(Deutschland) Die makabre Geschichte der Grubers – 12 adoptierte Kinder, keines mit Geburtsurkunde

Dies ist die makabre Geschichte der Familie Gruber, eines Ehepaars, das innerhalb von 15 Jahren zwölf Kinder adoptiert hatte, ohne dass auch nur eines dieser Kinder eine gültige Geburtsurkunde besaß. Was als herzerwärmende Erzählung von Großzügigkeit begann, verwandelte sich bald in etwas ungleich finsteres.

Die Kleinstadt Bad Wimpfen, gelegen zwischen den sanften Hügeln und Weinbergen Badenwürtemberbergs, war kaum ein Ort, an dem man eine Geschichte erwartete, die irgendwann die Aufmerksamkeit der Bundeskriminalpolizei auf sich ziehen würde.

Mit nicht einmal dreitausend Einwohnern war Bad Wimpfen ein typisches deutsches Städtchen. Man kannte sich, man traf sich beim Vereinsfest, beim Weihnachtsmarkt oder beim Fußballspiel der lokalen Jugendmannschaft. Nachbarschaftshilfe war selbstverständlich. Wenn jemand krank wurde, brachte man Suppe oder Kuchen vorbei. Genau hier ließen sich im Frühjahr des Jahres 1978 Hans und Margarete Gruber Nieder.

Ihr Haus war eine alte wilhelminische Villa am Rand der Altstadt, halb verborgen hinter einer Reihe uralter Linden. Die Villa hatte fast ein Jahrzehnt leer gestanden, bevor die Grubers sie kauften und die Leute im Ort hatten sie längst das Spukhaus am Berg genannt. Doch Hans Gruber, ein erfolgreicher Investmentbanker aus Frankfurt, sah Potenzial in dem baufälligen Gemäuer.

Gemeinsam mit seiner Frau Margarete, einer ehemaligen kinderkranken Schwester, investierte er ein kleines Vermögen, um das Gebäude zu renovieren und aus dem verfallenen Schandfleck das Schmuckstück der Straße zu machen. “Sie wirkten wie ein Traumpaar,” erinnert sich Elisabeth Hofmann, die fast 20 Jahre lang gegenüber wohnte.

Hans war immer tadellos gekleidet, selbst wenn er nur den Briefkasten lehrte. Und Margarete hatte dieses Auftreten würdevoll, elegant. Wenn man mit ihr sprach, hatte man das Gefühl, wichtig zu sein. Doch hinter dieser markellosen Fassade verbagen die Grubers Geheimnisse, die das ganze Städtchen erschüttern sollten.

Laut amtlichen Unterlagen war es dem Paar nicht vergönnt gewesen, eigene Kinder zu bekommen. Besonders Margarete litt darunter. Sie hatte immer von einer großen Familie geträumt. Oft saß sie stundenlang auf der Veranda, schaute den Nachbarskindern beim Spielen zu, hörte ihr Lachen und ihre Augen wirkten dabei unendlich traurig. Der Traum von Mutterschaft schien endlich wahr zu werden, als die Grubers im Sommer 1980 verkündeten, sie hätten einen kleinen Jungen adoptiert. Sie nannten ihn Jakob.

Die ganze Gemeinde freute sich mit ihnen. Es gab eine Überraschungsfeier im Fahrheim und Pfarrer Weber organisierte eine besondere Segnung in der evangelischen Stadtkirche. Jakob Gruber war ein hübsches Kind mit wachen Augen und einem strahlenden Lächeln. Hans und Margarete umsorgten ihn mit beinahe übertriebener Zuneigung.

Margarete ließen niemanden das Kind halten, erinnert sich Kara Reinhard, eine Gemeindemitglied. Selbst bei der Segnung in der Kirche, als der Pfarrer das Kind in die Arme nehmen wollte, starrte sie ihn an wie ein in die ene getriebenes Tier. Erst nachdem Hans ihr etwas ins Ohr geflüstert hatte, gab sie Jakob kurz her, blieb dabei aber so dicht neben dem Fahrer stehen, daß man dachte, sie wolle das Kind sofort wieder entre Rückblickend war dies vielleicht das erste Warnsignal. Damals jedoch deutete man es als verständliche Vorsicht einer Mutter, die

so lange auf ein Kind gewartet hatte. Innerhalb von zwei Jahren adoptierten die Grubers ein zweites Kind, ein Mädchen, das sie Anna nannten. Bald darauf folgten Thomas, Katharina und Wilhelm. Bis 1985 hatten Hans und Margarete bereits fünf Kinder aufgenommen, alle jünger als 6 Jahre.

Die Geschwindigkeit dieser Adoptionsprozesse war höchst ungewöhnlich, zumal das Verfahren in der Bundesrepublik zu jener Zeit als langwierig und streng bekannt war. Doch Hans Gruber war wohlhabend, gut vernetzt und in der Gemeinde hoch angesehen. Man sah sie als Wohltäter, sagt Kriminaloberkommissar Richard Köhler, der später die Ermittlungen leitete.

Ein wohlhabendes Paar, das Kindern aus schwierigen Verhältnissen ein Zuhause schenkt. Wer sollte da misstrauisch werden? Doch es gab Merkwürdigkeiten. Keines der gruber Kinder besuchte die Grundschule oder den Kindergarten der Stadt. Margarete bestand darauf, sie zu Hause zu unterrichten. Die Kinder waren selten im Ort zu sehen und wenn, dann stets dicht an der Seite ihrer Eltern.

Keine Vereinsmitgliedschaft, keine Fußballmannschaft, keine Freunde außerhalb der Familie. Ich wollte einmal ein Spieldate zwischen meinem Sohn und Jakob arrangieren, erinnert sich die ehemalige Bewohnerin Patrizia Keller. Die beiden waren gleich alt und Jakob wirkte so einsam. Aber Margarete hatte immer eine Ausrede. Jakob sei krank, er habe zu viel Unterricht oder die Familieplane einen Ausflug. Nach einer Weile hörte ich auf zu fragen.

Diese Isolation hätte vielleicht ewig so weitergehen können. Wäre da nicht ein Unfall im Sommer 1987 geschehen. Der Unfall, der das Schweigen zu durchbrechen begann, ereignete sich an einem heißen Julitag im Jahr 1987. Der neunjährige Thomas Gruber war im Garten auf einen alten Apfelbaum geklettert. Ein Ast brach und er stürzte mehrere Meter in die Tiefe.

Sein Arm war sichtlich gebrochen, die Knochen ragten durch die Haut. Margarete, ausgebildete Kinderkrankenschwester, weigerte sich dennoch, ihren Sohn ins Krankenhaus zu bringen. Stattdessen versuchte sie selbst, den Arm zu schienen. Doch ihr Versuch führte zu einer schlimmeren offenen Fraktur, die sich rasch entzündete.

Erst als Thomas hohes Fieber bekam, setzte Hans sich durch und fuhr ihn in die Notaufnahme der Klinik Heilbronn. Die diensthabende Ärztin, Dr. Sarah Lenz, erinnert sich noch Jahre später. Das Kind befand sich im septischen Schock, als er eingeliefert wurde. Wir mußen sofort operieren, um den Arm zu retten. Trotzdem kam es zu bleibenden Nervenschäden. Was Dr. Lensz jedoch am meisten erschütterte, war Thomas Verhalten.

Er weinte kein einziges Mal, nicht bei der Untersuchung, nicht bei der Operation. Und als ich ihn fragte, wie er den Arm gebrochen hatte, schaute er zuerst zu seinem Vater. Erst als Hans ihm ein kaum merkliches Nicken gab, antwortete er flüsternd. Es war als ob er um Erlaubnis bitten mußte überhaupt zu sprechen.

Die Ärztin wollte Thomas Patientenakte einsehen, doch es gab keine. Laut Hans seien alle Unterlagen der Kinder bei einem Brand in der Adoptionsstelle verloren gegangen. Als Dr. Lensz nachhate, reagierte Hans aggressiv und drohte, seinen Sohn in ein anderes Krankenhaus zu verlegen. In diesem Moment wusste ich, hier stimmt etwas nicht, sagt die Ärztin.

Aber ich hatte nur einen Verdacht, keinen Beweis. Trotzdem meldete sie den Fall dem Jugendamt Hilbron. Ein Sozialarbeiter namens David Moser wurde mit der Überprüfung beauftragt. Er besuchte das Haus der Grubers, sprach mit den Eltern und sah die Kinder. Drei Wochen später lag sein Bericht vor. Keine Anzeichen von Misshandlung.

Die Kinder wirkten gesund und gepflegt. Das Heim sei ordentlich und sicher. Margarete erklärte, sie habe Thomas selbst behandelt, weil sie aus ihrer Kindheit eine Angst vor Krankenhäusern entwickelt habe. Ein Fehler, ja, aber kein böswilliges Verhalten. Der Fall wurde geschlossen. Im Ort kehrte Ruhe ein.

Die Grubers nahmen weitere Kinder auf. zwischen und drei weitere Robert, Anna Maria und Heinrich. Nun zählte die Familie acht Kinder. Langsam begann man in Bad Wimpfen zu flüstern. Wie konnte es sein, dass dieses Ehepaar so schnell und problemlos Kinder adoptierte, während andere Familien jahrelang auf einen Platz in der Warteschlange warteten? Warum sah man die Kinder so selten? Und warum wirkten sie alle gleich, bleich, still mit diesem merkwürdig leeren Blick? Ich beobachtete sie oft in der Kirche, erinnert sich Kara Reinhard. Acht Kinder in einer Reihe, still wie Statuen. Kein

kichern, kein Zappeln, kein Tuscheln. Das war nicht normal. Doch kaum jemand wagte, die Fragen laut zu stellen. Hans Gruber war ein großzügiger Spender, engagierte sich im örtlichen Rotary Club und saß im Verwaltungsrat des Krankenhauses. Margarete half bei Wohltätigkeitsveranstaltung und organisierte Basare für die Kirchengemeinde.

Nach außen hin wirkten sie wie ein Segen für die Stadt. Im Winter 1992 zog eine neue Familie in die Straße. Nur wenige Häuser von den Grubers entfernt. Michael und Susanne Fischer mit ihrer 15-jährigen Tochter Emily. Michael arbeitete als Journalist bei der Heilbronnern Stimme. Susanne war Sozialarbeiterin mit Erfahrung in Fällen von Kindeswohlgefährdung.

Meine Mutter merkte sofort, daß etwas mit den Gruberkindern nicht stimmte, erzählt Emily Fischer heute. Sie hatten diese auffällige Art. Sie zuckten bei lauten Geräuschen, sie sahen niemandem in die Augen und sie warfen ständig verstohlene Blicke zu Margarete, als müßten sie auf ein geheimes Zeichen warten. Susanne begann Beobachtungen zu notieren. Sie suchte den Kontakt zu Margarete, um näher an die Familie heranzukommen.

Anfangs war Margarete offen, vielleicht, weil sie in Susanne eine Verbündete sah. Bald trafen sich die beiden Frauen regelmäßig auf einen Kaffee und manchmal wurde Susanne sogar in die Villa eingeladen. Bei einem dieser Besuche hörte sie merkwürdige Geräusche aus dem dritten Stock, Schritte, rascheln, leises Weinen. Die Tür war stets verschlossen.

Auf Nachfrage erklärte Margarete: “Dort sei nur Abstellraum und das alte Hausmache eben seltsame Geräusche.” Aber Susanne glaubte ihr nicht. Im Frühjahr 1993 sah sie etwas, dass sie nicht mehr losließ. Ein fremdes Mädchen mit langen dunklen Haaren schaute aus einem Dachfenster der Villa. Susanne war sicher, dieses Kind hatte sie noch nie gesehen.

Als sie Margarete darauf ansprach, lachte diese nur und sagte: “Es sei wohl Anna oder Katharina gewesen. Aber Susanne hatte alle gruber Kinder kennengelernt und dieses Mädchen war neu.” Währenddessen arbeitete Michael Fischer an einer Artikelserie über Adoptionsbetrug in der Bundesrepublik.

Seine Recherchen führten ihn zu Fällen, in denen Kinder in den 80er Jahren ohne ordnungsgemäße Unterlagen vermittelt worden waren. Mehrere kleine Vermittlungsstellen in Süddeutschland hatten damals wegen Unregelmäßigkeiten schließen müssen. “Mein Vater erwähnte nie direkt die Grubers in seinen Artikeln”, erinnert sich Emily.

Aber ich weiß noch, wie er zu meiner Mutter sagte: “Die Zeitabläufe passten verdächtig gut zu deren frühen Adoption. Kaum waren die ersten Artikel erschienen, verkündeten Hans und Margarete Gruber erneut Kinder aufnehmen zu wollen.

Diesmal handelte es sich um Zwillinge, die sie Peter und Paul nannten, und kurz darauf um ein Mädchen namens Maria. Damit zählte die Familie nun elf Kinder. Die Geschwindigkeit der Verfahren war erneut verblüffend. Später erklärte Kommissar Köhler, sie nutzten jede Lücke im System. Sie wechselten die Vermittlungsstellen, suchten gezielt nach Kindern mit unvollständigen Unterlagen, oft aus schwierigen Verhältnissen. So glitten sie durch die Maschen der Bürokratie.

Doch wozu? Was trieb, so viele Kinder aufzunehmen? Für Außenstehende wirkte es, als erfülle Margarete sich einen tiefen Muttertraum. Sie lebte ganz in dieser Rolle auf, während Hans sich vor allem um die Finanzen und den äußeren Anschein kümmerte. Geld war nicht das Motiv.

Die Familie war ohnehin wohlhabend und staatliche Zuschüsse für Adoption waren gering. Die Wahrheit begann sich erst zu zeigen, als Susanne Fischer schwer erkrankte. Im Herbst 1994 erhielt sie die Diagnose Brustkrebs. Schon im Frühjahr 1995 war sie ans Bett gefesselt. In dieser Zeit, angesichts ihrer eigenen Endlichkeit entschloss sie sich, ihre Beobachtung nicht länger für sich zu behalten.

Eines Abends ließ sie den jungen Ermittler Richard Köhler zu sich kommen. Sie übergab ihm einen Ordner voller Notizen, Beobachtungen, Widersprüche in Margaretes Erzählung, Fotos von der Villa, darunter auch Aufnahmen des Dachfensters, an dem sie das unbekannte Kind gesehen hatte. Sie bat mich nach ihrem Tod weiterzumachen, erinnert sich Köhler. Susanne Fischer starb am Z. Juni 1995.

Köhler hielt sein Versprechen, begann aber vorsichtig. Die Grubers waren einflussreich, mit Kontakten in den Gemeinderat und in die Wirtschaft. Jeder Vorwurf gegen sie konnte leicht als Verläumdung abgetan werden. Er sichtete öffentliche Unterlagen, Grundbücher, Steuerbescheide, spärliche Adoptionspapiere.

Vieles war verschleiert. Auffällig war jedoch, dass die Gruppers bei jeder Adoption großzügige Spenden an die jeweilige Stelle geleistet hatten. Nicht illegal, aber ungewöhnlich. Noch merkwürdiger waren die Treuhandfond, die Hans Gruber für jedes adoptierte Kind eingerichtet hatte. Das Geld war erst ab dem 25.

Lebensjahr zugänglich und nur unter der Bedingung, dass die Kinder weiterhin Kontakt zu den Grubers hielten und ihre Herkunft nicht erforschten. “Es ging um Kontrolle”, sagt Köhler. “Alles bei den Grubers drehte sich um Kontrolle.” Parallel begann er unauffällig Nachbarn und ehemalige Angestellte zu befragen. Dabei stieß er auf die Spur von Maria Vasquez, einer früheren Haushälterin, die Anfang der 90er Jahre wenige Monate in der Villa gearbeitet hatte.

Köhler fand sie schließlich in einem kleinen Ort in Hessen. Zunächst wollte sie nicht reden. Doch als er ihr Susannes Unterlagen zeigte, brach sie in Tränen aus. Endlich weiß jemand, was dort geschieht”, sagte sie, und dann berichtete sie alles. Die Kinder seien einem strengen, ständig wechselnden Regelwerk unterworfen gewesen.

Verstöße führten zu harten Strafen. Sie hätten die Eltern mit Herrgruber und Frau Gruber ansprechen müssen, niemals mit Mama oder Papa. Jedes Kind hatte ein eigenes Zimmer und es war streng verboten, die Zimmer der Geschwister zu betreten. Am schlimmsten jedoch war das, was Maria über den dritten Stock erzählte.

Drei verschlossene Räume. Ihre Aufgabe war es gewesen, dreimal täglich Essen vor die Türen zu stellen. Sehen durfte sie die Bewohner nie, aber sie hörte sie. Kinderstimmen, manchmal weinend, manchmal leise singend. Auf Nachfrage erklärte Margarete, es handle sich um kranke Kinder, die Isolation bräuchten.

Maria verließ die Villa Hals über Kopf, nachdem sie gesehen hatte, wie Margarete den damals elfjährigen Jakob bestrafte. Er hatte beim Essen gesprochen, ohne dazu aufgefordert zu sein. Margarete ließ ihn die ganze Nacht im Stehen in der Ecke ausharren und kam stündlich vorbei, um zu prüfen, ob er sich bewegt hatte.

“Da wusste ich, dass ich gehen musste”, sagte Maria. Und ich hatte Angst nicht nur um die Kinder, sondern auch um mich. Mit Marias Aussagen und Susanne Fischers Notizen fühlte sich Kommissar Köhler zum ersten Mal imstande, eine offizielle Untersuchung anzustoßen. Doch als er seinen Bericht an den Polizeichef von Heilbronn Karl Heinzwalner weitergab, erhielt er eine kalte Abfuhr.

“Vergessen Sie das, Köhler”, sagte der Chef. Die Grubers sind hoch angesehen. Herr Gruber spielt Golf mit dem Bürgermeister. Er spendet jedes Jahr für das Krankenhaus. Er sitzt im Kuratorium der Volkshochschule. Wir haben nichts belastbares und ohne handfeste Beweise reißen sie sich nur selbst ins Unglück. Doch Köhler ließ nicht locker.

Heimlich sammelte er weiter Material. In seiner Freizeit die Akten verwahrte er zu Hause. Besonders interessierte ihn die Frage nach den Kindern im dritten Stock. Wer waren Sie? Offiziell hatte die Familie elf Adoptivkinder, aber Susanne und Maria hatten von weiteren gesprochen. Inzwischen war Emily Fischer, inzwischen 19 und Studentin der Journalistik ebenfalls aktiv geworden.

Sie suchte nach vermissten Fällen in den Regionen, aus denen die Grubers ihre Kinder erhalten hatten. “Ich entdeckte ein Muster,” erinnert sie sich. Immer wenn die Grubers ein Kind adoptierten, verschwand in derselben Gegend ein anderes. Meist Kinder aus schwierigen Verhältnissen, aus Pflegefamilien, aus Heimen, aus Migrantenfamilien, Kinder, die nicht sofort vermisst wurden oder deren Verschwinden kaum Schlagzeilen machte. Sie legte ihre Recherchen köhler vor.

Gemeinsam verglichen sie die Daten und tatsächlich drei Fälle ließen sich eindeutig mit Adoptionszeiten der Grubers verknüpfen. Kein einziges dieser verschwundenen Kinder war je wieder aufgetaucht. Für Köhler stand fest, diese Kinder existierten, aber sie waren in keinem Register eingetragen. Sie waren wie ausgelöscht.

Er entschied, den Fall an die Landeskriminalpolizei Badenwürtemberberg weiterzugeben. Dort nahm ihn eine alte Kollegin, Lisa Hartmann, ernst. Sie arbeitete in einer neu gegründeten Einheit für Verbrechen an Kindern. Mit ihrer Hilfe erwirkte er einen Durchsuchungsbeschluss. Die Aktion musste mit größter Vorsicht geplant werden. Wenn die Grubers Wind davon bekämen, hätten sie Beweise vernichtet oder schlimmeres mit den Kindern getan, so hart man. Man fürchtete auch, daß die Kontakte des Paares in Verwaltung und Politik den Einsatz gefährden könnten.

Also wurde ein Team aus Landeskriminalbeamten und Beamten des neu eingerichteten Referats für Kinder und Menschenhandel beim Bundesjustizministerium zusammengestellt. Köhler wurde als lokaler Ansprechpartner eingebunden. Am frühen Morgen des 23. Oktober 1995 fuhr eine Kolonne ziviler Fahrzeuge die Straße zur Villa Gruber hinauf.

Der Einsatz sollte bei Morgengrauen stattfinden, wenn das Haus am verwundbarsten war. Hans Gruber öffnete die Tür in einem seidenden Morgenmantel. Er zeigte keinerlei Überraschung angesichts der Beamten. Als hätte er auf uns gewartet, erinnert sich Köhler. Er bat uns sogar höflich herein, als wären wir Gäste zu einem Empfang. Ganz anders, Margarete.

Als sie begriff, was geschah, verfiel sie in Panik. Sie schrie, die Beamten hätten kein Recht, ihr Zuhause zu entweihen. Sie würde ihre Kinder nie herausgeben. Schließlich musste sie von zwei Beamtinnen festgehalten werden, nachdem sie eine der Polizistinnen tätlich angegriffen hatte. Die Durchsuchung begann systematisch. Die elf bekannten Adoptivkinder wurden in ihren Zimmern gefunden.

Alle saßen bereits angekleidet am Bettrand. reglos, als hätten sie gewartet. “Es war gespenstisch”, schrieb später Lisa Hartmann in ihrem Bericht. “Kein Kind zeigte Neugier, Angst oder auch nur Überraschung. Sie wirkten vollkommen leer. Befragt” wiederholten sie einstudierte Sätze. “Herr und Frau Gruber geben uns alles, was wir brauchen. Wir sind glücklich hier.

” Selbst Jakob inzwischen 17 erklärte nur monoton: “Dies sei das Beste zu Hause.” Die wahre Entdeckung wartete im dritten Stock. Hinter den drei verschlossenen Türen fand man drei Kinder, ein Mädchen von etwa 10 Jahren und zwei Jungen von acht. Anders als die anderen reagierten sie panisch. Sie schrien, versteckten sich, presen sich in die Ecken.

Die Räume waren kark, nur mit Matratzen auf dem Boden. Keine Spielsachen, keine Bücher. Die Fenster waren mit Brettern vernagelt. Der Geruch war unerträglich. Diese Kinder lebten im eigenen Schmutz, so köhler mit belegter Stimme. Spätere Untersuchung, ergaben, schwerste Mangelernährung, Spuren körperlicher Gewalt.

Keines der Kinder konnte richtig Deutsch sprechen. Keine Papiere, keine Geburtsurkunden, nichts. “Es war, als hätte es sie offiziell nie gegeben,” sagte Hartmann. Geisterkinder! Mit diesem Fund verwandelte sich der Fall von einem Verdacht auf Misshandlung in ein Szenario von Kindesentführung, Menschenhandel und Urkundenfälschung.

Hans und Margarete Gruber wurden noch am selben Tag verhaftet. Doch bevor man Margarete abführte, geschah etwas Merkwürdiges. Sie riß sich los, stürmte zur Treppe und schrie etwas in einer unverständlichen Sprache, die niemand der Beamten kannte. Später vermuteten Experten, es sei eine Form von Glossolali, das Sprechen in Zungen, wie es in manchen religiösen Strömungen vorkommt, oder ein Ausdruck einer psychotischen Episode.

In diesem Moment begriff ich zum ersten Mal, dass es nicht nur um Kontrolle ging, erinnert sich Köhler. Es hatte etwas rituelles. Mit der Festnahme der Grubers verlagerte sich der Schwerpunkt der Ermittlung auf zwei dringende Fragen. Wer waren die Kinder aus dem dritten Stock und welches Ausmaß hatte das, was in der Villa geschehen war? Die drei aufgefundenen Kinder wurden sofort in einer Notunterkunft des Jugendamtsheilbron untergebracht.

Sie waren völlig verängstigt, sprachen kaum, klammerten sich panisch aneinander. Jeder Versuch, sie zu trennen, endete in hysterischen Schreien. Es war als ob sie nur einander vertrauten, sagte die Kinderpsychologin Dr. Evelyine Maurer, die mit ihrer Betreuung beauftragt wurde.

Nach und nach gelang es über Mal und Spieltherapie an ihr Inneres zu gelangen. Sie berichteten von Behandlungen, die Margarete an ihnen vorgenommen hatte. Ein bitterer Trank, der sie schläfrig machte. Anschließend murmelte sie Gebete oder Beschwörungsformeln. Manchmal malte sie Symbole auf ihre Haut mit einer dunklen Flüssigkeit. Der rituelle Charakter war unverkennbar, so Dr.

Maurer, aber wir fanden keine Entsprechung in bekannten religiösen Traditionen. Es wirkte wie ein System, das Margarete selbst geschaffen hatte, eine persönliche Mythologie. Während die Kinder mühsam Vertrauen faßten, durchkämten Ermittler die Villa nach Beweisen. In Hans Arbeitszimmer stießen sie auf einen versteckten Tresor.

Darin gefälschte Adoptionsunterlagen, Bargeld in mehreren Währungen und am verstörendsten ein ledergebundenes Tagebuch in Margaretes Handschrift. Dieses Journal über fast 20 Jahre geführt offenbarte ihre Obsession. Sie sprach darin von ihrer Mission, eine vollkommene Familie zu schaffen. Kinder sein mit Sünden geboren, schrieb sie, und müssten durch Disziplin und Rituale gereinigt werden.

Die Gruberkinder nannte sie die Erlösbaren, die im dritten Stock dagegen waren Gefäße. Die Erlösbaren sollten durch strenge Regeln und religiöse Reinigung geläutert werden. Die Gefäße dagegen seinen Kinder, deren Seelen zu verdorben sein, um gerettet zu werden. Sie dienten dazu, die Sünden der Erlösbaren aufzunehmen durch jene obskuren Rituale, die die drei Kinder beschrieben hatten.

Besonders erschütternd war eine Passage, in der Margarete notierte, dass ein Gefäß irgendwann gefüllt sei und dann zu den Schlafenden gelegt werden müsse. Dies brachte die Ermittler zu der Frage, wohin verschwanden diese Kinder? Suchhunde führten die Polizei zu einem abgelegenen Teil des Gartens hinter der Villa.

Dort unter der Erde fanden sie fünf kleine Gräber, markiert nur durch schlichte Steine. Die Obduktionen ergaben, alle Kinder waren an Unterernährung, Dehydrierung und Vernachlässigung gestorben. Der älteste Fund stammte vermutlich aus dem Jahr 1981, kurz nach Jakobs Adoption. Der Jüngste kaum ein Jahr zuvor. Drei der Toten konnten später identifiziert werden.

Maria Gomez, ne? Jahre, verschwunden aus einer Saisonarbeiterfamilie in der Pfalz. 1981, Thailand Östürk, 7 Jahre, verschwunden aus einem Wohnblock in Mannheim 1985. Alexei Petrov, 8 Jahre, Kind russischer Einwanderer, verschwunden in Stuttgart. 1990. Die anderen beiden blieben namenlos. In den Akten wurden sie als unbekanntes Mädchen eins und unbekannter Junge geführt.

“Das ist das, was mich bis heute verfolgt”, sagt Köhler. Diese Kinder hatten Eltern, die sie liebten, doch sie starben ohne Namen, ohne Grabstein, als hätte es sie nie gegeben. Mit den Funden im Garten war klar, es ging nicht mehr nur um Misshandlung, sondern um Kindsmord in Serie. Die Bundesanwaltschaft übernahm den Fall. Das Bundeskriminalamt in Wiesbaden schaltete sich ein.

Hans und Margarete Gruber wurden unter strengster Bewachung nach Stuttgart gebracht. Die Nachricht erschütterte das Land. Zeitungen sprachen vom Kinderhaus des Grauens. Die elf offiziell adoptierten Kinder kamen in ein Spezialheim für traumatisierte Jugendliche. Doch Gespräche mit ihnen verliefen im Kreis.

Sie wiederholten star eingeübte Sätze, verteidigten ihre Eltern, behaupteten glücklich gewesen zu sein. “Es war, als wäre ihr eigenes Denken ausgelöscht worden,” berichtet Dr. Maura. Die drei Kinder aus dem dritten Stock dagegen erzählten in bruchstückhaften Worten von Nächten voller Rituale. Frau Gruber trank unser Blut, gritzelte eines in einer Zeichnung.

Ob es wörtlich zu nehmen war oder symbolisch, ließ sich nicht feststellen, aber klar war, die Kinder hatten jahrelang psychischen und physischen Terror erlebt. Die Funde in der Villa Gruber erschütterten nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch die Ermittler selbst. “Viele von uns waren erfahrene Beamte”, erinnerte sich Lisa Hartmann später. “Aber so etwas hatten wir noch nie gesehen.

Das war kein gewöhnlicher Missbrauchsfall. Es war eine Art Kul. verborgen mitten in einer schwäbischen Kleinstadt. Die drei Kinder aus dem dritten Stock waren inzwischen stabilisiert, doch schwer traumatisiert. Sie verstanden nur rudimentär Deutsch. Später stellte sich heraus, dass sie aus einer spanischsprachigen Familie stammten, die als Erntehelfer im Raum Kaisers Lautern gearbeitet hatte.

Dort waren sie zwei Jahre zuvor als vermisst gemeldet worden. Die örtliche Polizei hatte damals angenommen, die Familie sei einfach weitergezogen, wie es bei Saisonarbeitern häufig vorkam. Niemand hatte ernsthaft nach ihnen gesucht. Es war ein Wunder, dass wir sie lebend gefunden haben, so hart man. Margaretes Tagebuch deutete darauf hin, dass eines der Mädchen bereits fast gefüllt war.

Sie wäre die nächste gewesen, die verschwunden wäre. Während die Kinder medizinisch und psychologisch betreut wurden, durchkämten Ermittler das restliche Anwesen. In einem Geheimfach fanden sie weitere gefälschte Dokumente, darunter Papiere mit falschen Identitäten sowie religiös anmutende Notizen voller Symbole.

Die Analyse von Margaretes Journal war besonders aufschlussreich. Darin erklärte sie detailliert ihr System. Die erlösbaren, ihre offiziell adoptierten Kinder müssten durch strikte Disziplin, Isolation und Rituale gereinigt werden. Die Gefäße, heimlich festgehaltene Kinder, dienten als Speicher für die Sünden der Erlösbaren.

In ihren Aufzeichnungen beschrieb sie eine Übertragung der Dunkelheit. Sie sei überzeugt gewesen, daß durch ihre Rituale die Schuld der Erlösbaren auf die Gefäße überging. Sobald ein Gefäß voll sei, müsse es zu den Schlafenden gelegt werden. Die Polizei interpretierte dies im Zusammenhang mit den gefundenen Gräbern.

Margarete glaubte tatsächlich, die Seelen der Kinder reinigen zu können, erklärte Dr. Maura. In ihrer verzerrten Logik war es kein Mord, sondern ein Akt der Erlösung. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Zeitungen titelten Sektenartige Rituale im Kinderhaus von Badwimpfen. Fernsehteams belagerten das Gerichtsgebäude. Für die Stadtbewohner war es unbegreiflich. Hans und Margarete, die man bei Vereinsfesten gesehen, die man als Wohltäter geschätzt hatte, sollten Kinder gequält und geopfert haben. Die Gemeinde reagierte mit Schock und Schuldgefühlen. Viele fragten sich,

warum sie nichts bemerkt hatten. “Wir haben die Kinder gesehen”, sagte eine Nachbarin. Still, bleich, immer bei der Mutter. Aber wir dachten, so sind eben manche Familien. Hätten wir genauer hinschauen müssen. Unterdessen versuchte Hans Gruber sich von seiner Frau zu distanzieren. Sein Anwalt erklärte vor den Medien, Hans sei ein vielbeschäftigter Geschäftsmann gewesen, der nichts von Margaretes Warn gewusst habe.

Er habe die Adoptionspapiere unterschrieben, ohne Details zu kennen und die geheimen Räume im dritten Stock seien allein Margaretes Reich gewesen. Doch die Ermittlungen zeichneten ein anderes Bild. Hans hatte alle Verträge unterzeichnet. die Treuhfond eingerichtet und Spenden überwiesen. Zudem war er es gewesen, der die baulichen Veränderungen in der Villa, darunter die abgeriegelten Zimmer, beauftragt hatte. Er war kein unbeteiligter Zuschauer, so Hartmann. Er war der Ermöglicher.

Die elf offiziell adoptierten Kinder blieben im Heim. Versuche sie zu befragen verliefen fruchtlos. Sie sagten nur, was sie über Jahre hatten sagen müssen. Herr und Frau Gruber haben uns gerettet. Einige schrieben diese Sätze sogar wortgetreu in ihre Schulhefte.

Psychologen stellten fest, dass es sich nicht nur um Angst handelte, sondern um tiefsitzende Konditionierung. “Das war klassische Gehirnwäsche”, erklärte Dr. Maura. Die Kinder hatten keine eigene Identität mehr. Ihre Welt bestand nur aus den Regeln der Grubers. Währenddessen arbeitete die Bundesanwaltschaft an einer umfassenden Anklage.

Kindesentführung, schwerer Kindesmissbrauch, mehrfacher Mord und Bildung einer kriminellen Vereinigung. Doch je tiefer man grub, desto klarer wurde. Die Villa war nur die Spitze des Eisbergs. Hinweise in den Tagebüchern deuteten auf weitere Orte hin. Grundstücke, die die Grubers zeitweise besessen hatten. Dort könnten noch mehr und Gefäße vergraben sein. Die Hinweise in Margaretes Journal führten die Ermittler an weitere Orte.

Hans Gruber hatte im Laufe der Jahre mehrere Immobilien erworben und wieder verkauft. Ein Wochenendhaus am Bodensee, eine Jagdhütte im Schwarzwald, ein Ferienhaus an der Ostseeküste. Ein Team von Forensikern und Spürhunden begann diese Grundstücke systematisch zu durchsuchen. Bald wurden sie fündig. Auf dem Gelände der Jagdhütte stießen die Hunde auf eine frisch wirkende Stelle im Waldboden.

Beim Ausheben kamen die sterblichen Überreste von zwei Kindern zum Vorschein. Wenige Wochen später entdeckte man am Bodensee weitere Gräber, insgesamt drei Kinder. Und schließlich am Ostseestrand in den Dühnen nahe des Ferienhauses noch einmal drei. Damit stieg die Zahl der Opfer auf 13 tote Kinder.

zusätzlich zu den elf offiziell adoptierten und den drei Befreiten aus dem dritten Stock. Fünf der toten Kinder konnten identifiziert werden. Lucia Dias, 9 Jahre, verschwunden aus einer spanischen Gastarbeiterfamilie in Stuttgart 1983. Qu Johnson, Jahre Sohn Ganaischer Einwanderer, verschwunden in Frankfurt 1985, Tran Guyen 10 Jahre, Kind einer vietnamesischen Bootsflüchtlingsfamilie verschwunden in Karlsruhe, 1990.

Sarah Schwarze Feder, 8 Jahre, Tochter einer Sind die Familie aus Freiburg, verschwunden 198. Dimitri Kowalski, 6 Jahre, Kind einer polnischen Einwandererfamilie, verschwunden in Nürnberg, 1992. Die restlichen Opfer blieben namenlos, da keine passenden vermissten Meldungen gefunden wurden. “Es war ein systematisches Vorgehen,” erklärte Staatsanwältin Dr. Johanna Meierer, die die Anklage führte.

Die Grubers wählten gezielt Kinder aus marginalisierten Familien, deren Verschwinden kaum Aufmerksamkeit erregen würde. Migrantenkinder, Pflegekinder, Kinder aus armen Verhältnissen. Sie wussten genau, dass die Behörden überlastet waren und niemand lange nachhaken würde. Mit jeder Entdeckung wuchs das Entsetzen. Zeitungen berichteten täglich. Fernsehsender brachten Sondersendung.

Bald sprach man von den Cyhun Opfern der Villa Gruber und den Hundkindern ohne Namen. Unterdessen versuchten die Verteidiger von Hans Gruber ein anderes Bild zu zeichnen. Ihr Mandant sei ein arbeitssüchtiger Geschäftsmann, der in die Machenschaften seiner Frau hineingezogen worden sei. Margarete habe allein die Rituale entwickelt und durchgeführt.

Hans habe nur aus Liebe und Blindheit mitgemacht, ohne die Tragweite zu erkennen. Doch die Beweise sprachen eine andere Sprache. Hans hatte die Räume umbauen lassen. Hans hatte die Spenden an die Adoptionsstellen überwiesen. Hans hatte die Treuhafond eingerichtet, die die Kinder an die Familie banden. Er war nicht nur Mitwisser, er war Täter, sagte Dr. Meer.

Margarete wurde währenddessen in der Psychiatrie untersucht. Das Gutachten stellte bei ihr eine schwere, wahnhafte Störung mit religiöser Überhöhung fest. Sie hielt sich für eine von Gottuserwählte, die Kinderseelen reinigen müsse. Für prozessfähig erklärte man sie nicht. Sie kam in eine geschlossene Anstalt. Hans dagegen wurde angeklagt.

Der Prozess begann im Herbst 1996 in Stuttgart und wurde zu einem der aufsehenerregendsten Strafverfahren der Nachkriegszeit. Die Öffentlichkeit war elektrisiert. Vor dem Gerichtsgebäude drängten sich Reporter aus ganz Europa. Eltern von vermissten Kindern reisten an in der Hoffnung, endlich Antworten zu bekommen.

Auf den Zuschauerplätzen saßen Journalisten, Menschenrechtler, ehemalige Nachbarn. Alle wollten verstehen, wie etwas derart Grausames mitten in Deutschland möglich gewesen war. Der Prozess gegen Hans Gruber begann im Oktober 1996 vor dem Landgericht Stuttgart. Schon am ersten Verhandlungstag war klar, dass dies kein gewöhnliches Verfahren werden würde. Der Gerichtssal war überfüllt.

Vor dem Gebäude standen Übertragungswagen internationaler Sender und auf den Treppenstufen legten Menschen Kerzen und Kuscheltiere nieder als stilles Gedenken an die ermordeten Kinder. Die Anklage lautete auf mehrfachen Mord, Entführung, Kindesmisshandlung, Bildung einer kriminellen Vereinigung und Urkundenfälschung. Staatsanwältin Dr.

Johanna Meer eröffnete mit den Worten: “Dieser Fall zeigt uns die dunkelste Seite menschlichen Handelns. Ein Paar, das sich als Wohltäter inszenierte, verwandelte ein deutsches Heim in ein Gefängnis, in dem Kinder zu opfern eines kranken Erlösungskults wurden. Hans Verteidiger dagegen malten ein anderes Bild. Sie stellten ihn als Buchhalter seiner Frau dar, als jemanden, der blind vor Liebe und zugleich schwach gewesen sei.

Er habe die Unterlagen unterschrieben, ohne zu wissen, was geschah. “Mein Mandant ist kein Monster”, sagte einer der Anwälte. “Er ist ein Mann, der zu spät erkannte, dass seine Frau in einem religiösen Warn lebte. Doch die Beweise ließen sich nicht wegren. Auf jeder Adoptionsakte stand Hans Unterschrift.

Jede Spende an dubiose Vermittlungsstellen war über seine Konten gelaufen und er war es, der die Baufirmen bezahlt hatte, welche die verschlossenen Räume im dritten Stock einrichteten. Besonders schwer wog ein Dokument, das Ermittler im Tresor gefunden hatten. Ein detaillierter Vertrag über die Treufonds für die Kinder, unterzeichnet von Hans.

Darin war festgelegt, dass die Gelder nur zugänglich seien, wenn die Kinder den Kontakt zu den Grubers hielten und ihre Herkunft nicht erforschten. “Das ist kein Zufall, sondern Kontrolle bis ins Erwachsenenalter”, betonte die Anklage. Die Zeugenaussagen verstärkten das Bild. Maria Vasquez, die ehemalige Haushälterin, sagte unter Tränen aus, wie sie Jakob stundenlang im Stehen hatte leiden sehen.

Er war noch ein Kind und Herr Gruber sah zu und unternahm nichts. Auch Emily Fischer trat in den Zeugenstand. Sie schilderte die Nachforschung ihrer Mutter und ihre eigenen Entdeckung zu den vermissten Kindern. “Wir waren die einzigen, die genau hinschauten”, sagte sie. Alle anderen wollten die Wahrheit nicht sehen. Die Öffentlichkeit reagierte gespalten.

Manche glaubten noch immer, Hans sei nur ein Mitläufer gewesen. Andere sahen in ihm den kühlen Organisator, ohne den Margaretes Fantasien niemals Realität geworden wären. Margarete selbst erschien nicht vor Gericht. Sie war inzwischen dauerhaft in einer geschlossenen Psychiatrie untergebracht.

Ärzte berichteten, sie verbringe Stunden damit, Symbole auf die Wände zu zeichnen und unverständliche Gebete zu murmeln. Im Laufe des Prozesses trat auch Dr. Eveline Maurer auf, die Psychologin, die die Überlebenden Kinder betreute. Sie beschrieb, wie tief deren seelische Verletzungen reichten. Diese Kinder wurden in eine Welt hineingeboren, in der gut und Böse, Wahrheit und Lüge allein von den Grubers definiert wurden. Sie kannten nichts anderes. Das ist keine gewöhnliche Traumatisierung.

Es ist die Auslöschung einer Identität. Die elf offiziell adoptierten Kinder wurden zwar in den Prozessakten aufgeführt, aber keines von ihnen sagte aus. Sie blieben bei ihren einstudierten Antworten: “Herr und Frau Gruber haben uns gerettet.” Selbst im Heim schrieben einige diese Sätze immer wieder auf.

Für die Richter war das Beweis genug, dass hier systematische Manipulation stattgefunden hatte. Nach monatelangen Verhandlungen, unzähligen Zeugenaussagen und tagelangen Pledoyers näherte sich der Prozess im Sommer 1997 seinem Ende. Ganz Deutschland wartete auf das Urteil. Am 18. Juli 1997 wurde das Urteil gegen Hans Gruber gesprochen. Der vorsitzende Richter verlas mit fester Stimme.

Der Angeklagte hat durch sein Handeln und Unterlassen Kindern unermessliches Leid zugefügt. Er war kein ahnungsloser Mitläufer, sondern ein aktiver Teil eines Systems aus Kontrolle, Täuschung und Gewalt. Das Urteil lautete auf lebenslange Freiheitsstrafe mit besonderer Schwere der Schuld. Damit war eine vorzeitige Entlassung praktisch ausgeschlossen.

Draußen vor dem Gericht applaudierten Menschen. Andere weinten. Einige Eltern von vermissten Kindern, deren Schicksal ungeklärt blieb, hielten Bilder ihrer Söhne und Töchter hoch. Sie hofften, daß Hans vielleicht irgendwann mehr Preis geben würde. Tatsächlich begann er kurz nach dem Urteil mit den Behörden zu verhandeln. Seine Anwälte boten Informationen über weitere Kinder an gegen Aussicht auf Hafterleichterung.

Staatsanwältin Dr. Meer stand vor einem moralischen Dilemma. sollte man einem Mann, der so viele Leben zerstört hatte, entgegenkommen, um vielleicht noch mehr Opfer identifizieren zu können. Schließlich entschied man sich für einen Kompromiss. Hans blieb zu lebenslanger Haft verurteilt.

Er hielt aber die Möglichkeit, in ein Gefängnis mit erleichtertem Besuchsrecht verlegt zu werden, falls seine Angaben verwertbar seien. Und tatsächlich auf Grundlage seiner Hinweise wurden in den folgenden zwei Jahren drei weitere Grundstücke untersucht, die er und Margarete kurzzeitig besessen hatten. In allen drei Fällen fanden Ermittler Gräber mit Kinderleichen.

Insgesamt stieg die Zahl der bestätigten Opfer auf 13 Gefäße. Die Zahl war schockierend symbolisch. 13 tote Kinder für zwölf offiziell adoptierte. In Margaretes Journal hatte es geheißen, es müssten stets mehr Gefäße sein als erlösbare, da manche Gefäße schneller voll würden. Eine makabre Mathematik kommentierte Kommissar Köhler später.

Von den neuen Funden konnten fünf Kinder identifiziert werden. Lucia Dias, 9 Jahre, Tochter einer spanischen Familie. Qu Johnson, sieben Jahre, Sohn ganischer Einwanderer. Dran Guyen, 10 Jahre, Kind vietnamesischer Flüchtlinge. Sarah Schwarze Feder 8 Jahre, Angehörige einer Sinti Familie. Dimitri Kowalski 6 Jahre, Sohn polnischer Migranten.

Die anderen Opfer blieben anonym, in den Akten als unbekannt verzeichnet. Die Öffentlichkeit reagierte mit Bestürzung. Zeitungen schrieben: “Die Kinder, die niemand suchte.” Fernsehdokumentationen beleuchteten das Versagen der Behörden. Immer deutlicher wurde, daß die Grubers nicht nur von ihrem Reichtum, sondern auch von systemischen Lücken profitiert hatten.

Überlastete Jugendämter, mangelnde Vernetzung der Bundesländer, fehlende Kontrollen. Unterdessen erarbeiteten Politiker in Stuttgart und Bonn neue Gesetze. Schon 1998 tratgenannte Grubergesetz in Kraft. Es sah strengere Hintergrundprüfung bei Adoptionen vor, eine Begrenzung der zahlmöglicher Adoption pro Familie sowie verpflichtende Nachkontrollen in den ersten fünf Jahren.

“Wir konnten das Geschehene nicht rückgängig machen”, sagte eine Abgeordnete im Bundestag, aber wir mussten aus dieser Katastrophe konsequenzen ziehen. Währenddessen blieben die elf offiziell adoptierten Kinder ein Rätsel. Einige kamen später in Pflegefamilien, andere wuchsen in Einrichtungen auf.

Viele litten unter schweren psychischen Störungen. Der älteste Jakob nahm sich im Jahr 1998 das Leben. Seine Schwester Anna entwickelte eine Essstörung, die sie bis ins Erwachsenenalter verfolgte. Von Thomas verlor sich jede Spur. Er verschwand nach seinem 18. Geburtstag und wurde nie wieder gesehen. “Die Toten sind nicht die einzigen Opfer”, sagte Dr. Maura. “Auch die Überlebenden tragen Narben, die nie heilen werden.

” Während Hans Gruber seine Strafe im Gefängnis von Bruchsaal verbüste, blieb Margarete in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik bei Stuttgart. Sie wurde als dauerhaft nicht prozessfähig eingestuft. Ärzte beschrieben sie als vollständig in ihre Warnwelt verstrickt. Sie verbrachte ihre Tage damit, Symbole auf Papier oder an die Wände zu zeichnen, murmelte Gebete in einer Mischung aus Deutsch und unverständlichen Lauten.

Einmal schrieb sie in ihr Notizbuch: “Sie glauben, die Mission sei beendet, aber die Arbeit geht weiter. Die Gefäße sind gefüllt, die Erlösbaren gereinigt. Am Tag des Gerichts wird man sehen, daß ich recht hatte. Für viele war sie das Gesicht des Grauens, eine Frau, die sich selbst als Erlöserin sah, während sie Kinder systematisch zerstörte. Sie starb im Jahr an Brustkrebs.

Bis zuletzt war sie überzeugt, Gottes Werk getan zu haben. Hans versuchte während seiner Haft sich ein anderes Bild zu geben. Er schrieb ein Manuskript, dass er blindes Vertrauen nannte, eine Art Memoiren, in denen er sich selbst als Opfer seiner Frau darstellte. Ich liebte Margarete, heißt es darin. Ich glaubte an ihre Güte. Als ich erkannte, wie tief ihr waren ging, war es zu spät.

Ich war gefangen in meiner Liebe und in meiner Angst, alles zu verlieren. Das Manuskript wurde nie veröffentlicht. Die Justiz untersagte, dass er durch seine Verbrechen Geld verdienen durfte. Doch Kopien zirkulierten unter Forschern und Journalisten. Kommissar Köhler, der das Dokument las, nannte es Selbstrechtfertigung ohne Reue. Er war kein verliebter Trottel, sagte Köhler.

Er war ein aktiver Teil. Ohne ihn hätte Margaretes Warn keine Bühne gehabt. Er gab das Geld, die Kontakte, die Macht. Hans starb im Gefängnis nach sehen Jahren Haft, offiziell an Herzversagen. Er zeigte bis zu seinem Tod keinerlei Einsicht.

Die Villa in Badwimpfen, in der all dies geschehen war, wurde schon 1997 abgerissen. Auf dem Gelände entstand ein Gemeinschaftsgarten. Dort pflanzte man 25 Bäume, 12 Eichen für die offiziell adoptierten Kinder, 13 Weiden für die Gefäße. Jedes Jahr am 23. Oktober, dem Tag der Hausdurchsuchung, versammeln sich Einwohner, Überlebende und Angehörige der Opfer dort zu einer stillen Mahnwache.

13 Laternen werden entzündet für die 13 Toten Gefäße. Zwölf Kerzen brennen für die zwölf erlösbaren, deren Leben für immer gezeichnet blieb. Es ist nicht genug, sagt Köhler oft. Es kann niemals genug sein, aber es ist ein Zeichen. Wir haben nicht vergessen. Wir erkennen an, was geschehen ist und wir trauern darum, dass wir zu spät hinsahen. Für die Psychologen und Sozialarbeiter, die die Kinder betreuten, war der Fall ein Albtraum, aber auch ein Lehrstück.

Es zeigte uns, wie leicht man Rituale, Isolation und Angst nutzen kann, um Kinder vollständig zu brechen. So Dr. Maura. Es war ein Kult und die Kinder waren seine Opfer. In den Jahren danach wurde der Fall Gruber in Polizeischulen an Universitäten und in Fortbildungen für Jugendämter behandelt.

Er galt als mahnendes Beispiel dafür, wie sehr man auch scheinbar respektablen Familien misstrauen müsse, wenn Warnsignale auftauchen. Und er zeigte, wie gefährlich die Kombination aus religiösem Wahn, gesellschaftlichem Ansehen und unkontrollierter Macht über Schutzbefohlene sein kann. Nach Abschluss des Prozesses begann die Phase der Aufarbeitung.

Nicht nur die Justiz, auch Gesellschaft und Wissenschaft suchten nach Erklärung. Wie war es möglich? dass ein Ehepaar über fast zwei Jahrzehnte hinweg dutzende Kinder aufnehmen, misshandeln und teils ermorden konnte, ohne dass Behörden oder Nachbarn wirksam eingriffen. Eine der lautesten Stimmen in dieser Debatte war die Religionswissenschaftlerin Professor Dr.

Elisa Montgomery von der Universität Heidelberg. Sie untersuchte Margaretes Tagebücher und die Prozessakten über Jahre hinweg. Margaretes Weltbild war eine Mischung, erklärte Montgomery. Es enthielt Elemente des Christentums, Vorstellungen von Sünde und Reinigung, dazu Bruchstücke esoterischer Schriften über Alchemie und Gnosis und schließlich eigenwillige Rituale, die sie offenbar selbst erfand.

Es war keine bekannte Religion, sondern ein persönlicher Kult. In ihrem Vortrag im Jahr 2005 sagte Montgomery: “Wir dürfen uns nicht täuschen lassen. Solche Systeme entstehen nicht im luftleen Raum. Sie knüpfen an vorhandene Traditionen an, biegen sie aber ins Extreme. Margarete schuf eine Logik, in der Grausamkeit zu Heil wurde. Auch ihre Biografie gab Hinweise.

Geboren in einem kleinen Dorf in Bayern in den 40er Jahren, war sie in einer streng religiösen, aber abgeschotteten Familie aufgewachsen. Schon früh galt sie als anders, zog sich zurück, sprach von Vision. In den 70er Jahren arbeitete sie in verschiedenen Kliniken, wechselte oft den Ort und unternahm eine mehrjährige Reise durch Europa.

Unter ihren Hinterlassenschaften fanden Ermittler handschriftliche Kopien alter Schriften, manche aus dem 17. Jahrhundert, die sich mit okkulten Vorstellungen von Seelenübertragung beschäftigten. Sie muss diese Texte bewusst gesucht haben, Somgy. Das war kein Zufall, sondern Ausdruck einer bereits bestehenden Fixierung. Hans Rolle bleibt bis heute umstritten.

Einige Historiker glauben, er sei ein Zyniker gewesen, der Margaretes Warn ausnutzte, um Macht über die Kinder zu gewinnen. Andere sehen in ihm den schwachen Komplizen, der aus Liebe schwieg und dadurch zum Täter wurde. Köhler selbst war überzeugt. Er wusste alles. Vielleicht glaubte er nicht an den religiösen Teil, aber er genoss die Kontrolle.

Für die Kinderpsychologie wurde der Fall zu einem Wendepunkt. Dr. Evely Maurer und andere Fachleute beschrieben das Phänomen als eine sektenartige Familienstruktur. Isolation, ständig wechselnde Regeln, das Verbot, eigene Bindungen zu entwickeln. All das führte dazu, daß die Kinder völlig abhängig von den Grubers wurden.

“Sie kannten keine andere Wahrheit als die, die man ihnen einfte”, erklärte Dr. Maura. Deshalb verteidigten sie ihre Peiniger noch, selbst als diese längst im Gefängnis saßen. Es war keine klassische Geiselsituation, sondern eine vollständige Konditionierung. Die Folgen waren verheerend. Von den zwölf erlösbaren nahmen sich zwei später das Leben.

Zwei starben an den Folgen von Drogenabhängigkeit, andere verschwanden oder führten gebrochene Biografien. Nur wenige fanden eine gewisse Stabilität, manche unter neuen Namen, weit entfernt von Bad Wimpfen. Elizabeth, eine der ältesten Töchter, sprach im Jahr 2015 erstmals in einer Dokumentation. Sie beschrieb die ständige Angst, die unberechenbaren Regeln, die Rituale.

Madame, wie sie Margarete nennen mußte, habe sie gezwungen, bittere Flüssigkeiten zu trinken, habe Kreise auf den Boden gezeichnet und Gebete geflüstert. Wir glaubten, wir seien mit einer Krankheit geboren und nur sie könne uns heilen. Die Gefäße, also die heimlich gefangenen Kinder, seien den Erlösbaren immer wieder gezeigt worden als Drohung.

Sie nahm uns einzeln mit nach oben, ließ uns durch das Guckloch in die Türen schauen. Diese Kinder wirkten schon wie tot, ihre Augen leer. Madame sagte: “Das passiert mit den Ungehorsamen.” Elizabeth Worte erschütterten viele Zuschauer. Sie machten deutlich, wie tief die psychologische Manipulation reichte und wie eng die Grenze zwischen Überleben und Vernichtung in diesem Haus gewesen war.

Die Dokumentation mit Elizabeths Aussagen löste in Deutschland heftige Diskussionen aus. Viele Zuschauer waren erschüttert, wie sehr die Kinder indoktriniert worden waren. Andere fragten sich, warum niemand in Bad Wimpfen rechtzeitig reagiert hatte. Das eigentlich erschreckende, sagte Kommissar Köhler in einem Interview, ist nicht nur das, was hinter den Mauern der Villa geschah. Es ist auch, was draußen nicht geschah.

Ärzte, Nachbarn, Lehrer, alle sahen Anzeichen, aber niemand ging ihnen wirklich nach. Die Fallakten belegten dies deutlich. Schon 1987 hatte Dr. Sarah Lens eine Meldung wegen Thomas Armbruch gemacht, doch das Jugendamt schloss den Fall. Später meldete Susanne Fischer ihre Beobachtungen. Sie wurde ignoriert.

Selbst als Maria Vasquezes ihre Erlebnisse schilderte, verweigerte der damalige Polizeichef jede offizielle Ermittlung. “Es war eine Kette kleiner Feigheiten”, sagte Köhler. Jeder dachte, besser nichts sagen, besser nicht anecken, aber zusammen ergab es ein System, das die Grubers schützte. Für Sozialarbeiter und Jugendämter wurde der Fall zu einem Mahnmal.

Besonders deutlich zeigte er die Gefährdung von Kindern aus Randgruppen. Die meisten Gefäße stammten aus Familien von Gastarbeitern, Flüchtlingen oder aus zerrütteten sozialen Verhältnissen. Diese Kinder waren doppelt unsichtbar, so Dr. Maura. Ihre Familien hatten wenig Einfluss, die Polizei oft Vorurteile. Die Akten verschwanden schnell. Die Politik reagierte.

Neben dem Grubergesetz wurden spezielle Kinderschutzkommissionen in allen Bundesländern eingerichtet. Jugendämter erhielten die Pflicht, auch bei scheinbar stabilen Familien regelmäßige Kontrollen durchzuführen. Zudem wurde die Zusammenarbeit zwischen Ländern und dem Bund verbessert, um vermissten Meldungen zentral zu erfassen.

Doch all diese Reformen konnten nicht über das Leid der Überlebenden hinwegtäuschen. Viele von ihnen lebten auch Jahrzehnte später mit den Folgen. Manche litten unter Depression, Essstörung, Angstzuständen. Einige verfielen in Drogenabhängigkeit, andere zogen sich völlig aus der Gesellschaft zurück. Nur wenige wagten den Schritt in die Öffentlichkeit. Elizabeth war die bekannteste.

Ein anderer Wilhelm trat später anonym in einer Radiosendung auf. Er beschrieb das Haus als eine Mischung aus Kloster und Gefängnis. Man habe ständig Angst gehabt, etwas falsch zu machen, weil die Regeln sich täglich änderten. Man wußte nie, wofür man bestraft wurde. Man lebte in Dauerangst. Auch die drei befreiten Geschwister aus dem dritten Stock fanden erst nach Jahren langsam zurück ins Leben.

Sie wurden zu Pflegeeltern in Spanien zurückgebracht, wo ihre Familie noch lebte. “Es war ein Wunder, dass sie überlebt haben”, schrieb später ein spanischer Journalist. In Deutschland dagegen blieb die Erinnerung an die Grubers wie ein dunkler Schatten.

Zeitungen brachten regelmäßig Jahrestagsartikel und in True Crime Sendungen wurde der Fall immer wieder aufgegriffen. Im Garten, der heute an der Stelle der Villa liegt, erinnern die 25 Bäume an die Opfer. Auf kleinen Schildern stehen Namen, wo sie bekannt sind, Maria, Thailan, Alexe, Luzia, Quame, Tran, Sarah, Dimitri. Andere Schilder tragen nur die Worte unbekanntes Kind.

Das ist das Schlimmste, sagte Köhler in einem seiner letzten Interviews. Dass wir nicht alle Namen haben, dass Kinder gestorben sind, ohne dass jemand ihre Geschichte kannte. Sie wurden ausgelöscht und doch haben sie existiert. Wir dürfen sie niemals vergessen.

Mit den Jahren wurde der Fall gruber zu einem festen Bestandteil der deutschen Erinnerungskultur. Zeitung bezeichneten ihn als größten Adoptionsskandal der Nachkriegszeit. Historiker sprachen von einer sektenhaften Parallelwelt im Herzen der Bundesrepublik. Besonders in Bad Wimpfen rang die Gemeinde mit dem Erbe. In den 90er Jahren versuchten viele das Thema zu verdrängen.

Man sprach nicht gern darüber, dass eine der schlimmsten Kindsmisshandlung Deutschlands in ihrer Straße stattgefunden hatte. Doch spätestens mit dem Abriss der Villa und der Anlage des Gedenkgartens rückte die Aufarbeitung ins Zentrum. Schulklassen besuchen heute regelmäßig die Gedenkstätte. Lehrer erzählen die Geschichte nicht als Sensation, sondern als Warnung. Es geht nicht darum, die Grausamkeit auszumalen, sagt eine Lehrerin der Realschule, sondern darum, Empathie zu lehren. Damit Kinder lernen, wenn jemand leidet, darf man nicht wegschauen.

Auch in der Wissenschaft zog der Fall weite Kreise. Psychologen analysierten die Methoden der Grubas und verglichen sie mit Mechanismen in totalitären Sekten. Die wichtigsten Elemente: Isolation von der Außenwelt, strenge Regeln, die sich ständig ändern, Drohung durch Vorzeigeopfer, die Gefäße, ideologische Rechtfertigung, die alles Handeln höherem Sinn unterordnet.

Diese Muster fanden Forscher später auch in anderen Missbrauchsfällen, sei es in religiösen Gemeinschaften, politischen Sekten oder sogar in Familien mit autoritären Strukturen. Für die Überlebenden war es schwer, mit der Vergangenheit zu leben. Einige nahmen neue Identitäten an, zogen ins Ausland, gründeten Familien. Doch selbst dort blieben die Schatten.

“Ich habe drei Kinder”, sagte Anna in einem seltenen Interview. Und jeden Tag habe ich Angst, ich könnte unbewusst so werden wie sie. Ich kontrolliere mich ständig, damit ich nicht schreie, wenn meine Kinder unordentlich sind. Ich darf nie vergessen, dass ich nicht Margarete bin. Die Traumatherapie für die Überlebenden war langwierig und teuer.

Viele erhielten staatliche Unterstützung, einige auch Schmerzensgeld aus den beschlagnahmten Vermögen der Grubers. Doch Geld konnte keine Heilung bringen. Auch die Ermittler trugen Narben davon. Lisa Hartmann verließ wenige Jahre später die Polizei. “Es war zu viel”, sagte sie. “Ich träumte von den Gesichtern der Kinder, von den stillen Reihen in der Kirche, von den Gräbern. Irgendwann konnte ich nicht mehr.

” Kommissar Köhler blieb, doch er sprach bis zu seiner Pensionierung immer wieder öffentlich über den Fall. Ich wollte nicht, dass er vergessen wird. Ich wollte das Menschen verstehen. Das Böse hat nicht immer Hörner. Manchmal trägt es Anzug und lächelt freundlich beim Kirchenfest. In den frühen 2000er Jahren entstand eine Welle von Büchern, Filmen und Dokumentationen über den Fall.

Manche hielten sich eng an die Fakten, andere neigten zur Sensationslust. Besonders umstritten war ein Spielfilm aus dem Jahr 2004, der die Grubers als dämonisch überhöhte Figuren zeigte. Überlebende kritisierten ihn scharf. “Wir brauchen keine Monstermärchen”, sagte Elizabeth. “Wir brauchen die Wahrheit.” Die Wahrheit blieb schmerzlich genug.

13 Gefäße ermordet, zwölf erlösbare, von denen viele ein Leben langen, ein ganzes Städchen, das jahrelang wegschaute und ein Justizsystem, das erst reagierte, als es fast zu spät war. Heute Jahrzehnte später bleibt der Fallgruber ein Symbol. Nicht nur für das Grauen, das hinter verschlossenen Türen geschehen kann, sondern auch für das Versagen einer Gesellschaft, die lange wegsah. Im Gedenkgarten von Badwimpfen stehen die 25 Bäume in stiller Reihe.

Besucher berichten, dass dort eine eigentümliche Ruhe herrscht. Keine bedrückende, sondern eine ernste, stille. Kinder spielen manchmal zwischen den Bäumen, während ihre Eltern die Namen auf den Schildern lesen. Manche bleiben lange vor den Tafeln stehen, auf denen nur unbekanntes Kind geschrieben ist. Jedes Jahr versammeln sich am Abend des 23.

Oktober dutzende Menschen zur Mahnwache. Es gibt keine Reden, nur Lichter. Die Glocken der evangelischen Stadtkirche schlagen 13 mal, dann zwölf mal. 13 Schläge für die totengfäße, zwölf für die Erlösbaren. Danach herrscht Schweigen. Für viele Überlebende bleibt dieser Tag schmerzhaft, doch einige finden darin auch Trost.

Es zeigt uns, dass sie nicht vergessen sind, sagte Anna bei einer Mahnwache und dass wir nicht mehr allein mit unserer Geschichte sind. Der Fall hat Deutschland verändert. Adoptionen sind heute streng geregelt. Kontrollmechanismen dichter, Jugendämter, wachsamer. Dennoch mahnenexperten. Absolute Sicherheit gibt es nie. Missbrauch gedeih im Verborgenen, sagte Dr. Maurer in einem Interview.

Wir müssen lernen, genauer hinzusehen, zuzuhören, auch wenn es unbequem ist. Die Geschichte der Grubers ist längst in Lehrbüchern Vorlesungen und Polizeischulungen angekommen. Für Psychologen, Juristen und Sozialarbeiter ist sie ein Prüfstein, ein Fallbeispiel für das Zusammenspiel von Macht, Manipulation und gesellschaftlichem Versagen.

Doch jenseits aller Analysen bleibt etwas, das sich nicht in Akten fassen lässt. Das verlorene Leben von Kindern, die hätten lachen, spielen, erwachsen werden sollen und stattdessen zu Symbolen des Grauens wurden. “Wir dürfen uns nicht nur an die Täter erinnern”, sagte Kommissar Köhler bei seiner Pensionierung.

“Wir müssen die Namen der Kinder im Herzen tragen, denn nur so nehmen wir ihnen nicht auch noch das letzte, was ihnen blieb. ihr Dasein. Die Überlebenden, die heute erwachsen sind, tragen diese Last weiter. Manche schweigen, manche sprechen, manche kämpfen für Kinderschutzinitiativen. Sie sind der lebendige Beweis, dass aus den dunkelsten Geschichten auch Stimmen hervorgehen können.

Stimmen, die waren, mahnen und erinnern. Und so bleibt der Gedenkgarten in Badwimpfen nicht nur ein Ort der Trauer, sondern auch ein Ort der Verpflichtung. niemals wieder wegzusehen.

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