(1898, Unterfranken) Die makabre Geschichte der Erbinnen Blum: Schwestern als Geliebte ihres Vaters

Der Hof Blum lag in der welligen Landschaft Unter Frankens, fernab der neuen Bahnlinie, die das Land mit einem Pfeifen durchschnitt wie ein Messer durch Reifen Apfel. Der Hof war ein weitläufiges Gefiert aus Fachwerk, Sandstein und dunklen Ziegeldächern, Speicher, Kältehaus, Gesindekammern und der Wohntrakt mit einem Flur, der im Winter nach Bienenwachs, Kohle und Heidelberkompott roch.

Hinter dem Haus standen alte Apfelbäume, die sich bei Wind aneinander lehnten und eine Kapelle aus hellem Muschelkalk. Friedrich Blum, Herr des Gutes, war ein Mann, der Räume füllte, noch ehe er die Schwelle überschritten hatte. Seine Stimme warm und schwer, seine Schritte lautlos, als hätten die Dialen aus Respekt gelernt, nicht zu knarren.

In Markt und Pfahrgemeinde galt er als Vorbild. Seine Felder trugen Gerste, Roggen, Rüben. Sein Steinbruch lieferte Platten für neue Bürgerhäuser. Sein Wort hatte Gewicht wie ein Malstein. Wenn er abends den Staub der Wege von seinen Stiefeln schlug, wichen Knechte zur Seite und Margarete Blum, seine Ehefrau, hielt das Haus zusammen wie eine unsichtbare Naht.

Sie kannte jedes knarrende Brett, jede Macke im Porzellanservice, jeden Schatten, der im Dämmer die Treppen hinabglitt. Ihr Tag war ein Perlenband aus Pflichten. Vorratskammer zählen, Kräuter trocknen, Rechnungen prüfen, Almosen richten. Am stärksten aber hütete sie den Ruf der Familie, dieses zarte Glas, das schon vom Hauch der Nachrede springen konnte.

Die Töchter, Klara und Agnes schienen der Sommer selbst. Kara, die ältere, mit einem Blick, der schmeichelte und prüfte zugleich: “Agnes, die Jüngere, hell wie ein Sonnenstreifen in der Scheune, der im Staub tanzt.” Klara sprach gern, wählte ihre Worte wie Bände auf einem Hut und band damit Aufmerksamkeit an sich.

Agnes schwieg öfter, doch wenn sie lachte, roch die Luft nach frisch geschnittener Birke. Wer den Hof betrat, sah Ordnung. Was er nicht sah, war die Spannung unter dem Lack. Sie begann als kaum merkliches Knistern. Ein zu langer Blick im Flur, eine Hand, die im Vorübergehen zu knapp an einer Schulter ruhte, eine Frage, die keine Antwort brauchte, nur Nähe.

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Der Hof, der so viele Winkel kannte, bots Schatten, in denen Gefühle wachsen konnten, wie Pilze, feucht, heimlich und mit einem Geruch, den man nicht benennen wollte. Wenn Friedrich abends vom Steinbruch kam, klebte ihm der Kalk an den Wimpern. Klara stellte den Krug mit Most an seinen Platz, so präzise, als hänge das Wetter davon ab.

Agnes öffnete das Fenster nur einen Spalt, damit der Geruch von Hefe und kalter Erde hereinkroch. Dann setzten sie sich und der Ofen knisterte und der Hund schlief und die Uhr im Flur schlug ihre gleichmütigen Schläge. In solchen Stunden war das Haus wie eine Schale, in der etwas Unsichtbares rührte. Die Gemeinde lebte nach Glocke und Kalender.

Im Frühjahr das Sähen, im Sommer das Heuen, im Herbst das Schlachten, im Winter die Spinnabende. Kirmis, Erntedank, Kirchgang. Die Jahreszeiten hatten ihre Bräuche und jeder brauch sein Gewicht. Margarete achtete darauf, daß die Mädchen die richtigen Kleider trugen. Die Schleifen nicht zu breit, die Hälse nicht zu frei, die Blicke nicht zu offen.

Man lobte die Anmut der Schwestern und Margarete lächelte dünn, als sei Lob ein Messer, dass man besser nur am ucher. Doch zwischen den Tagen lag etwas, dass die Bräuche nicht fassten. Es war eine Wärme, die im Ofen nicht brannte, ein Raunen, das nicht von den Bäumen kam.

Manchmal, wenn die Abendglocke von der Kapelle durch den Nebel lief, schien der Hof den Atem anzuhalten. Ein Löffel fiel zu laut, ein Lachen brach zu früh ab. Jemand setzte an, etwas zu sagen und schwieg. Klara liebte den Glanz, der auf dem Leben des Vaters lag. Sie liebte seine Sicherheit, sein Ja und sein Nein, sein So ist es und seine seltenen, fast unsichtbaren Zweifel. Agnes liebte das Schweigen zwischen seinen Sätzen, das tiefe Wasser daran.

Beide auf ihre Weise kreisten um ihn wie zwei Planeten, die dieselbe Sonne wollten und doch einander nicht berühren durften. Aus Rücksicht, aus Anstand, aus Gründen, die jede Mutter ihren Töchtern beibringt, lange bevor sie sie versteht. Das Böse hat hier keinen Namen, dachte niemand. Denn das Böse kommt selten mit Namen.

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