbezirk, die sonst immer auf dem Markt stand, war plötzlich weg. Niemand stellte Fragen, niemand wollte welche stellen. Für die Bewohner von St. Marinfels war Schweigen eine Tugend.
Elena, noch ahnungslos legte sich an diesem Abend schlafen, satt, zufrieden und unwissend, daß sie bereits den ersten Schritt in den dunkelsten Abgrund ihres Lebens getan hatte. Am folgenden Montag begannen für Elena die ersten regulären Unterrichtstage. Die Kinder von St. Marinfels waren höflich, ruhig und erstaunlich diszipliniert. Doch in ihren Blicken lag etwas, dass sie nicht recht deuten konnte.
eine Mischung aus Scheu und einer Art unausgesprochener Wachsamkeit, als mußten sie stets darauf achten, was sie sagten und vor wem. In der großen Pause setzte sich die Schulleiterin Frau Margarete Albrecht zu ihr. Eine resolute Frau um die sechzig mit strengem Dutt und faltenfrei gebügelter Bluse. Ich hoffe, sie haben sich gut eingelebt, Fräulein Fuchs. Ja, danke.
Die Leute sind freundlich, wenn auch ein wenig zurückhaltend. Frau Albrecht nickte mit einem wissenden zugleich bedrückten Lächeln. So ist es hier. Die Menschen halten zusammen, manchmal zu sehr. Elena wollte nachfragen, doch im selben Moment klingelte es und die Kinder stürmten zurück in die Klassen. Am frühen Abend ging sie nach Hause, als ihr Blick auf ein altes abgegriffenes Notizbuch fiel, das im Regal ihres Vorgängers stand.
Ihr Vorgänger Johannes Meindel, ein junger Lehrer aus Regensburg, war vor einem halben Jahr spurlos verschwunden. Angeblich war er in die Großstadt zurückgekehrt, doch seine persönlichen Dinge waren noch immer in der Dienstwohnung. was Elena stets merkwürdig vorgekommen war. Sie nahm das Heft zur Hand und öffnete es.
Zwischen harmlosen Beobachtungen über Schüler und Schulabläufe fand sie eine Eintragung datiert eine Woche vor seinem Verschwinden. Ich habe nachts merkwürdige Geräusche hinter der Metzkerei Steinberger gehört. Ernst behauptet, er schlachte nur am frühen Morgen, doch gestern waren es Schreie, keine Tierlaute. Vielleicht sollte ich mit dem Gemeindepolizisten reden. Elena fröstelte.
Die Erinnerung an den unergründlichen Blickernst Steinberger drängte sich ihr ungebeten auf. Sie versuchte die Gedanken abzuwehren. Vielleicht hatte Johannes übertrieben. Vielleicht hatte er sich geirrt. Doch ein nagendes Gefühl ließ sie nicht mehr los. In den folgenden Tagen wurde die Unruhe in ihr stärker. Wann immer sie über den Marktplatz ging, bemerkte sie, wie Matthias Steinberger sie aus der Ferne beobachtete.
Nicht bedrohlich, eher aufmerksam, aber auf eine Art, die sie nervös machte. Einmal stand er plötzlich neben ihr, als sie am Brunnen vorbeiging. “Wie schmeckten ihnen die Bratwürste?”, fragte er freundlich. “Sehr gut”, sagte sie vorsichtig. Solch ein Aroma habe ich noch nie erlebt. “Mein Vater ist sehr stolz auf das Rezept”, sagte Matthias und lächelte.
Doch an seinen Händen sah sie dunkle Flecken, kleine rötliche Verfärbungen, die sich trotz Seife in die Haut gesetzt hatten. “Blut.” “Ganz sicher Blut.” “Wir arbeiten viel”, erklärte er, als hätte er ihre Gedanken erraten. “Die Samstagsproduktion ist besonders anstrengend.

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