Ich flehe sie an. Lassen Sie meine Mutter rein. Diese fünf Worte schnitten durch den Berliner Winterregen wie ein Messer, das niemand in die Hand nehmen wollte. Vor dem Eingang der Notaufnahme der Charité stand ein kleines, völlig durchnästes Mädchen, vielleicht 8 Jahre alt. Ein viel zu großer, billig aussehender Mantel hing an ihr.

In der kleinen Hand klammerte sie sich an einen alten Stofftedy, dessen Fell schon ganz verfilzt war. Hinter ihr saß ihre Mutter auf dem kalten nassen Gehweg, blass, keuchend, kaum bei Bewusstsein. Und nur wenige Meter entfernt schlug ein Mann in einem maßgeschneiderten Mantel die Tür zu seinem silbernen Mercedes AMG zu.
Lackiert, glänzend, teuer. Seine Schuhe allein hätten vermutlich die Monatsmiete der Frau bezahlt. Er war der Typmann, der Berlin ansah wie Eigentum und die Menschen darin wie Staub. Er warf einen genervten Blick auf das Mädchen. Ich habe es dir doch gesagt, kleines. Ohne Versicherung, keine Behandlung.
Das Kind zitterte. Bitte, sie kann nicht atmen. Der Mann seufzte. Dieser Seufzer. Kalt, gelangweilt, überheblich. Dann hätte sie eben besser planen sollen. Er stieg ein, knallte die Tür zu, startete den Motor und fuhr los. Die Reifen spritzten eine Welle schmutzigen Regenwassers über die Beine des Kindes, aber sie zuckte nicht einmal.
Sie stand einfach nur da, star, stumm, verzweifelt. Ihr kleiner Mund zitterte. Bitte, meine Mama. Und genau in diesem Moment hörte man sie. Nicht Stimmen, nicht Sirenen, sondern ein tiefes, keiges Grollen. Eine Kolonne tauchte aus der regennassen Nacht auf. Erst nur ein Geräusch, dann Lichter, dann Motoren. Groß, schwer, bedrohlich. 67 Motorräder in perfekter Reihe.
Schwarzes Chrom, Lederwesten, rote und schwarze Farben, die im Regen glänzten. Die Höllen von Berlin. Sie kehrten gerade von einer Scharfahrt aus Brandenburg zurück für obdachlose Veteranen. Und normalerweise schaute Berlin weg, wenn diese Männer auftauchten. Aber heute Nacht hörten sie ein kleines Mädchen im Regen weinen.
Der Mann vorn an der Spitze, ein breitschultriger, graubärtiger Riese, drosselte das Tempo und hielt an. Man nannte ihn Ray Hartmann. Halbde Deutscher, halb Sizilianer, einst rechte Hand einer gefürchteten Mafiafamilie in Palermo, jetzt Anführer des gefürchteten Motorradclubs in ganz Berlin. Regen trommelte auf seinen Helm wie Hagel.
Er hob das Visier. Hey, kleine, alles gut bei dir? Sie sah hoch. Ihre Augen waren riesig, verzweifelt, rot vor Kälte. “Sie, Sie lassen meine Mama nicht rein.” Red runzelte die Stirn. “Wie bitte? Was soll das heißen? Sie lassen sie nicht rein. Sie hat keine Papiere. Und sie sagen, wir sollen morgen wiederkommen.
Red drehte sich langsam zur Tür der Notaufnahme. Man konnte drinnen das Personal sehen. Krankenschwestern, Pfleger, alle taten so, als wäre nichts außerhalb des Glases. Dann sah er die Frau am Boden, nass, atemringend, dem Tod näher als dem Leben. Er kniete sich zu dem Mädchen. Wie heißt du, kleine Dame? Sophie. Nun, Sophie.
Er legte ihr eine schwere warme Hand auf die Schulter. Dann wird das hier jetzt behoben. Okay. Sie nickte. Tränen liefen über ihr Gesicht. Hinterret hielten Nau alle Bikes. Einer nach dem anderen verstummten die Motoren. Das Geräusch fiel weg und ließ nur Regen, Atemzüge und die Spannung einer Nacht zurück, die bald in Berlin erzählt werden würde wie eine Legende.
Die Männer traten unter das Vordach. Als sie Sopies Mutter sahen, veränderte sich die Luft. Härte wurde zu Wut. Wut wurde zur Entschlossenheit. Red untersuchte die Frau mit geübten Händen. Sie atmet aber verdammt schlecht. Sophie schniefte. Sie haben uns gesagt, wir sollen nach Hause gehen. Ein Murmeln ging durch die Männer. Nicht laut, aber gefährlich.
Red stand auf. Wasser tropfte von seinem Bart. Nicht heute Nacht. Nicht diese Frau, nicht vor meiner Nase. Er marschierte zur Tür, klopfte hart. Eine Krankenschwester kam nach vorn. Es tut mir leid. Besuchszeit ist vorbei. Red, das ist kein Besuch, das ist ein Notfall. Sie ist nicht registriert. Red zeigte auf die Mutter.