Der Oktober des Jahres 1966 legte sich wie ein grauer feuchter Schleier über Berlin, als etwas entdeckt wurde, das die Stadt für immer verändern sollte. Der Großmarkt am Kotbuser Tor, bekannt für seine Vielfalt an frischen Produkten und die lauten Stimmen seiner Händler, verbarg seit Monaten ein Geheimnis, das so abgrundtief verstörend war, dass selbst die ältesten Marktfrauen später schworen, sie hätten es lieber nie erfahren. An jenem Morgen betrat Elena Schneider, eine erfahrene Lebensmittelkontrolleurin des Berliner

Gesundheitsamtes, die hallenden Gänge des Marktes. Seit mehr als 25 Jahren führte sie Kontrollen durch und hatte in dieser Zeit so ziemlich alles gesehen. Verdorbenes Fleisch, verseuchte Kühlräume, Schädlingsbefall in Ausmaßen, die sogar die hart gesotten Inspektoren erschaudern ließen. Doch diesmal war etwas anders.
Es war ein Gefühl, das sich tief in ihren Bauch setzte. Ein dumpfes, schweres Ziehen, als würde der Markt selbst sie warnen. Die Neonröhren flackerten über den metallenen Oberflächen der Fleischteken. Der Geruch war intensiver als sonst. Eine Mischung aus Eisen, frischen Gewürzen und etwas schwer zu fassendem, einem Unterton, der ihr merkwürdig vertraut vorkam, ohne dass sie sagen konnte, warum.
Guten Morgen, Frau Schneider!”, rief Aurelius Baumann, einer der beliebtesten Fleischer des Marktes. Er war ein kräftiger Mann um die 50 mit einem markellos gebundenen weißen Schürzenband und Arm, die vom jahrelangen Zerlegen schwerer Tierkörper zeugten. Doch seine Augen, seine Augen lächelten nie wirklich mit. Elena nickte ihm knapp zu und zog ihr Notizbuch hervor.
Baumanns Stand war ungewöhnlich erfolgreich. Die Auslage war stets gefüllt, die Stücke waren perfekt zugeschnitten und seine Preise lagen deutlich unter denen anderer Berliner Fleischereien. Ein Umstand, der bei Elena schon seit Monaten ein ungutes Gefühl auslöste. Sie beugte sich über die polierte Edelstahltheke. Die Fleischstücke waren so sorgfältig zurecht geschnitten, dass es fast künstlich wirkte.
Doch etwas anderes fesselte ihren Blick. eine ungewöhnliche Textur, ein Muster in den Fasern, das nicht zu dem pa, was sie erwartete. “Herr Baumann, woher beziehen Sie ihre Ware?” Er lächelte, zu schnell, zu bemüht. “Ich arbeite mit kleinen Höfen aus Sachsen und Brandenburg zusammen. Die Leute kennen mich, sie liefern nur das Beste.
” Aber seine Hände zitterten leicht, als er eine Schulterpartie anhob. Und in diesem Moment entdeckte Elena etwas, das ihr den Atem stocken ließ. Eine schmale, hellere Linie, fast wie eine alte Narbe. Von welchem Tier stammt dieses Stück? Fragte sie mit einer Stimme, die sie selbst kaum wieder erkannte. Die Pause war zu lang. “Ach, wissen Sie?”, murmelte er schließlich.
“Manche Tiere haben ein schweres Leben hinter sich.” Elena machte sich eine Notiz, spürte aber, wie ihr Herz schneller schlug. Sie wandte sich anderen Ständen zu, der Familie Hermann, den Schmitz, den Krögers und überall fand sie dieselben Auffälligkeiten. Ungewöhnlich zarte Schnitte, zu günstige Preise, identische Fasermuster.
Am Ende des Tages hatte sie acht Fleischstände kontrolliert und alle zeigten dieselben Anomalien. Während sie den Markt verließ, beobachtete sie die Berliner Familien, die fröhlich ihre schweren Einkaufstaschen trugen, Kinder, die an den Händen ihrer Eltern zogen, die vertraute, gemütliche Sonntagsroutine der Stadt.
Und doch war alles verunreinigt, infiltriert von einer Wahrheit, die sie noch nicht auszusprechen wagte. An diesem Abend in ihrer kleinen Wohnung in Berlin Schöneberg saß Elena über ihren Bericht, doch ihre Gedanken schweiften immer wieder ab. Etwas Dunkles, etwas tief inhumanes drang durch die Oberfläche ihrer professionellen Distanz. Sie wußte nicht, daß dies erst der erste Schritt war auf einem Weg, der sie in die finstersten Abgründe der Berliner Geschichte führen würde. Ein Weg, auf dem die Grenze zwischen Mensch und Tier verschwimmen und das Vertrauen einer
ganzen Stadt erschüttert werden sollte. Drei Tage waren vergangen, seit Elena Schneider den Großmarkt am Kotbusser Tor besucht hatte. Doch die Bilder der fremdartigen Fleischfasern ließen sie nicht schlafen. Jede Nacht sah sie in ihren Träumen Gesichter, deren Konturern sich langsam in rohes Fleisch verwandelten.
Am Mittwochmorgen beschloss sie, ihren Verdacht nicht länger allein zu tragen. Sie suchte ihren Kollegen Robert Mertens auf, einen erfahrenen Veterinärmediziner, der seit über 20 Jahren Tierarten anhand kleinster Gewebeproben unterscheiden konnte. Während sie gemeinsam durch das regnerische Berlin liefen, versuchte Robert ihre Sorgen herunterzuspielen.
Elena, vielleicht hast du einfach einen besonders schlechten Tag erwischt. Ein neuer Lieferant, ein ungewöhnlicher Schnitt, das kann vorkommen. Doch sie schüttelte den Kopf. Robert, ich habe acht Stände geprüft. Acht. Und überall dieselbe Struktur in den Fasern. Robert runzelte die Stirn, aber sagte nichts mehr.
Im Markt herrschte an diesem Freitagmorgen reger Betrieb und die bekannten Stimmen der Händler halten von den Betonwänden wieder. Sie steuerten direkt auf den Stand von Aurelius Baumann zu. Als er die beiden sah, wanderte sein Blick kurz zu Roberts Aktentasche, als würde er darin eine Bedrohung sehen. “Ah, Frau Schneider, und sie müssen der Veterinär sein, von dem sie sprach”, sagte er, doch die Freundlichkeit wirkte gezwungen.
Robert trat näher an die Auslage und musterte die Fleischstücke mit dem geschulten Blick eines Mannes, der tausende Schnitte gesehen hatte. Seine Stirn begann sich bereits beim ersten Blick zu verengen. Er bückte sich, holte eine kleine Lupe aus seiner Tasche und untersuchte die Fasern im Detail.
Die Spannung zwischen den Dreien wurde spürbar. Als Robert die Lupe sinken ließ, sah er Elena an. Ein kaummerkliches Nicken bestätigte ihre schlimmsten Befürchtungen. “Herr Baumann”, begann Robert ruhig. “Können Sie exakt sagen, welcher Tierart diese Stücke entstammen?” “Rind.” Hauptsächlich Rind”, antwortete Baumann zu schnell. “Vielleicht gelegentlich Schwein, nichts ungewöhnliches.” Doch seine Hände zitterten.
Robert beugte sich erneut vor und zeigte auf eine Stelle. Die Fasern wirkten eindeutig untypisch, zu fein, zu lang, mit einer Struktur, die er in seiner gesamten Laufbahn noch nie einem Nutztier zugeordnet hatte. Sie gingen weiter zum Stand der Familie Hermann.
Auch hier dieselben Auffälligkeiten, dieselbe nervöse Körpersprache, dieselben zu perfekten Schnitte. Kamen Hermann begrüßte sie mit angespanntem Lächeln. “Mein Mann ist unterwegs. Eine Lieferung beaufsichtigen”, erklärte sie, doch ihr Blick wanderte immer wieder zur Hintertür. Robert untersuchte mehrere Stücke und seine Miene wurde mit jedem weiteren Schnitt ernster. Schließlich traten die beiden in eine kleine benachbarte Gaststätte.

Der Regen hatte nachgelassen, doch die Luft war schwer. Robert starrte lange schweigend in seinen Cffe, bevor er flüsterte. Elena, diese Fasern, sie gehören zu keinem Tier, das ich kenne. Sie hielt seinen Blick fest. Sag es, forderte sie. Sag es laut. Robert presste die Lippen zusammen. Sie wirken menschlich. Teile davon zumindest.
Elenas Herz begann zu rasen. Vielleicht ein Missverständnis, eine Kontamination. Nein, antwortete Robert tonlos. Dafür ist es zu konsistent. Und der Fettanteil, die Verteilung. Elena, das ist nicht normal. Sie griff nach seiner Hand. Dann brauchen wir Proben. Echte Proben.
Gemeinsam schmiedeten sie einen Plan. Am nächsten Tag würden sie zurückkehren, diesmal nicht als Kontrolleure, sondern als normale Käufer. Anonym, unauffällig, unverdächtig. Als Elena später an diesem Abend ihren Vorgesetzten Dr. Reinhard Ramler anrief, hörte sie schon im Tonfall, dass er ihre Sorgen für übertrieben hielt. Elena, ich hoffe, du interpretierst da nichts hinein.
Fleisch sieht manchmal anders aus, das weißt du. Doch schließlich gab er nach. Gut. Führen Sie die Untersuchung fort, aber diskret. Wir wollen keine Panik. Diese Nacht schlief Elena kaum. Immer wieder hörte sie Roberts Worte. Menschliche Fasern, Muskeln, die nicht von Rindern, Schwein oder Ziegen stammten. Es gab nur eine einzige Erklärung, so monströs, dass sie ihr Magen verkrampfte.
Am Samstagmorgen betraten sie den Markt erneut. Diesmal unauffällig, als Paar getant, das für ein Wochenendicht einkaufen wollte. Elena trug ein schlichtes Kleid, Robert eine unauffällige Jacke. Beide hatten stabile Einkaufstaschen dabei und kleine versteckte Behälter, in die sie später die Proben packen würden. Sie näherten sich erneut, Baumans stand.
Seine Augen erkannten sie nicht. So unauffällig hatten sie sich kleiden können. “Was hätten Sie denn gern?”, fragte er diesmal deutlich entspannter. Robert beugte sich über die Auslage. Etwas Besonderes. Uns wurde gesagt, sie haben die beste Ware am ganzen Markt. Baumanns Lächeln war breit, doch Elena sah, wie seine Hände erneut zitterten.
Er legte ihnen mehrere ausgesuchte Stücke vor, verpackt in Papier. Die Textur war diesmal noch merkwürdiger. Die gelbliche Färbung einiger Fettpartien und die Art, wie sich die Muskelfasern bogen, ließen Elena den Hals zuschnüren. Nachdem sie 2 Kilogramm gekauft hatten, gingen sie weiter zu den Hermanns. Kamen war blass, zu blass, und sie wich Roberts Blick aus.
Als zwei ältere Stammkundinnen sich neben ihnen unterhielten, hörte Elena zufällig den Satz, der sie innerlich erstarren ließ. Es schmeckt einfach anders, weißt du? Mein Mann will nur noch dieses Fleisch. Irgendwas ist daran. Besonders. Als sie schließlich mehrere Kilo Proben gesammelt hatten, verließen sie den Markt und fuhren direkt zum Labor des Gesundheitsamtes.
Elena bereitete die Proben unter sterilen Bedingungen vor, während Robert den bekannten Pathologen Dr. Walter Salzmeier kontaktierte. “Walter, bitte, das ist kein Routinefall”, sagte er. Wir brauchen deine Expertise sofort. Der Pathologe, ein Mann mit vier Jahrzehnten Erfahrung, war bereit, die Proben noch am selben Abend zu analysieren. Während sie warteten, sahen sich Elena und Robert die ersten eigenen mikroskopischen Bilder an.
Die Strukturen, die sie erkannten, waren eindeutig, zu eindeutig. Die Telefonklingel riß sie aus dem Schweigen. Dr. Salzmeier, kommt sofort her, sagte seine Stimme brüchig. Das das müstt ihr selbst sehen. Ich habe in meinem ganzen Berufsleben so etwas nicht erlebt. Elena und Robert sahen sich an und in diesem Blick lag alles.
Angst, Gewissheit und der Beginn eines Albtraums, der weit größer war, als sie es sich vorstellen konnten. Das Institut für Pathologie der Berliner Universität wirkte an diesem Samstagabend ungewöhnlich still. Die langen weiß gekachelten Flure halten unter den Schritten von Elena und Robert, während sie dem Raum folgten, aus dem das Licht drang.
Dort stand Dr. Walter Salzmeier, ein Mann mit schlohweißem Haar, der normalerweise nie die Ruhe verlor. Doch diesmal war seine Haltung angespannt, als hätte ihn etwas erschüttert, das selbst seine jahrzehntelange Erfahrung nicht hatte voraussehen können. “Setzt euch”, sagte er ohne Umschweife. Seine Stimme war rau, beinahe heiser.
Elena spürte, wie ihr Herzschlag schneller wurde, als sie sich neben Robert setzte. Dr. Salzmeier öffnete eine Mappe und schob ihn mehrere Fotografien hin. “Das hier ist nicht irgendeine Anomalie”, erklärte er. “Das ist etwas, dass ich in 40 Jahren nicht ein einziges Mal gesehen habe.” Elena beugte sich über die Bilder und spürte sofort, wie ihr Magen sich verkrampfte.
Die Muskelfasern waren viel zu klar definiert, zu lang, zu dicht. Die Struktur war eindeutig, erschreckend eindeutig. Robert starrte fassungslos auf die Vergrößerung. Das ist menschliches Muskelgewebe. Dr. Salzmeier nickte. Ja, ohne jeden Zweifel. Ich habe mehrere anatomische Vergleichsproben herangezogen. Jede einzelne Übereinstimmung ist eindeutig.
Elena fühlte sich, als würde der Raum plötzlich schrumpfen. Über Tage hatte sie diese Möglichkeit in sich getragen, aber nun, da ein erfahrener Pathologe sie bestätigte, fielen die letzten Reste ihrer Hoffnung in sich zusammen. “Wir haben fünf verschiedene Proben analysiert”, fuhr Salzmeier fort.
“Alle stammen von unterschiedlichen Muskelgruppen, aber er zögerte. Sie alle gehören eindeutig zu menschlichen Individuen. Elena schloss die Augen. Bilder der Familien im Markt schossen ihr in den Kopf. Die Kinder, die fröhlich neben ihren Eltern standen, während diese Fleisch einkauften. Das Lachen, die Duftschwaden von frisch gebratenem Sonntagsessen, alles durchsetzt von etwas, das nicht in einen menschlichen Körper gelangen sollte.
Wie viele, begann sie, aber ihre Stimme brach. Wie viele Menschen müssten dafür? Dr. Salzmeier seufzte schwer. Basierend auf der Menge, die Sie beschreiben, mehrere Stände, die täglich viele Kilogramm verkaufen, sprechen wir von mindestens zwei bis drei Menschen pro Woche und das über Monate. Robert lief unruhig im Raum auf und ab. Das ist unmöglich. Das muss jemandem aufgefallen sein.
Woher sollen so viele Körper stammen? Krankenhäuser, die Pathologie, Bestatter. Dr. Salzmeier hob eine Hand. Das ist nicht alles. Seht euch diese Schnitte an. Er zeigte auf eine weitere Fotografie. Der Schnitt entlang eines Sehnenatzes war so präzise, so sauber, dass Elena sofort erkannte, dass dies kein Werk eines gewöhnlichen Fleischers war.
“Das wurde von jemandem gemacht, der anatomisch geschult ist”, erklärte Salzmeier. Entweder ein Arzt oder ein Veterinär mit umfangreichen Kenntnissen über menschliche Anatomie. Elena spürte, wie ihr der Atem stockte. Dann steckt jemand dahinter, der genau weiß, was er tut. Jemand, der Zugang zu Körpern hat. Robert schluckte oder jemand, der Patienten verliert.
In diesem Moment wurde Elena klar, dass dies kein isolierter Fall war, dass die Händler nicht die Quelle waren, nur die letzte Stufe eines Systems, das tiefer reichte. Viel tiefer. “Wir müssen sofort die Polizei informieren”, sagte sie entschlossen. “Noch heute Nacht.” Salzmeier nickte und begann die Unterlagen zusammenzustellen. Ich werde alles schriftlich festhalten.
Ihr braucht Beweise. Sauber dokumentiert, wenn ihr vor die Justiz tretet. Während sie das Gebäude verließen, fühlte Elena die Schwere der Wahrheit in jeder Phase ihres Körpers. Der kalte Berliner Wind peitschte ihnen entgegen, doch der Frost, der in ihrer Brust wuchs, war viel schneidender. Elena sagte Robert leise, wir haben etwas aufgedeckt, das größer ist als wir beide zusammen. Sie nickte.
Und wir sind die einzigen, die jetzt noch handeln können. Diese Nacht würde keine Ruhe bringen, kein Schlaf, kein Trost. Sie war der Beginn eines Abgrunds, in den sie alle drei, Elena, Robert und Dr. Salzmeier unweigerlich hinabsteigen mußten. Elena Schneider hatte in ihrem Berufsleben bereits vieles gesehen, doch nichts hatte sie jemals so tief erschüttert, wie die Erkenntnis aus dieser Nacht.
Noch bevor der Morgen graute, stand sie vor dem grauen Betongebäude der Berliner Polizeiinspektion am Alexanderplatz. Neben ihr Robert, der blaß wirkte, und hinter ihnen Dr. Walter Salzmeier, der seine Unterlagen fest an die Brust gepresst hielt. Der Kommissar, den Sie sprechen wollten, Kommissar Ralph Foss, war ein Mann mit mehr als 20 Jahren Erfahrung im Umgang mit den dunkelsten Verbrechen der Stadt.
Doch selbst er starrte fassungslos auf die mikroskopischen Aufnahmen, die Salzmeier auf seinem Schreibtisch ausbreitete. “Menschliches Muskelgewebe”, wiederholte Foss ungläubig. In einem Berliner Großmarkt verkauft. Elena nickte seit Monaten, wie es aussieht. Der Kommissar rieb sich das Gesicht: “Das ist entweder der größte Lebensmittelskandal der Nachkriegszeit oder ein Fall von organisiertem Mord.
” Robert trat vor: “Wir haben Proben aus fünf Ständen, alle identisch. Die Händler haben alle denselben geheimen Lieferanten.” Fos zog seine Stirn in Falten. Einen Lieferanten und niemand kennt den Namen. Elena spürte, wie ihr Magen sich verkrampfte. Vielleicht doch. Ein Name wurde erwähnt. Ein Arzt, ein gewisser Dror Rimond Riemer.
Angeblich gut gekleidet, gebildet, immer allein unterwegs. Foss Gesicht veränderte sich. Rema, diesen Namen habe ich schon einmal gehört. Er griff nach einer Mappe in einem überfüllten Aktenschrank, blätterte hektisch und zog schließlich ein vergilbtes Dokument heraus. Hier, vor Jahren wurde ein Dr. Rimund Riemer aus dem Institut für Rechtsmedizin suspendiert.
Verdacht auf Unregelmäßigkeiten bei der Verwaltung von nicht abgeholten Leichen. Elena erstarrte. Und was ist danach passiert? Fall wurde nie geklärt. Riema verschwand, tauchte nie wieder im öffentlichen Dienst auf. Keine Meldeadresse, kein neuer Arbeitsplatz, nichts. Das Schweigen im Raum wurde schwer.
Also jemand, sagte Robert langsam, der beruflich genau an der Quelle sitzt. Fors nickte. Jemand, der weiß, wie man Körper verschwinden lässt. Jemand, der medizinische Präzision hat. Der Kommissar rief zwei weitere Beamte hinzu, den diensthabenden Oberkommissar Jonas Reimann und die Kriminaltechnikerin Britta Melcher. Während die Polizisten die Lage erfassten, legte Dr. Salzmeier weitere Unterlagen vor.
Die Schnitte an den Proben sind zu professionell, um von gewöhnlichen Fleischern ausgeführt worden zu sein. Der Täter verfügt über detailliertes anatomisches Wissen. Und ergänzte Robert, die Fleischqualität ist extrem frisch. Das bedeutet, die Körper müssen spätestens ein bis zwei Tage nach dem Tod verarbeitet worden sein.

Foss sah auf. Sein Blick war scharf. Das heißt, wir haben es mit einem aktiven Täter zu tun, mit jemandem, der ständig Nachschub hat. Elena fühlte einen Schauer. Nachschub. Menschen, Berliner Bürger, die verschwanden und im Markt wieder auftauchten in Form von Fleisch, das Familien unwissentlich kauften. “Es gab in den letzten Monaten mehrere vermissten Fälle”, sagte Foss und stand auf.
Studenten, obdachlose, allein lebende Erwachsene. Die meisten wurden nie gefunden. Er schloss die Mappe entschlossen. Wir haben genug Hinweise. Wir beginnen ab sofort eine verdeckte Operation am Markt heute. Und wir beschlagnahmen sämtliche Ware. Doch Elena hob die Hand. Kommissar, wenn Sie sofort eingreifen, verschwindet der Lieferant für immer. Wir müssen klug handeln. Foss hielt inne.
Seine Kiefer malten. “Sie haben recht. Wir müssen die Händler beobachten,” fuhr Elena fort. “Sie verhalten sich nervös. Vielleicht rechnen sie mit Problemen. Wenn wir sie nicht alarmieren wollen, müssen wir warten, bis der Lieferant auftaucht.” “Wann liefern die?”, fragte Reimann. Robert antwortete: “Mittwochs, spät abends, zwischen 11 und Mitternacht.
” Foss nickte. Dann treffen wir ihn dort. Er wandte sich an seine Kollegen. Wir bereiten einen Zugriff vor. Unauffällig. Keine Uniform, keine sichtbaren Fahrzeuge. Dann drehte er sich wieder zu Elena, Robert und Salzmeier um. Ab heute stehen sie unter Polizeischutz. Der Mann, den wir suchen, ist gefährlich.
Und wenn er weiß, dass sie ihn durchschaut haben, er beendete den Satz nicht. Er mußte es auch nicht. Elena wusste es bereits. Auf dem Weg nach draußen blieb sie kurz stehen, legte eine Hand gegen die kalte Wand des Polizeigebäudes und atmete schwer. Robert flüsterte sie. Was, wenn er schon weiß, dass wir ihn suchen? Dann sagte Robert leise, werden wir ihn nicht mehr beobachten müssen. Dann wird er uns finden. Elena fröstelte trotz der Heizung.
Der Mittwoch rückte näher. und mit ihm ein Treffen im Schatten der Berliner Nacht, das wahre Ausmaß dieses Grauens offenbaren würde oder sie alle in tödliche Gefahr brachte. Der Mittwoch, der Tag der erwarteten Lieferung rückte mit jedem vergehenden Augenblick bedrohlicher näher. Drei Tage lang bereitete sich die Berliner Polizei im Verborgenen vor.
Kommissar Alfoss koordinierte den gesamten Einsatz mit einer Präzision. die er sonst nur bei Fällen organisierter Kriminalität anwandte. Doch diesmal fühlte sich alles anders an. düsterer, nackter, menschlicher. Währenddessen verbrachten Elena Schneider, Robert Mertens und Dr. Walter Salzmeier die Tage unter Schutz und ständiger Beobachtung, denn für die Ermittler war klar, wer immer hinter dieser Fleischlieferkette stand, war nicht nur skrupellos, er war geübt, organisiert, intelligent.
Ein Mann, der schon zahlreiche Sicherheitsstrukturen umgehen konnte. Ein Mann, der keine Spuren hinterließ. Ein Mann, der aus Menschen wahre machte. Die Stunden zogen sich endlos und als schließlich der Mittwochabend kam, hing eine tiefe nervenzerreißende Spannung über der Stadt.
Kurz nach 21 Uhr brachte ein ziviler Streifenwagen Elena und Robert zum Großmarkt. Sie gingen ganz normal hinein, als würden sie lediglich noch letzte Einkäufe vor Geschäftsschluss erledigen. Doch hinter ihnen waren überall Zivilbeamte verteilt. unter den Besuchern in geschlossenen Lieferwagen auf den Dächern angrenzender Gebäude. Kommissar Foss hatte jeden möglichen Fluchtweg abgedeckt.
Der Markt selbst wirkte unnatürlich still. Es war keine laute Händlerstimme mehr zu hören, kein Klappern von Kisten, kein Lachen, kein Stimmengewehr, nur das Brummen der Neonröhren, die das Gebäude in ein kaltes bleiches Licht tauchten. Elena näherte sich wie verabredet dem Stand von Aurelius Baumann. Der Fleischer war ungewöhnlich bleich und sichtlich nervös, als würde er selbst ahnen, daß der Abend eine unausweichliche Wendung bringen würde. Er räumte seine Theke auf, doch seine Bewegungen waren fahrig. unkonzentriert.
Später Besuch, heute, murmelte er ohne aufzusehen. Elena tat, als würde sie es überhören. Ihr Blick glitt über die anderen Fleischhändler, die ebenfalls nicht so ruhig wirkten wie sonst. Einige warfen immer wieder nervöse Blicke zum Hintereingang des Marktes, dem Ort, an dem die Lieferung gewöhnlich stattfand.
Kurz vorz Uhr gab Kommissar Foss über ein verstecktes Funkgerät das Signal: “Alle Positionen einnehmen.” Elena spürte, wie ihr Herzschlag lauter wurde. Robert drückte unmerklich ihre Hand. “Was auch passiert, nicht weglaufen”, flüsterte er. 3 Minuten nach 23 Uhr hörten sie es. Das leise rollende Knirschen kleiner Steine unter Reifen.
Ein langsamer Motor, der näher kam. Ein Lieferwagen bog in die schmale Zufahrt hinter dem Markt ein. Ein unscheinbares Modell, dunkel, ungekennzeichnet. Dennoch erfßte eine geballte Kälte Elena, als sie ihn sah, denn sie wußte, in diesem Fahrzeug befand sich nicht nur illegale Ware, sondern Beweise für grausamste Verbrechen oder schlimmeres.
Der Wagen hielt, die Lichter gingen aus. Einen Moment lang herrschte absolute Stille, dann öffnete sich die Fahrertür. Eine hochgewachsene, schlanke Gestalt stieg aus. Ein Mann in einem langen, dunklen Mantel. Schwarze Handschuhe, saubere Schuhe, die Haltung eines Akademikers, der Gang eines Mannes, der sich vor nichts fürchtete.
Sein Gesicht lag im Schatten, doch Elena spürte sofort: “Das war er, Dr. Rimund Riemer.” Einer der Händler, Thomas Hermann, eilte ihm entgegen. “Sie sind spät”, flüsterte er nervös. Die Ware ist frisch, antwortete der Mann mit ruhiger, ungerührter Stimme. Keine Nervosität, keine Hast, als würde er lediglich Milch und Brot liefern.
Er öffnete die hintere Tür des Wagens, ein kalter Schwall Luftrad aus. Dann folgte ein Geruch, schwer, metallisch, der selbst Elena, die sich mental seit Tagen darauf vorbereitet hatte, den Atem stocken ließ. Robert spürte es auch. Sie sahen sich an. Die Gesichtsausdrücke der Händler verrieten genug. Riema griff nach einer der Kisten, doch bevor er sie herausheben konnte, erklang eine Stimme durch die Nacht. Polizei, Hände hoch.
Der Moment schien sich zu dehnen, bis er brach wie Glas. Riema erstarrte nicht. Er zuckte nicht einmal zusammen. Stattdessen drehte er sich langsam um und hob den Kopf, sodass sein Gesicht in das kalte Licht der Hoflampe geriet. Und Elena erkannte etwas, das sie nie vergessen würde. Er lächelte.
Kein nervöses Lächeln, kein erschrockenes, sondern ein ruhiges, wissendes, als hätte er genau diesen Moment erwartet. “Guten Abend”, sagte er gelassen. “Ich nehme an, sie möchten die Lieferung prüfen.” Kommissar Fost trat mit gezogener Waffe vor. Remer, sie sind verhaftet. Hände hoch. sofort. Doch in diesem Augenblick geschah etwas, das niemand erwartet hatte. Rima hob nicht die Hände.
Stattdessen schob er eine der Kisten ein Stück nach vorne, sodass ihr Deckel leicht verrutschte. Ein heller Streifen Fleisch wurde sichtbar mit einer eindeutig menschlichen Struktur. Die Händler wichen entsetzt zurück, als hätten sie das zum ersten Mal gesehen. Remer sah Elena direkt an. Seine Augen waren grau, eisgrau, ohne Reue, ohne Angst.
Sie wollten doch Beweise, Frau Schneider. Dann blitzschnell packte er den Deckel der Kiste und warf ihn gegen den nächsten Polizisten. Chaos brach aus. Rufe, Waffen, Licht, Bewegung. Riemer stieß Thomas Hermann zu Boden, sprang zurück in den Wagen und der Motor heulte auf, bevor jemand reagieren konnte.
Blockiert die Zufahrt brüllte Foss, doch der dunkle Lieferwagen rammte die seitliche Begrenzung, schleuderte Metallstangen zur Seite und brach durch die Barrikade. Reifen kreischten, Funken flogen und innerhalb weniger Sekunden verschwand der Wagen in der Berliner Nacht. Nachsetzen!”, schrie Foss, während mehrere Fahrzeuge losrasten. Elena stand wie versteinert. Das Bild des entkommenen Mannes brannte sich wie ein Feuer in ihr ein.
Der Mann, der mit chirurgischer Präzision Menschen zerlegte. Der Mann, der eine ganze Stadt unwissentlich zu Komplizen gemacht hatte. Der Mann, der sie angesehen hatte, als würde er sie schon lange kennen. Der Mann, der nun frei war und vielleicht nie wieder auftauchen würde. Es war die Nacht, in der das wahre Ausmaß des Horrors begann.
Die restliche Nacht verwandelte sich in ein fieberhaftes, chaotisches Netz aus Sirenen, Funksprüchen und erfolglosen Verfolgungsjagden durch die Berliner Außenbezirke. Dr. Rimund Riemer war wie vom Erdboden verschluckt. Trotz dutzender Einsatzkräfte, Straßensperren und Suchtrups fand sich kein einziges verwertbares Lebenszeichen. Der dunkle Lieferwagen hatte sich in der Weite der Stadt aufgelöst, wie ein Schatten in der Dämmerung.
Erst gegen vier Uhr morgens kehrten die erschöpften Beamten zum Großmarkt zurück, wo Elena, Robert und Kommissar Foss warteten. Regen hatte eingesetzt und verwandelte den Boden in dunkle spiegelnde Pfützen, in denen sich die zuckenden Blaulichter wiederspiegelten. Foss stieg aus einem Einsatzwagen und schlug die Tür so heftig zu, dass selbst ein erfahrener Polizist daneben zusammenzuckte.
“Nichts”, fauchte er. Er hat die Wagenfarbe geändert oder das Kennzeichen oder er hatte einen zweiten Wagen bereit. Elena stand reglos, die Arme um sich geschlungen. Die Kälte war unerträglich, doch sie spürte sie kaum. Sie hatte nur diesen Ausdruck vor Augen. Remas Blick, sein ruhiges, überlegenes Lächeln.
Kommissar, sagte sie leise. Er wollte entkommen. Er wuste genau, daß wir kommen. Foss blieb stehen und sah sie an. Sie denken, er wurde gewarnt. Elena nickte oder er hat etwas bemerkt. Irgendetwas an den Händlern, an uns. Robert fuhr sich durch die Haare. Vielleicht wusste er schon seit Tagen, dass wir ermitteln. Dann knurrte Foss.
Reicht dieses Netzwerk tiefer als wir dachten. Die Beamten hatten inzwischen die zurückgelassenen Kisten geöffnet. Das, was sie fanden, ließ selbst die Abgehärteten verstummen. In jeder Kiste lagen sorgfältig zerlegte Teile menschlicher Körper, Muskeln, perfekt präpariert und verpackt, keine Köpfe, keine Hände, keine identifizierbaren Merkmale, alles professionell anonymisiert, alles systematisch.
Die Gerichtsmedizinerin Britta Melcher dokumentierte schweigend. Nur ihre unruhigen Atemzüge verrieten, wie nah ihr das Grauen ging. “Das hier war keine improvisierte Schlachterei”, murmelte sie schließlich. “Das ist ein industrieller Prozess. Postrad nähern eine der Kisten. Das heißt, irgendwo in dieser Stadt steht eine komplette Einrichtung”, vollendete Robert.
Ein Ort, der dafür gebaut wurde, Menschen zu zerlegen. Elena schloss die Augen. Unweigerlich sah sie die acht Stände des Marktes vor sich, die ahnungslosen Kunden, die Familien, die lachenden Kinder und wusste, dass sich dieses Netzwerk längst etabliert hatte, dass es Routine geworden war. Am frühen Morgen wurden sämtliche Händler offiziell verhaftet.
Manche weinten, manche tobten, manche schwiegen wie aus Stein. Doch keiner schien überrascht. Niemand fragte, wieso? Niemand rief: “Das kann nicht sein.” Und genau dieses Schweigen schnitt Elena tiefer ins Herz als jede Bestätigung. Die Verhöre begannen unmittelbar. Die Räume waren kar, die Lampen grell, die Atmosphäre angespannt. Aurelius Baumann war der erste.
Seine Hände zitterten unaufhörlich. Foss stellte die Fragen langsam, fast ruhig. Seit wann beliefern Sie derartige Ware? Sagen sie die Wahrheit. Baumann presste die Lippen zusammen, dann brachen sie auf wie eine überspannte Seite. Seit ungefähr 8 Monaten hauchte er.

Er kam eines Abends, hat einen Preis genannt, den ich mir nicht erklären konnte. Die ersten Lieferungen sahen normal aus und dann er schluchzte. Dann habe ich es gesehen, ein Tattoo am oberen Arm. Ich wusste sofort, was es war. Und trotzdem machten sie weiter. Baumann schluckte hart. Wenn ich ausgestiegen wäre, wäre ich vielleicht selbst verschwunden. Fors starrte ihn lange an.
Wie viele ihrer Kollegen wussten bescheid. Kamen Hermann, ihr Mann Thomas, die anderen. Vielleicht vermuteten sie es oder sie wollten nicht wissen, was es war. Der nächste Verhörte war Thomas Hermann und er war alles andere als gebrochen. Seine Augen funkelten vor Trotz. Ich sage nichts ohne Anwalt. Foss lehnte sich zurück. Ihre Frau hat bereits ausgesagt.
Es war gelogen, doch die Wirkung traf. Thomas Gesicht wurde blass. Sie hat gesagt, wer er ist. Sie hat gesagt, daß sie ihn getroffen haben. Hermann fluchte, Schweiß trat auf seine Stirn. Einmal, gab er wiederwillig zu. Einmal bin ich mitgefahren, um zu sehen, woher die Ware kommt. Und forderte Foss. Hermanns Hände krampften sich zusammen. Es war ein ehemaliges landwirtschaftliches Anwesen in der Nähe von Merkisch- Oderland.
Eine Halle, perfekt eingerichtet. Edelstahl, Kühlräume, Werkzeuge wie im Krankenhaus. Haben Sie Körper gesehen? Teile, flüsterte Hermann. Viele Teile. Elena musste den Raum verlassen. Die Vorstellung, was dort geschah, war zu viel, selbst nach allem, was sie bereits wusste. Als sie im Flur stand, hörte sie Robert hinter sich. Elena, sie drehte sich um.
Sein Gesicht war genauso erschüttert wie Iris. Das ist größer als wir gedacht haben”, sagte er leise. “Viel größer.” Elena sah durch das Fenster hinaus in die langsam erwachende Stadt. Menschen öffneten Bäckereien, gingen zur Arbeit, fuhren Straßenbahn.
Niemand ahnte, dass im Schatten ihrer alltäglichen Wege jemand systematisch Menschen verarbeitet hatte und vielleicht immer noch tat. Robert, sagte sie leise. Wenn Remer wirklich ein Netzwerk im Hintergrund hat, dann wird er nicht fliehen. Dann versteckt er sich nicht. Sie wandte sich ihm zu. Dann macht er weiter. Dieser Gedanke ließ einen Frost in ihr aufsteigen, der selbst den Morgenwind übertraf, denn sie wusste, das Schlimmste lag nicht hinter ihn.
Es lag irgendwo draußen, unerkannt, unerbittlich. Und es bewegte sich weiter mit der Präzision eines Mannes, der die Anatomie des Körpers wie ein Urwerk verstand. Der Donnerstag begann mit einer bedrückenden Stille über Berlin. Obwohl im Polizeipräsidium hektische Aktivität herrschte, lastete eine Schwere in der Luft, die nicht von der frühen Stunde her rührte.
Es war das Wissen, dass der Mann, der eine ganze Stadt über Monate hinweg mit menschlichem Fleisch versorgt hatte, irgendwo da draußen frei herumlief. und vielleicht sogar lächelte. Kommissar Alfoss hatte die Nacht kaum geschlafen. Die Ermittler standen vor einer entscheidenden Frage. War Rima ein Einzelgänger oder Teil eines größeren Netzes? Und wenn ja, wie weit reichte es? Um 9 Uhr morgens begann die nächste Runde der Verhöre.
Dieses Mal saß Carmen Hermann im Raum, bleich mit roten Augen, die zeigten, daß sie die Nacht im Gewahrsam nicht unbeschadet überstanden hatte. Anders als ihr Mannte sie nicht trotzig, eher gebrochen. “Frau Hermann”, begann Foss ruhig, “Wir möchten verstehen, wie viel Sie wussten.” “ich.” Ihre Stimme zitterte. “Ich wollte es nicht wissen.” “Wirklich nicht.” Aber sie wussten es, sagte Foss Kamen pres die Hände fest ineinander.
Als ich das erste Mal diese Schnitte sah, diese Form, ich dachte, vielleicht ist es ein seltenes Tier. Dann sah ich eine Narbe wie die, die mein Bruder am Oberarm hatte, als er noch lebte. Ihre Stimme brach. Da wusste ich es. Elena stand hinter der Scheibe und beobachtete sie. Und zum ersten Mal seit Tagen fühlte sie etwas wie Mitleid.
Nicht, weil Carmen unschuldig war, sondern weil sie begriff, daß diese Menschen längst in einem System feststeckten, aus dem es keinen einfachen Ausweg mehr gab. “Warum haben Sie es nicht gemeldet?”, fragte Foss. Kamen sah ihn an, als würde er eine absurde Frage stellen. Melden? Einen Mann wie ihn? Haben Sie eine Vorstellung davon, wie er uns angesehen hat, wie er sprach? Er war nicht wie wir. Er wusste Dinge.
Er wußte, wo wir wohnten, wo unsere Kinder spielten. Sie schloss die Augen. Ich habe Angst. Die Worte hingen schwer im Raum. Als das Verhör endete, trat Elena in den Flur hinaus, wo Robert Mertens bereits wartete. Er sah müde aus, erschöpft bis ins Mark. Sie haben es alle gewußt”, sagte Elena leise. “Ja”, antwortete Robert, “aber das heißt nicht, daß sie es geplant haben.
Rima hat sie benutzt und trotzdem haben sie verkauft.” Elena schüttelte den Kopf. “Berlin hat monatelang Menschenfleisch gekauft, Robert. Monatelang.” Robert erwiderte nichts. Die Ermittlungen nahmen am Nachmittag eine neue Wendung, als Kriminaltechnikerin Britta Melcher mit einer Erkenntnis auftauchte, die das gesamte Team erschütterte.
“Kommissar, sie müssen das sehen”, sagte sie und legte mehrere Ausdrucke auf den Tisch. “Es waren Listen, offizielle Listen mit Stempeln.” Elena erkannte sie sofort. “Das sind Dokumente der Berliner Rechtsmedizin”, flüsterte sie. Ausgabe von nicht abgeholten Leichen, von Spendregistrierungen, von sogenannten anonymen Fällen.
Robert beugte sich vor und diese Nummern hier entsprechen exakt den Markierung an den Proben. “Jeder einzelne”, bestätigte Britter. Er hat Leichen aus offiziellen Quellen entnommen. Foss schlug mit der Faust auf den Tisch. Dann hatte er tatsächlich jemanden im System. Oder sagte Elena langsam, er war das System. Stille. Dann sagte Foss gepresst, wir gehen der Sache nach.
Universitätskliniken, Rechtsmedizin, Pathologie, Bestatter. Jeder, der Zugang zu Leichen hat, kommt auf die Liste. Doch während die Polizei sich in Akten und Recherchen vergrub, arbeitete jemand anders ebenfalls, ganz ohne Pause. Und das zeigte sich am Abend, als ein Anruf einging.
Ein Passant hatte etwas entdeckt, etwas im Tiergarten, ein großer Müllsack, versiegelt und darin einzelne menschliche Körperteile fachgerecht zerlegt. war mit Foss und Robert vor Ort. Blaulichter färbten die Bäume in geisterhaftes Blau. Der Wind trug den Geruch von nassem Laub. “Das ist frisch”, sagte die Gerichtsmedizinerin, nachdem sie sich über den Sack gebeugt hatte. “Nicht älter als 12 Stunden.
” Robert erstarrte. Elena, sie verstand sofort, er ist noch hier in der Stadt. Foss kniete neben dem geöffneten Sack, starrte auf die Präzision der Schnitte. Er fängt wieder an, sagte er leise. Er hat keine Pause gemacht, nicht einmal nach gestern. Elena spürte, wie ihre Knie weich wurden. Nein, murmelte sie.
Er trägt nur auf, was er unfertig hinterlassen hat. Und plötzlich begriff sie es mit einem Frost, der ihr Herz packte. Der Angriff auf dem Markt war kein Fehler gewesen. Er war ein Zeitgewinn. Riema war nie geflohen. Er hatte nur Zeit gebraucht, um neu zu organisieren. Und irgendwo in Berlin stand eine neue Kiste bereit für denselben Zweck immer.
Wir sind nicht bei null”, sagte Force mit heiserer Stimme. “Wir sind schon mittendrin und das Unheil, das über der Stadt lag, war noch lange nicht vorbei. Es hatte gerade erst begonnen. Der Fund im Tiergarten veränderte alles. Bis zu diesem Moment hatten sie gehofft, Rima könnte aus der Stadt geflohen sein, verletzt oder zumindest in einem Zustand, der seine Aktivitäten hemte. Doch nun lag der Beweis vor ihn.
kalt, präzise zerlegt, unmißverständlich. Er arbeitete weiter und er war schneller, als sie gedacht hatten. Noch in derselben Nacht berief Kommissar Foss eine Krisensitzung ein. Es war kurz nach 2 Uhr morgens, als Elena, Robert, Dr. Salzmeier und die leitenden Ermittler in einem fensterlosen Raum im Polizeipräsidium zusammßen. Die Gesichter fahl vom Neonlicht.
Foss begann ohne Umschweife. Der Sack im Tiergarten wurde vor maximal zwölf Stunden deponiert. Das heißt, dass Riema unmittelbar nach seiner Flucht wieder aktiv wurde. Robert verschränkte die Arme. Er hatte keinen Grund zu verschwinden. Sein Netzwerk besteht weiterhin. Die Einrichtung existiert weiterhin. Foss nickte düster und sein Nachschub offenbar auch.
Britter Melcher legte eine Akte auf den Tisch. Wir haben die Teile aus dem Tiergarten bereits voranalysiert. Es handelt sich um einen einzelnen Mann, etwa zwischen 30 und 40 Jahren, kräftige Statur, keinerlei Identifikationsmerkmale, exakt wie bei den Kisten aus dem Markt. Elena stand neben dem Tisch unfähig, sich zu setzen.
Ihre Hände zitterten so stark, dass sie sie ineinander verschränkte, um es zu verbergen. “Er spielt ein Spiel mit uns”, sagte sie heiser. Er wusste, dass wir den Sack finden würden. “Das glaube ich nicht. widersprach Foss. Das Deponieren war keine Nachricht, es war Entsorgung. Funktional, zweckmäßig, effizient. Doch Elena schüttelte den Kopf.
Nein, er hätte ihn irgendwo verbrennen können, vergraben, in Chemikalien auflösen, aber er wählte einen öffentlichen Park. Sie hob den Blick. Er will, dass wir wissen, daß er nicht aufgehört hat. In diesem Moment klingelte ein Telefon. schrill, durchdringend, unpassend laut. Ein Beamter nahm ab, er starrte und reichte den Hörer an Foss.
Kommissar, für Sie. Foss drückte das Telefon ans Ohr. Foss, Einen Atemzug lang sprach niemand. Dann eine Stimme unverkennbar ruhig. Klar. Kultiviert. Riema. Guten Morgen, Kommissar. Elena erstarrte. Robert hielt unwillkürlich den Atem an. Foss Augen verengten sich. Rema, ich hoffe, Sie haben die Verpackung im Tiergarten gefunden.
Es war nicht meine beste Arbeit, aber unter den Umständen akzeptabel. Wo sind Sie? Fragte Foss bemüht ruhig. In ihrer Nähe, antwortete Rima. Sie würden staunen, wie nah. Elena fühlte, wie ihr Herz raste. Riema fuhr fort. Sie haben ihre Arbeit sehr beschleunigt. Die letzten Monate waren angenehm ruhig. Doch nun reißen sie Türen auf. die ihnen nicht gehören.
Sie haben Menschen ermordet, presste Foss hervor und verkauft wie Schweinefleisch. Eine kurze Pause, dann sagte Rima: “Kommissar, glauben Sie wirklich, ich würde meine Rohstoffe verschwenden?” Elena spürte eine Übelkeit, die ihr den Atem nahm. “Sie sind krank”, flüsterte sie.
Riema hörte sie offenbar, denn er antwortete: “Frau Schneider, sie klingen erschöpft, schlaflos. Ihre Arbeit frisst sie auf. Seine Stimme wurde weicher und damit nur noch grausamer. Ich schätze ihre Disziplin. Sie haben ein Auge für Details. Wären die Umstände anders, könnten wir ausgezeichnete Kollegen sein. Elena trat einen Schritt zurück, als hätte er sie berührt. Foss sprang dazwischen. Wenn Sie glauben, dass wir ihnen zuhören, während Sie Kommissar, unterbrach Riemer.
Ich rufe Sie nicht an, um zu drohen. Ich rufe an, um Zeit zu gewinnen. Für was? Fragte Robert, die Stimme dünn. Für meinen Umzug? Antwortete Remer ruhig. Ihr Zugriff gestern hat meine Arbeitsumgebung beeinträchtigt. Ich benötige, sagen wir, einen Tag, um alles in Ordnung zu bringen.
Einen Tag, einen Tag, um eine gesamte Einrichtung zu verlegen. Elena begriff es als erste. Er hat Helfer, flüsterte sie. Er ist nicht allein. Remer setzte fort. Berlin ist groß und voller Möglichkeiten. Doch seien Sie unbesorgt. Ich gebe Ihnen einen Hinweis. Alle starten das Telefon an. Ihre Antworten stehen nicht in den Kühlräumen sagte er.
Sie stehen in den Akten. Welche Akten? Prste Wos hervor. Lesen Sie, Kommissar. Lesen Sie, was Sie bisher ignoriert haben, dann werden Sie mich verstehen. Die Leitung brach ab. Kein Echo, kein Rauschen, nur Stille, dumpf, endgültig. Für einen Moment sagte niemand etwas, dann begann Foss sofort zu brüllen.
Rückverfolgung, woher kam der Anruf? Doch die Antwort kam bereits nach wenigen Sekunden. “Öffentliche Telefonzelle”, sagte ein Beamter am Hauptbahnhof. “Er ist längst weg. Robert sank erschöpft auf einen Stuhl. Akten. Er meint die vermissten Fälle oder die Register der Rechtsmedizin murmelte Britta oder Spenderlisten.
Elena hob den Kopf und dann ganz langsam begann sich ein Gedanke zu formen. Scharf, logisch, furchtbar. Kommissar”, sagte sie leise. “Ich glaube, ich weiß, wo wir anfangen müssen.” Die anderen wandten sich ihr zu. Ihre Stimme bebte kaum merklich, doch jedes Wort schnitt klar durch die Luft wie ein Skalpell.
“Wir müssen herausfinden, welche Fälle er nie abgegeben hat.” Foss starrte sie an. Dann verstand er und er erblaste, denn plötzlich war klar, Riemer war nicht nur ein Täter, er war ein Mann mit vollständigem Zugriff auf ganze Listen von Menschen, die niemand vermissen würde und niemand kontrollierte. Und irgendwo in dieser Stadt war ein Ort, an dem diese Menschen endeten, und er hatte genau einen Tag Zeit, ihn zu verlegen.
Die Jagd hatte eine neue Phase erreicht und diesmal war sie tödlicher als zuvor. Es war kurz nach 6 Uhr morgens, als Elena Schneider mit einem Stoß alter Akten in der Hand vor dem Fenster des Polizeipräsidiums stand. Die ersten Lichtstreifen brachen über Berlin herein, tauchten die Stadt in ein fahles kaltes Blau, ein Farbton, der genau zu dem passte, was sie in den vergangenen Stunden entdeckt hatten.
Robert und Britta saßen über denselben Dokumenten gebeugt, während Kommissar Foss unruhig im Raum auf und abging. Niemand sprach, niemand wagte es, das entsetzliche laut auszusprechen. Erst als Foss stehen blieb und sich durch die Haare fuhr, entstand Bewegung. Frau Schneider begann er erschöpft. Sie sagten wir sollen bei den Fällen anfangen, die nie abgegeben wurden.
Was genau meinen Sie damit? Elena legte einen der Ordner auf den Tisch. Ein vergilbtes Dokument mit einem Stempel der Berliner Rechtsmedizin aus dem Jahr 1963. Schauen Sie hier”, sagte sie und deutete auf eine Zeile. “Dieser Körper wurde zur Forschungsabteilung der Universitätsklinik überführt, aber die Unterschrift des Empfängers fehlt.
” Britta beugte sich vor und hier ergänzte sie ein Spenderfall, der angeblich zur Anatomie gegangen ist. Laut deren Archiv ist er dort aber nie angekommen. Foss Stirn legte sich in tiefe Falten. “Sie wollen sagen, dass Reer seit Jahren Körper abzweigt”, unterbrach Elena. “Kontinuierlich, systematisch.” Robert blätterte hastig durch die Ordner.
“Hier, noch ein Fall und noch einer und wieder einer.” “Wie viele?”, fragte Foss. Robert sah ihn an und es war dieser Blick, der den Ernst der Lage unmißverständlich machte. Dutzende, flüsterte er, mindestens. Elena schloss einen Moment lang die Augen, um das Ausmaß zu begreifen. Er hat über Jahre ein System aufgebaut, ein Netzwerk aus verschwundenen Körpern, die niemand kontrollierte.
Menschen, die vielleicht keine Angehörigen hatten oder die in anonymen Fällen landeten. Britter fügte hinzu, und er hat medizinische Vollmachten gefälscht, Unterschriften imitiert, Dokumente verschwinden lassen. Mit anderen Worten, sagte Vos Rau, er hat gearbeitet wie ein Mann, der wusste, dass niemand genauer hinsieht. Elena hob, bis wir es getan haben. Die folgenden Stunden arbeiteten alle fieberhaft.
Sie verglichen Jahrzehnte Alter Listen, Kreuzreferenzen, Pathologieeinträge und Klinikprotokolle. Und langsam, sehr langsam begann ein Muster sichtbar zu werden. Riema hatte nicht wahllos gehandelt. Es gab bestimmte Zeiträume, in denen besonders viele Fehlleitungen stattfanden, diese Zeiträume deckten sich auffallend mit einer Adresse, die immer wieder in den Dokumenten auftauchte.
Ein ehemaliges Gehöft am Rande von Merkisch Oderland. Doch genau dort war die Polizei erst vor kurzem gewesen und hatte nichts gefunden, außer einer verlassenen Halle. Robert runzelte die Stirn. Vielleicht war er dort früher aktiv, mutmaßte er. Aber nach der Ratia gestern wäre es unlogisch, dort wieder etwas zu verstecken.
Elena blätterte weiter, dann hielt sie inne. Nein, das ist es nicht. Ihre Finger glitten über eine Karte, die in einer der Akten steckte. Eine alte handgezeichnete Skizze des Grundstücks. Robert Foss, schaut euch das an. Die Skizze zeigte nicht nur die Halle. sondern darunter ein zweites Gebäude, klein, eingelassen in den Boden, kaum erkennbar, ein Keller, fostrad näher. Verdammt, das haben wir nicht gesehen.
Britta sagte, vielleicht wurde er zugeschüttet oder get. Elena schüttelte den Kopf oder er hat uns dorthin gelockt, um etwas anderes zu schützen. Ein Beamter stürmte plötzlich in den Raum. Kommissar, wir haben etwas. Was? Eine Meldung aus dem Klinikum Friedrichshein. Die Chefpathologin wurde vermisst gemeldet.

Heute morgen nicht zur Arbeit erschien. Seit wann? Der Beamte schluckte. Seit gestern Abend. Elena spürte einen Stich. Und das wurde nicht früher gemeldet. Man dachte zuerst, sie sei krank, aber er zögerte. Man hat im Müllraum hinter dem Gebäude Spuren gefunden. Foss Stimme wurde hart. Welche Spuren? Blut”, sagte der Beamte tonlos und eine Instrumentenschale.
Robert erstarrte. Britter schloss die Augen. Elena atmete scharf ein, denn die kalte Wahrheit traf sie wie ein Schlag. Riemer besuchte Orte, die er kannte, Orte, die er jahrelang kontrolliert hatte und er tat es wieder. “Kommissar”, flüsterte Elena. “er baut seine neue Einrichtung auf und er rekrutiert Material.
” Foss griff nach seiner Jacke. Alle sofort ins Klinikum. Sofort. Minuten später raste der Konvoi durch Berlin. Blaulichter schnitten durch die Dämmerung. Der Wind heulte durch die Straßen. Im Wagen saßen Elena, Robert und Foss schweigend nebeneinander. Jeder in seinen eigenen dunklen Gedanken gefangen.
Als sie das Klinikum erreichten, waren bereits mehrere Streifenwagen dort. Absperrband flackerte im Wind und hinter dem Gebäude in dem Müllbereich erkannten sie es sofort. Blut, dunkel, dick, nicht alt, nicht frisch, irgendwo dazwischen. Robert kniete sich hin. Das hier ist keine Verletzung, das ist ein Tropfmuster. Linear, als hätte man etwas getragen.
Elena folgte der Spur und blieb abrupt stehen. Kommissar. Direkt hinter dem Gebäude befand sich eine Tür. Unscheinbar versperrt. Doch das war nicht das Entscheidende. Auf dem Boden davor lag ein Abdruck. Nicht von Schuhen, nicht von Reifen, sondern von etwas Schwerem, das man gezogen hatte. Fors berührte den Abdruck mit den Fingerspitzen. “Eine Trage”, sagte er leise.
“Er war hier.” Elena stand auf. Ihr Puls raste. Robert über ihr sagte, dann ist das hier vielleicht nicht nur ein Tatort. Foss beendete den Satz, den keiner auszusprechen wagte. Es könnte ein Eingang sein. Alle blickten auf die Tür, in der Wand eingelassen, Teil eines älteren Gebäudetrakts, unmarkiert, ohne Fenster, ohne Schild, ohne Hinweis.
Doch Elena wusste es imselben Augenblick. Hinter dieser Tür war er oder er war dort gewesen oder er würde zurückkommen. Und sie wussten jetzt, der Tag, den er sich erbeten hatte, war noch nicht vorbei. Und sie waren ihm gefährlich nah. Der Wind peitschte gegen die Mauern des Klinikums, als Kommissar Foss den Rambock anforderte.
Die schmale Metalltür wirkte unscheinbar, doch jeder im Team wustte. Dahinter befand sich entweder ein leerer stiller Raum oder der Schlüssel zum gesamten Fall. Elena stand nur wenige Schritte entfernt. Ihr Herz schlug so laut, dass sie fürchtete, jeder um sie herum müsse es hören.
Robert atmete schwer neben ihr, während Britta sich nervös die Handschuhe zurecht rückte. Niemand sagte ein Wort. Jeder wusste, dass ein falscher Schritt tödlich enden konnte. Bereit?”, fragte Foss knapp. Alle nickten. Der Rambock donnerte gegen die Tür. Einmal, zweimal. Beim dritten Schlag brach das Schloss mit einem hallenden Knacken. Die Tür schwang auf.
Kälte strömte ihnen entgegen und ein Geruch nicht stark, nicht eindeutig, aber vertraut genug, um Elenas Magen zusammenzuziehen. Desinfektionsmittel, Blut, Metall. Die Taschenlampen der Polizei schnitten grelle weiße Strahlen durch den dunklen Raum. Die Gruppe trat ein. Es war ein schmaler Korridor, die Wände gekachelt, der Boden mit Kunststoffplatten bedeckt.
Rechts und links zweigten Türen ab, alle geschlossen. Doch am Ende des Ganges brannte eine schwache Lampe. “Bewegen Sie sich langsam”, flüsterte Foss. “Wir wissen nicht, ob er noch hier ist.” Elena spürte, wie sich jede Nervenpfha in ihrem Körper spannte. Sie gingen von Tür zu Tür. Die erste, ein Lagerraum.
unverdächtig. Die zweite leer, aber mit Spuren von Geräten, die offensichtlich erst vor kurzer Zeit entfernt worden waren. Die dritte, ein Waschraum, Stahlwaschbecken, Blutspuren, wischspurenartig, nicht frisch. Britter murmelte, er hat hier gearbeitet vor kurzer Zeit. Sehr kurzer Zeit. Robert deutete auf den Boden.
Hier hat jemand gestanden und hier wurde etwas Schweres abgelegt. Der Gang endete in einer breiteren Tür mit einem Sichtfenster. Das Glas war von innen beschlagen. Elena wusste, dass sie hinsehen musste und gleichzeitig wusste sie, dass es sie zerstören konnte. Doch sie beugte sich vor, wischte das Glas mit der Hand ab, ihr Atem stockte.
Kommissar. Forstrat neben Sie, sah hinein und erstarrte. Dann gab er das Zeichen zum Eintreten. Ein Beamter trat die Tür auf, die Taschenlampen erhälten den Raum und die Welt erstarrte. Es war ein provisorischer Operationssaal, Edelstahl, Instrumententische, Haken, Schlingen, Schüsseln und in der Mitte des Raumes eine leere chirurgische Liege.
Gurte geöffnet, Blutflecken, frisch, besonders frisch. Robert trat näher heran. Seine Stimme war kaum hörbar. Er war hier vor höchstens einer Stunde. Britta bückte sich und hob etwas vom Boden auf. eine Haarsträhne, blond, lang. Die Chefpathologin flüsterte sie. Er hatte sie hier. Elena fühlte, wie sich alles in ihr zusammenzog. “Aber sie ist nicht hier”, sagte sie. “Er hat sie mitgenommen.” Fors fluchte leise.
“Er ist uns immer einen Schritt voraus.” Verdammt. Elena wanderte mit ihrem Blick über die Instrumente. Alles war geordnet, steril, präzise. Er war nicht in Eile, murmelte sie. Er hat gearbeitet, ganz normal, als wäre das hier sein Alltag. Robert deutete auf einen großen Edelstahlbehälter an der Wand. Kommissar, dort. Foss und zwei Beamte öffneten den Deckel. Dampfkälte entwich.
Darin lagen chirurgische Tücher und dazwischen sorgfältig verpackt zwei menschenähnliche Muskelstränge. Elena schloss die Augen. Nicht aus Schwäche, sondern aus Zorn. Er macht weiter, flüsterte sie. Er hört nicht auf. Foss wandte sich zum Team. Wir suchen den Raum gründlich. Alles wird dokumentiert, jede Spur. Kommissar, rief plötzlich ein Beamter vom hinteren Ende des Raumes. Hier ist etwas.
Elena eilte hin. Die Beamten hatten einen kleinen Metalltisch hervorgezogen. Dahinter befand sich eine weitere Tür. Halb verdeckt. Nicht im Plan. “Er hat sie versteckt”, murmelte Britta. Die Tür war nicht abgeschlossen. Sie quietschte, als Foss sie öffnete. Der Raum dahinter war klein, kaum zwei Meter tief und darin stand ein Schrank, einzelner massiver Metallschrank.
Elena wusste im selben Moment, was das war. Ein Kühlschrank, ein spezieller für Körperteile. Foss öffnete die Tür. Kälte schlug ihnen entgegen. Schweigen folgte. Es waren Tüten. Beschriftet. nummeriert. Einige leer, einige mit Resten, die niemand benennen wollte. Zumindest nicht sofort.
Elena legte eine Hand auf die Metallkante, um nicht umzufallen. Er war hier. Er war hier und wir waren zu spät. Doch dann sah Robert etwas ganz unten im Kühlschrank. Ein Zettel. Gefaltet, weiß, sauber, nicht blutig. Robert reichte ihn foss der Kommissar öffnete ihn und alle erstarrten. Auf dem Blatt stand ein einziger Satz: “Sie sind besser als die anderen. Suchen Sie weiter.
” Kein Name, keine Unterschrift. Aber sie wussten genau, von wem es stammte. Foss knüllte den Zettel in der Faust zusammen. “Er ist nicht weg”, knurrte er. Er spielt mit uns. Elena hob den Blick, ihre Augen brannten. Nein, er führt uns. In diesem Moment wussten alle im Raum, der Tag, den Riemer gefordert hatte, war noch nicht vorbei und er nutzte jede Sekunde davon.
Der Schrank stand noch offen, als hätte er selbst den Atem angehalten. Die Kälte, die aus seinem Inneren strömte, kroch Elena bis in die Knochen. Doch nicht die Temperatur ließ sie erzittern, sondern die Erkenntnis, dass Riema nicht geflohen war, nicht verängstigt, nicht überrascht, sondern vorbereitet und dass er ihnen Hinweise hinterließ wie Brotkrum. Absichtlich, berechnend.
Kommissar, sagte Britta plötzlich, schauen Sie hier. Sie hielt ein kleines, kaum sichtbares Klebebandstück in die Höhe. Darauf ein Fingerabdruck. Klar, präzise. Fossa Augen weiteten sich. Könnte er so dumm gewesen sein? Britter schüttelte den Kopf. Nein, er wollte, dass wir ihn finden.
Der Satz hing wie Blei in der Luft. Remer war kein Mann, der Fehler machte. Und wenn er Spuren hinterließ, dann absichtlich oder weil es Teil seines Spiels war. Elena presste die Lippen zusammen. Dann analysieren wir ihn und zwar sofort. Die Spurensicherung nahm den Abdruck an sich, während Foss sich dem kleinen Nebenraum erneut zuwandte. Durchsucht jeden Meter dieses Gebäudes.
Er hat hier gearbeitet, vielleicht geschlafen, vielleicht vorbereitet. Irgendwo muß er Spuren hinterlassen haben, die nicht freiwillig sind. Die Ermittler breiteten sich aus. Elena, Robert und Britta blieben im Operationsraum zurück, der immer noch nach Metall, Blut und Desinfektionsmittel roch. Robert betrachtete die chirurgische Liege.
Elena, siehst du das? Er zeigte auf die Gurte. Die Schnallen waren geöffnet, aber ausgerichtet, als hätte jemand sie vorsichtig und nach Protokoll gelöst. Als wäre die Person gegangen und nicht gezogen worden, murmelte Elena, oder als hätte er sie bewusst ordentlich hinterlassen. In diesem Moment stürmte ein Beamter herein.
Kommissar, die Chefpathologin, wir haben sie gefunden. Elena wirbelte herum. Lebt sie? Der Beamte nickte. Ja, bewusstlos. Aber sie lebt. Sie lag im Nebengebäude in einem Wäschekcontainer. Foss rannte los. gefolgt von Elena und Robert. Der Innenhof war voller hektischer Aktivität. Sanitäter beugten sich über eine Frau in zerknitter Krankenhauskleidung.
Ihre Haare waren zerzaust, ihr Gesicht blass, aber sie atmete. “Was hat er ihr angetan?”, fragte Elena. Ein Sanitäter schüttelte den Kopf. Keine äußeren Verletzungen. Pulsstabil, “Vermutlich sediert.” “Sediert?” wiederholte Robert leise. Er wollte sie nicht töten. Nein, sagte Elena.
Er wollte Zeit gewinnen und ein Ablenkungsmanöver schaffen. Britta trat zu ihn. Sie wurde betäubt, an ein paar Geräte angeschlossen, aber unhearm mit gelassen. Warum? Elena sah zu dem Gebäude zurück. Weil er etwas anderes brauchte, etwas, das nicht im Krankenhaus war. Robert verstand sofort, er hatte schon jemanden, jemanden anderes.
Die Stille nach diesen Worten war ohrenbetäubend. Und dann kam ein zweiter Beamter angerannt. Kommissar, wir haben etwas im Kellergang gefunden. Sie eilten zurück ins Gebäude. Die Beamten führten sie zu einer Stelle in der Wand, deren Fliesen leicht verschoben waren. “Wir haben es nur bemerkt, weil die Fuge nicht gepasß hat”, erklärte einer. “Dahinter ist ein Schacht. fostrad näher.
Ein Lüftungsschacht? Nein, sagte der Beamte. Eher ein Schacht, um Dinge zu transportieren. Robert kniete sich hin, leuchtete mit einer Taschenlampe hinein und stieß scharf die Luft aus. Kommissar, das ist Blut. Viel Blut. Brit zog eine Probe. Frisch, maximal 4er Stunden alt. Elena blickte in die enge Schwärze des Schachts.
Er hat einen Körper transportiert durch das System unterirdisch. Fors fluchte. Wir brauchen die Baupläne des Klinikums. Sofort. 5 Minuten später lag ein vergilbter Plan auf einem Tisch. Elena, Robert, Foss und Britter beugten sich darüber. Grobert zog mit dem Finger eine Linie. Dieser Schacht führt zu einem alten Servicunnel, der seit Jahren offiziell stillgelegt ist.
Offiziell, wiederholte Elena, aber Rima war jahrzehntelang in diesem System unterwegs. Er kannte jeden Gang, jede Abkürzung, jede Leiche, die niemand vermisste. Britter fuhr die Linie weiter. Der Tunnel führt, oh mein Gott, zum alten Leichenkeller. Elena wußte im selben Moment, was das bedeutete. Er bringt jemanden dorthin. Foss hob den Kopf.
Dann bewegen wir uns jetzt alle Einheiten in den Tunnel. Sofort. Der Tunnel war dunkel, modrig und enger als erwartet. Nur die Taschenlampen drangen durch die Finsternis. Elena ging neben Robert, ihr Atem beschleunigt, ihr Herz, ein einziger dröhnender Schlag. Der Schacht verzweigte sich rechts, links, geradeaus. Britter rief aus dem Hintergrund: “Hier Tropfspuren und tatsächlich winzige, regelmäßige Tropfen, eine Linie, eine Spur.” Elena folgte ihr mit einem Kälteschauer.
“Das sind keine Tropfen”, sagte sie heiser. “Das ist Abrinnflüssigkeit von einem Körper.” Der Tunnel endete vor einer alten Metalltür ohne Fenster, ohne Schloss, nur mit einer massiven Kette und einem Vorhängeschloss gesichert. Foss schob sich nach vorne. Rambock, jetzt der Schlag halallte durch den Tunnel. Einmal, zweimal.
Beim dritten Mal gab das Schloss nach. Die Tür schwang auf und alle erstarrten, denn sie blickten in einen Raum, der ihnen das Blut in den Adern gefrieren ließ, nicht leer, nicht verlassen, sondern beleuchtet, bereit und in der Mitte eine liegende Gestalt auf einer Trage, noch lebend, bewegungsunfähig und daneben ein Tablett mit Instrumenten, sortiert, glänzend, einsatzbereit.
Elena presste die Hand vor den Mund. Es ist nicht vorbei, flüsterte sie. Er hat uns hergeführt. Und dann hörten sie ein Geräusch hinter sich, ein leises, klares Klicken, eine Tür, die zufällt, oder ein Schritt im Dunkeln. Foss drehte sich um, die Waffe erhoben. Alle auf Position, doch es war zu spät.
Eine Stimme halte aus der Finsternis des Tunnels. Kultiviert, ruhig, wie immer. Sehr gut. Sie haben mich gefunden. Rima war da und der Albtraum erreichte seinen Höhepunkt. Die Luft im Tunnel wurde schlagartig schwer, als die Stimme von Rimond Riemer durch die Dunkelheit glitt.
Kein Echo, kein Zittern, kein Keuchen, nur diese kühle, selbstsichere Ruhe, die Elena inzwischen bis ins Mark kannte. Sie drehte sich langsam um, das Herz pochend, während die Beamten ihre Waffen hoben. Die Lichtkegel der Taschenlampen irrten durch die Finsternis, tasteten jeden Zentimeter des Tunnels ab, doch niemand war zu sehen, nur Stille. Dann ein weiterer Schritt, ganz nah, viel näher, als es möglich sein sollte.
Suchen Sie nicht so angestrengt”, sagte Riemer, seine Stimme jetzt hinter ihnen, aber ohne Richtung. Tunnelsysteme wie dieses sind akustisch interessant. Elena spürte kalten Schweiß auf ihrem Rücken. Sie wusste, dass er irgendwo war, in einem Nebenraum, einer Nische, einem Wartungsschacht. Er konnte sie sehen, sie ihn nicht.
Kommissar Fos trat einen Schritt vor, die Waffe erhoben. Riema, zeigen Sie sich. Sofort ein leises Lachen. Kein hysterisches, kein bösartiges, nur überlegen. Warum sollte ich? Sie haben mich doch schon gefunden, nicht? Robert flüsterte Elena zu. Er ist ruhig, zu ruhig. Er hat einen Plan. Elena antwortete kaum hörbar. Er führt uns vor. Foss schrie erneut. Hände hoch, wo ich sie sehen kann. Letzte Warnung.
Wieder nur Stille. Doch in dieser Stille Bewegung, ein Schatten huschte am Rand ihrer Sicht. Einer der Beamten drehte sich um. Zu spät. Ein metallisches Geräusch, schnell, scharf. Der Beamte fiel zu Boden, bewusstlos, getroffen, am Nacken, nicht tödlich, präzise, chirurgisch.
“Sie sind langsam”, sagte Remer und viel zu laut. Foss brüllte: “Licht aus. Jetzt sofort gingen drei Lampen aus und der Tunnel fiel in eine tiefere, dichtere Finsternis. Nur die schwachen Notlichter der alten Anlage glommen wie kranke Augen in den Mauern. Elena hörte Atem neben sich, Schritte, das Scharren von Schuhen auf Beton. Und da wieder ein Geräusch.
Dieses Mal weiter vorne, nahe der Tür, dem Raum mit der halbbewussten Person auf der Trage. Kommissar, hauchte Britta, er will zurück in den Raum. Nein, flüsterte Elena. Er will, dass wir glauben, er sei dort. Und plötzlich begriff sie etwas. Jeden Hinweis, jeden Zettel, jeden Fundort, jede inszenierte Spur. Er lenkt uns ab, sagte sie. Er führt uns aber nicht zu sich, zu etwas, das er uns zeigen will oder zu etwas, das wir sehen sollen, ergänzte Robert. Foss funkelte in die Dunkelheit.
Dann sagen sie, Frau Schneider, was will er? Elena holte tief Luft, dass wir verstehen, was sein System, seine Logik, seine Auswahl. Sie deutete auf den Raum. Die Person auf der Trage wurde nicht zufällig gewählt. Er hat sie vorbereitet, nicht getötet, nicht verletzt, nur säiert. Robert schloss die Augen. Er will demonstrieren, wie perfekt sein Prozess ist.
Nein, sagte Elena tonlos. Er will, dass wir sehen, dass er es überall tun könnte. Da ertönte wieder diese Stimme. Diesmal ganz nah, so nah, daß Elena glaubte, den Atem des Mannes zu spüren. Sie lernen schnell. Blitzschnell wirbelte sie herum, sah nur einen Schatten, eine Bewegung, ein Reflex. Doch noch bevor jemand reagieren konnte, schoss ein Lichtstrahl auf, ein Funke, ein Spiegel, ein reflektiertes Stück Metall, ein Ablenkungsmanöver. Fors schrie rechts.
Die Beamten zielten, aber der Schatten bewegte sich in die entgegengesetzte Richtung. Er war schnell, unmenschlich schnell. Eine Silhouette tauchte hinter einem Versorgungsschacht auf, ein Arm, ein Mantel, ein Gesicht im Halblicht. Wenige Sekunden, doch Elena sah es klar. Er lächelte, sie feuerte. Ein einzelner Schuß. Das Dröhnen halte durch den Tunnel, doch die Kugel traf nur Beton.
Riema war schon weg. Ein Beamter rief: “Hier, dieser Schacht war offen. Er ist da rein.” Foss rannte zum Schacht. Ein enger alter Wartungskanal, kaum breit genug für einen Menschen. Aber Rima war hineingeschlüpft und hatte den Gitterdeckel hinter sich zugezogen. “Verfolgen Sie ihn”, brüllte Foss.
Der Beamte leuchtete hinein, dann erstarrte er. Kommissar, der Schacht führt zu einem Abwassersystem. Es gibt dutzende Ausgänge. Hunderte Meter Röhren. Elena trat neben ihn. Er hat den Ort schon Wochen davor vorbereitet. Nein, korrigierte Robert. Jahre davor. Foss schlug mit der Faust gegen die Wand. Verdammt. Doch dann, ganz plötzlich hörten sie ein Geräusch.
Kein Schritt, kein Wort, nur ein kurzer elektronischer Piepton. Robert drehte sich suchend um. Was war das? Britter fand es zuerst. Auf dem Operationstisch, direkt neben der sidierten Person, lag ein Gerät. Klein, schwarz, mit einem blinkenden Punkt, ein Aufnahmegerät. Remer hatte es dort platziert. Foss aktivierte die Wiedergabe. Ein kurzes Rauschen, dann die Stimme. Seine Stimme.
Sie haben sich gut geschlagen, besser als erwartet. Doch sie jagen den falschen Teil von mir. Ich bin nicht dort, wo ich arbeite, und ich arbeite nicht dort, wo ich wohne. Suchen Sie weiter, sie sind nah. Ein Klick. Aufnahme beendet. Die Stille war überwältigend. Elena sank auf den Rand der Trage. Er war nie hier, um jemanden zu töten, flüsterte sie.
Er wollte uns herführen, um uns zu zeigen, daß er längst weiter ist. Robert setzte sich neben sie. Das bedeutet, er baut eine neue Einrichtung. Nicht baut, korrigierte Elena. Er hat sie bereits. Foss sah zwischen den beiden hin und her. Wo? Elena blickte auf den Zettel, den Sie zuvor gefunden hatten.
Suchen Sie weiter, dann auf die schlafende Frau, dann auf die chirurgische Liege. Und plötzlich wusste sie es. Alles ergab Sinn. Jede verschwundene Leiche. Jeder falsch registrierte Fall. Jede Klinik, jedes Krankenhaus. Kommissar, sagte sie mit kaum hörbarer Stimme. Er ist nicht in Kellern, nicht in verlassenen Gebäuden, nicht in Ruinen. Sie hob den Blick.
Er arbeitet mittenunter uns, in einem Krankenhaus, in einem funktionierenden aktiven Krankenhaus. Und als sie diese Worte aussprach, begriffen alle. Der wahre Albtraum begann jetzt erst. Elena spürte, wie die Temperatur im Tunnel plötzlich sank, obwohl die Luft reglos stand. Ihre Worte halten in den Köpfen aller Anwesenden nach.

Schwer und endgültig wie ein Urteil, ein aktives Krankenhaus, nicht irgendein Keller, nicht eine aufgegebene Halle, nicht ein versteckter Außenposten, sondern ein Ort voller Menschen, Patienten, Ärzte, Personal. Ein Ort, an den täglich hunderte ging ohne auch nur den geringsten Verdacht. “Welches Krankenhaus?”, fragte Foss Heiser.
“Es gibt mehr als ein Dutzend in Berlin.” “Nein”, antwortete Elena sofort, fast instinktiv. nicht irgendein ein bestimmtes. Sie stand auf und ging zurück zum Tisch mit den Instrumenten. Ihre Augen glitten über jedes Detail, über die sterile Ordnung, über die chirurgischen Schneiden, über das, was fehlte und was zu viel da war. “Seht euch das an”, sagte sie und deutete auf die Halterungen der Instrumente.
“Das ist kein improvisiertes Set, das ist ein komplettes Set der modernen klinischen Chirurgie.” Robert trat näher. Aber diese Modelle, die sind brandneu. Das sind Standardsets, die nur in größeren Kliniken verwendet werden. Genau sagte Elena. Er will uns das zeigen. Er benutzt keine alten Werkzeuge. Er nimmt neue. Frisch geliefert, professionell.
Britta knifft die Augen zusammen. Sie möchten sagen, er hat Zugriff auf Material aus einem Krankenhaus. Direkt. Elena nickte. Und nicht nur das, er hat Zugriff auf Räume, auf Lager, auf Nebenräume, die nicht einmal im offiziellen Plan stehen. Robert hob den Kopf, sein Gesicht wurde langsam fahl. Elena, die Liste, die Akten, die Fälle, die nie abgegeben wurden, alle stammten aus denselben drei Einrichtungen. Genau hauchte sie.
Und eine davon ist das Klinikum Friedrichshein, dort, wo er gerade war. Foss stieß hörbar die Luft aus. Aber das ist unmöglich. Wir haben den gesamten Gebäudetrack durchsucht, den alten korrigierte Elena, den offiziellen. Dann sah sie ihn an und in ihrem Blick lag etwas kaltes, clares, unwiderrufliches. Was, wenn er in einem Teil arbeitet, den wir nicht durchsucht haben? Einem Bereich, zu dem er einst Zugang hatte, oder indem er jemanden hat, der ihn schützt oder indem niemand genug nachfragt.
sagte Robert. Ein Beamter kam angelaufen. Kommissar, die Fingerabdruckanalyse ist zurück. Foss riß ihm die Mappe aus der Hand, blätterte und wurde langsam bleich. “Es ist sein Abdruck”, bestätigte er tonlos, ohne jeden Zweifel. “Und”, fragte Britta, “was sagt das System? Wo arbeitet er offiziell?” Foss sah sie an, dann Elena, dann wieder auf das Papier.
Seit 5 Jahren ist er in keinem Krankenhaus mehr angestellt. Eine Pause. Aber was? Aber er hat noch immer Zugangskarten. Die Stille im Tunnel war absolut. Elena trat näher. Zu welchem Krankenhaus? Foss hob den Kopf und in seiner Stimme lag eine Schwere, die keiner von ihnen jemals hören wollte. Zur Charit. Kein weiterer Satz war nötig.
Die Charité, das größte, modernste, bestgeschützte Klinikum der Stadt. Tausende Patienten, hunderte Ärzte, unzählige Räume, Gänge, Labore, Kellergeschosse, Nebenflügel. Ein Ort, an dem man Monate unbemerkt arbeiten konnte, wenn man wusste, wo. Und Rima wusste es. Robert fuhr sich zitternd über das Gesicht. Das erklärt alles. Seine Präzision, die Materialqualität, das chirurgische Training und die Körper, fügte Britta hinzu.
Zugriff auf Verstorbene, die niemand sofort vermisst. Elena stand wie versteinert. Er war nie weg, sagte sie. Er war nie versteckt. Er war mitten in ihrem System. Dann wandte sie sich Fos zu. Wir müssen sofort zur Charité. Wenn wir dort mit einem Großaufgebot einfallen, warnt ihn das, sagte Foss und er verschwindet. Wenn wir es nicht tun, erwiderte Elena, arbeitet er weiter.
Genau in diesem Moment ertönte ein Schrei aus dem Tunnel, nicht nah, nicht fern, sondern irgendwo hinter ihnen. Sofort richteten sich alle Waffen. Ein Beamter rannte zurück. Kommissar, die Person auf der Trage, sie ist wach. Elena sprintete als erste los. Die sedierte Person, ein Mann um die vierzig, rang mühsam nach Luft.
Seine Augen flackerten, sein Körper war schwach. Bitte, hauchte er. Bitte er er. Elena beugte sich vor. Wer? Riema. Der Mann schüttelte kaum sichtbar den Kopf. Dann formte er die nächsten Worte mit letzter Kraft. nicht allein. Er ist nicht allein. Seine Augen rollten zurück. Er verlor das Bewusstsein. Elena froh. Robert starrte sie an.
Was hat er gesagt? Dass Remer nicht allein ist, flüsterte sie. Er hat Partner oder Schüler, ergänzte Britter. Dann höhnte die Stimme im Tunnel erneut, unsichtbar und nah. Sehr gut. Sie nähern sich der Wahrheit. Elena zuckte zusammen. Die Stimme war überall oder nirgends. Kommissar, sagte sie mit einem Blick, der keine Diskussion zuließ.
Wir müssen zur Charit. Er wartet darauf. Warum sollte er darauf warten? Fragte Foss. Weil er will, dass wir sehen, was dort passiert. Elena wandte sich langsam zum dunklen Tunnel um und sprach die Worte aus, die alle dachten, aber keiner auszusprechen wagte. Die Charit ist nicht nur sein Arbeitsplatz, sie ist sein Hauptlabor.
Und irgendwo dort, in einem der unzähligen Räume, bereitete er bereits seinen nächsten Schritt vor. Der Einsatzwagen raste durch das nächtliche Berlin, während die Lichter der Stadt in langen Bahnen an den Fenstern vorbeizogen. Niemand sprach, niemand atmete frei. Die Gewissheit, dass sich der Kern von Riemas grausamen Werk mitten in der Charité befand, lag über allen wie ein bleierner Schleier.
Elena saß angespannt auf der Rückbank, die Hände zu Fäusten geballt, während Robert ununterbrochen die Grundrisspläne auf seinem Tablet durchging. “Die Charité hat mehr als ein Dutzend unterirdische Ebenen”, murmelte er. Labore, Kühlkeller, Forschungstrakte, ungenutzte Bereiche. Es ist ein Labyrinth. Elena nickte und erkennt jeden einzelnen Gang.
Foss blickte in den Rückspiegel. Wir gehen systematisch vor, leise, ohne Sirenen. Wenn er glaubt, was er offenbar glaubt, wird er uns erwarten. Elena spürte einen Stich im Magen. Ja, er wartete nicht aus Angst, nicht aus Verzweiflung, sondern aus Überzeugung. Die Wagen stoppten an einem der Seiteneingänge des Klinikums. Ein fast leerer Bereich, nur spärlich beleuchtet.
die Betonwände kalt und glatt. Drei Teams stiegen aus, alle bewaffnet, alle inzivil, alle mit dem Wissen, dass sie einem Mann gegenüber stehen würden, der ihnen immer einen Schritt voraus war. Drinnen war es still, unnatürlich still. Die Gänge waren hell erleuchtet, aber menschenleer. Es wirkte wie ein Krankenhaus, das nur für Sie geöffnet worden war.
Elena spürte die Spannung in ihren Schultern. Er hat uns diesen Weg gelassen, sagte sie. Das ist Absicht. Macht euch bereit, flüsterte Foss. Sie gingen tiefer hinein, vorbei an Patientenzimmern, die alle dunkel waren, vorbei an verschlossenen Türen, vorbei an medizinischen Geräten, die in Reih und Glied standen.
Schließlich erreichten sie einen Aufzug, dessen Anzeige auf die unterste Ebene eingestellt war, ohne dass jemand ihn gerufen hatte. Er ist unten”, sagte Robert tonlos, “Oder will, daß wir glauben, er ist es.” Elena drückte den Knopf, die Türen öffneten sich. Der Aufzug war leer, steril, weiß. Sie betraten ihn. Die Türen schlossen sich. Der Abstieg begann. Einer nach dem anderen glitten die Zahlen an ihnen vorbei.
Zweite Ebene, dritte, vierte. Der Aufzug stoppte erst in der untersten Ebene, einer, die offiziell nicht einmal existierte. Die Türen öffneten sich und sie traten hinaus. Es war für einen Moment vollkommen dunkel. Dann flackerten Neonröhren an der Decke auf. Der Gang vor ihnen war lang, klinisch, fettfrei und am Ende leuchtete eine Tür.
Eine Tür aus Edelstahl, unbeschriftet und leicht geöffnet. Elena atmete tief ein. Das ist es. Sie ging langsam, Schritt für Schritt. Jeder Herzschlag war in ihren Ohren zu hören. Als sie die Tür erreichten, trat Foss vor. Er zog seine Waffe. Bereit. Alle nickten. Die Tür wurde aufgestoßen und sie sahen es.
Ein Saal, so groß wie ein Hörsaal, Hightech, Edelstahl, glänzende Oberflächen, chirurgische Geräte, die in perfekter Ordnung standen, mehrere Opt-Tische, Monitore, auf denen anatomische Daten liefen und Kühlbehälter. Dutzurzende davon, alle nummeriert, alle identisch. Elena trat hinein. Ihre Schritte halten von den Wänden zurück.
Das ist ein voll ausgestattetes Operationszentrum”, sagte Robert tonlos, “Nicht improvisiert, nicht versteckt, sondern professionell.” Fos zog einen Behälter heraus, öffnete ihn drin, markellos verpacktes Gewebe. Menschlich, steril, bereit zur Verarbeitung. Elena fühlte sich, als würde die Luft dünner. “Er hat das seit Jahren betrieben”, flüsterte sie.
hier unten unter einem der größten Krankenhäuser Europas. Dann stellt sich nur noch eine Frage, sagte Foss. Wo ist er? Eine Stimme antwortete. Hier. Sie drehten sich um. Und da stand er, Reim und Riemer, in einem markellos weißen Kittel, die Hände ruhig hinter dem Rücken verschränkt. Kein Schweiß, kein Blut, keine Eile, als hätte er auf eine Visitation gewartet, nicht auf die Polizei. Elena spürte, wie sich ihr Körper spannte. “Warum?”, fragte sie heiser.
“Warum das alles?” Rima sah sie an, seine Augen klar, hell, ohne Zorn, ohne Wahnsinn. Genau das war das Schlimmste. Weil es notwendig ist, antwortete er ruhig, weil es verschwendet wäre, was unter dieser Stadt täglich im Stillen verschwindet. Weil ich etwas schaffen wollte, das andere nicht sehen können.
Sie haben Menschen ermordet, fauchte Foss. Ich habe genutzt, was mir gegeben wurde, korrigierte Remer. Und nur sehr wenige. Ausgewählt. Elena spürte Übelkeit. Sie nennen Mord Auswahl. Ich nenne es Effizienz. Dann lächelte er. Das gleiche schmale kontrollierte Lächeln wie zuvor. Sie sind beeindruckend weit gekommen, sehr viel weiter als die anderen.
Robert hob die Waffe. Es ist vorbei. Nein, sagte Rima leise. Für sie vielleicht, aber nicht für mein Werk. Er drückte etwas in seiner Hand. Ein kleiner schwarzer Sender. Alarmanlagen heolten auf. Türen begannen sich zu schließen. Metall rollte aus den Wänden. “Er will uns einschließen”, schrie Britter. Elena rannte los, bevor sie dachte.
Sie erreichte Riema in dem Moment, als er zur nächsten Tür fliehen wollte. Sie warf sich gegen ihn. Beide stürzten. Der Sender flog aus seiner Hand. Foss sprang vor, drückte Riemer zu Boden. Der Widerstand war kurz, heftig. Doch zu spät. Es war vorbei. Rima lag auf dem Boden, festgenommen, zum ersten Mal ohne Kontrolle.
Doch in seinen Augen lag kein Schrecken, kein Ärger, kein Verlust, nur Zufriedenheit. “Sie glauben, sie hätten gewonnen”, sagte er leise. “aber dies hier ist nur eine meiner Einrichtungen.” Elena fühlte, wie ihr Blut gefror. “Wie viele?”, fragte sie. Rima lächelte. genug. Die Beamten führten ihn ab, Fesseln an den Händen, an den Beinen.
Und doch wirkte er, als begleite er sie freiwillig, als wäre dies ein Schritt in einem Plan, den nur er kannte. Elena blieb zurück. Sie stand mitten in dem Saal, umgeben von Edelstahl, Kälte und dem Erbe eines Mannes, der jahrzehntelang unbemerkt im Herzen der Stadt gearbeitet hatte. Robert trat neben sie. Wir haben ihn”, sagte er.
“Ja”, antwortete Elena, “aber wir sind nicht fertig.” Sie sah auf die Reihen der Kühlbehälter, auf die Instrumente, auf die Dokumente. “Das hier muss alles durchsucht werden. Jedes Krankenhaus überprüft werden, jede Akte, jede verschwundene Person.” Postrat hinzu und wir werden es tun. Elena blickte zum Ausgang, durch den Riemer abgeführt worden war.
Er hat uns nicht nur einen Täter hinterlassen, sagte sie, er hat uns ein System hinterlassen. Und als sie die Tür hinter sich schloß, wusste sie, dies war nicht das Ende. Dies war erst der Anfang eines Schreckens, der sich über Jahre aufgebaut hatte und der jetzt Schicht für Schicht ans Licht kommen würde.