40 Tage unter Beschuss. Irgendwann verliert man das Gefühl für Zeit. Die Nächte in Kissan waren so dunkel, dass selbst die Ratten vorsichtig liefen. Und doch hell genug, wenn eine Leuchtrakete über uns zischte und den ganzen Hügel in ein kränkliches weißes Fieberlicht tauchte. Jeder Einschlag ließ die Erde beben, als würde der Boden selbst mit uns mitzittern und sagen: “Na, viel Glück da draußen.

” Schlaf kam nur in kurzen gestohlenen Minuten, eher ein technisches Nickerchen als echte Erholung. Kaum schloss man die Augen, krachte wieder eine Mörsergranate in die Sandsäcke oder ein Scharfschütze irgendwo im Dschungel entschied, dass jetzt ein guter Moment wäre, jemanden zu ärgern. Sechtausend von uns hockten auf diesem gottverlassenen Plateau eingekesselt von 20 bis dreus nordvietnamesischen Soldaten.
Zahlen, die man besser nicht zu lange betrachtet, wenn man die eigene Laune retten will. Aber man spürte es in jeder Bewegung, in jedem Atemzug. Selbst der Wind fühlte sich an, als käme er aus seinem Hinterhalt. Die Kämme um uns herum bildeten einen natürlichen Kessel. Ein Amphitheater, wie jemand mal gesagt hatte, ein hübsches Wort, wenn man gerade nicht in der ersten Reihe sitzt.
Manchmal hörte man die feindlichen Truppen nachts rutschen, schar, flüstern, nah genug, dass man wusste, sie sind da, und weit genug weg, dass es noch nicht losgeht. Dieses noch nicht nagte an den Nerven. Jeder rechnete mit dem großen Angriff, dem Augenblick, an dem alles gleichzeitig explodiert, und doch kam er nie. Das machte es fast schlimmer, wie ein schlechter Witz, bei dem man auf die Poente wartet, die einfach nicht auftaucht.
Wir redeten darüber leise zwischen den Salven. Warum greifen Sie nicht an? warten sie auf Verstärkung, auf Nebel, auf ein göttliches Zeichen. Irgendwann begann man sich zu fragen, ob wir hier vielleicht gar nicht das Hauptziel waren, ob Kessan nur ein Stück Fleisch war hingelegt, damit wir hineinbeißen. Ein Köder für etwas Größeres, ein Gedanke, der einem einnistet wie Feuchtigkeit in den Stiefeln, unangenehm kalt und schwer wieder loszuwerden.
Doch egal, ob Falle oder Frontlinie, wir steckten mittendrin und jede Stunde, die verging, fühlte sich an wie das langsame Zuziehen eines unsichtbaren Gürtels um die Basis. Der Feind schoss. Wir duckten uns und irgendwo über unseren Köpfen lauerte die Frage, die keiner beantworten konnte. Was, wenn ihr Plan genau das war, uns warten zu lassen, bis wir vor lauter Spannung fast implodieren.
Und so begann der dunkle Vorhang über Kissan, nicht mit einem Sturmangriff, sondern mit dem furchtbar stillen Wissen, dass er jeden Moment fallen könnte. 1962 wirkte dieser Hügel hier oben noch fast friedlich, zumindest so friedlich, wie ein Fleckchen Dschungel in Südvietnam eben wirken kann. Die Special Forces schlugen damals ein kleines Lager in die Bäume, mehr eine improvisierte Lichtung als eine echte Basis.
Ihre Aufgabe war klar: lauschen, beobachten, die Wege aus Laos im Blick behalten und mit den Einheimischen Dorfmilizen zusammenarbeiten. Ein unscheinbarer Posten am Rand der Welt. Niemand ahnte, daß dieser Fleck später zu einem der heißesten Punkte des ganzen Krieges werden würde. Doch die Lage von Kissan war tisch. Route 9 zog sich wie eine schmale, müde Schlange durch die Berge.
Der einzige direkte Korridor vom Himin zur Küste. Wer diesen Weg kontrollierte, konnte entscheiden, was sich zwischen Laos und Südvietnam bewegte oder eben nicht. Das Plateau selbst lag wie ein umgedreht Napf, schön für eine Postkarte, weniger schön, wenn man nicht gern in einer Zielscheibe sitzt. Die Höhenzüge ringsum wirkten wie Zuschauertribünen und wir waren das unglückliche Theaterstück in der Mitte.
General Westmeland sah darin allerdings eine Gelegenheit. Für ihn war Kesan kein abgelegener Außenposten, sondern ein Schlüssel, ein möglicher Riegel vor den Infiltrationsrouten, vielleicht sogar ein Sprungbrett, um eines Tages selbst Richtung Laos vorzurücken. Ein ambitionierter Plan, der unten bei den Feldkommandeuren nicht gerade Begeisterungsstürme auslöste.
Einer meinte trocken: “Wenn du Kissan verlierst, verlierst du gar nichts. Ein Satz, der sich anfühlte, als hätte jemand die Landkarte kommentiert, wie ein schlechtes Urlaubsfoto. Doch die Diskussion endete abrupt, als Aufklärungsbilder drei nordvietnamesische Divisionen zeigten verteilt über die Hügel rund um uns.
Da musste selbst der größte Skeptiker einsehen, daß man einen Ort nicht ignorieren kann, wenn der Feind ihm plötzlich so viel Aufmerksamkeit schenkt. Und so begann das große Aufrüsten. 1966 und 1967 verwandelten Bautrups und Marines das einstige Lager in eine vollwertige Festung.
Die Landebahn wurde verlängert, Gräben vertieft, Bunker ausgebaut, Panzer rollten hinauf, Artillerie wurde eingemessen und irgendwann sah der ganze Hügel aus wie eine Festung, die verzweifelt versuchte so auszusehen, als hätte sie das alles schon immer so geplant. Aus einem abgelegenen Posten war ein strategischer Knotenpunkt geworden und wir alle wußten, daß so etwas selten gut endet, ohne dass jemand irgendwann versucht, den Knoten aufzuschneiden.
Die Nacht, in der Hill 810 Anosor zum ersten Mal richtig brannte, begannen wie so viele zuvor mit einem leisen Pfeifen, das man inzwischen fast als Begrüßungsritual hinnahm. Doch diesmal kamen die Einschläge dichter, schneller. wie ein wütender Trommelwirbel aus der Dunkelheit. Wir warfen uns in die Schützengräben, während die Erde bebte, und schon hörte man die ersten Rufe.
Die Nordvietnamesen waren durch den Draht, nicht nur davor drin, genau dort, wo niemand sie sehen wollte. Als die ersten Leuchtraketen in die Höhe stiegen, bekam die Szene etwas Irreales. Die grelleweiße Flamme ließ jeden Krater wirken, als wäre er mit Eis überzogen, und die Silhouetten der Angreifer sprangen wie Geister von Baum zu Baum.
Manchmal sah man nur Umrisse, ein paar Schritte entfernt, dann wieder das grelle Aufblitzen eines AK Laufs und plötzlich war der Krieg kein Fernschach mehr, sondern Handarbeit. Kolben, Bayonette, Schaufeln. Alles wurde zur Waffe. Einer meiner Kameraden schimpfte irgendwann, wenn ich schon sterbe, dann nicht in dieser verdammten Pose.
Und trotzdem hielt er weiter dagegen mitten im Chaos, ohne eine Sekunde nachzudenken. Auf Hill 891 sah es kaum besser aus. Die Berichte funkelten über Funk abgehackt zwischen den Salven, aber man verstand genug, um zu wissen, die Linie wankte wirklich. Hätte man uns gefragt, wir hätten gesagt, der Berg selbst halte den Atem an.
In manchen Momenten wurden die Gräben regelrecht zurückerobert, Inch für Inch mit jedem Herzschlag. Und als der Morgen graute, waren beide Hügel noch in unserer Hand, aber es fühlte sich weniger wie ein Sieg an und mehr wie ein Wunder, dass ich versehentlich hierher verirrt hatte. Doch der eigentliche Schlag kam erst danach.
Es war kurz nach Sonnenaufgang, als einzelner Einschlag die Basis erzittern ließ. Zuerst dachte jeder, das wäre nur eine weitere Granate, eine von hunderten. Aber dann hob sich der Boden unter uns, als würde eine unsichtbare Faust die gesamte Basis packen und durchschütteln. Der Feuerball, der aus dem Munitionsdepot stieg, tauchte Kissan in ein gleißendes Licht, bevor eine Druckwelle uns wie Stoffpuppen herumwarf.
1400 Tonnen Munition. Man hätte genauso gut einen Vulkan mitten in die Basis pflanzen können. Dann der zweite Schlag, Tiergas, das aus einem benachbarten Lager aufstieg und sich wie ein erstickender Nebel über die Gräben legte. Man sah kaum die eigene Hand, geschweige denn den nächsten Bunker.

Männer stolperten, husteten, brüllten einander an, ohne genau zu wissen, ob sie den richtigen Weg liefen oder direkt in einen Krater hinein. Und das Schlimmste, das infernalische Echo hörte nicht auf. Munition explodierte weiter stundenlang dann tagelang wie eine Reihe kleinerer Höllentore, die sich nacheinander öffneten. Während wir versuchten uns zu sammeln, kam die Meldung: Das Dorf Kean war gefallen und mit ihm Ru 9, unsere letzte Verbindung am Boden.
Von diesem Moment an hing unser Leben buchstäblich an den Rotorblättern und Tragflächen über uns. Ein falscher Treffer und die ganze Basis hätte sich in eine Rauchwolke verwandelt. Man munkelte später Westmeland, hätte in einem besonders düsteren Moment sogar erwogen, chemische oder nukleare Optionen auf den Tisch zu legen.
Eine Art verzweifelten Plan B, falls die Nordvietnamesen uns überrannten. Ob das stimmt oder nicht, wissen wohl nur die Wände seines Büros. Aber die Tatsache, daß es überhaupt plausibel klingt, sagt bereits alles über diese Tage aus. Die Hölle hatte sich geöffnet und niemand wußte, ob sie schon ihren vollen Hunger gestillt hatte. Wenn man heute zurückblickt, wirkt es fast so, als hätte der Himmel selbst beschlossen, ihn Kean Partei zu ergreifen.
Nach den Nächten auf 1861 und 898 waren wir ohnehin schon überzeugt, dass schlimmer kaum geht. Doch dann begann das, was die Planer Operation Niagara nannten und was wir unten schlicht die große Kehrmaschine tauften. Wer je gesehen hat, wie ein B52 Teppichbombardement einen ganzen Berggrücken verwandelt, versteht den Namen sofort.
Alles fing damit an, dass plötzlich überall im Dschungel kleine unscheinbare Sensoren versteckt lagen. Die Jungs von Eagle White hatten sie aus Flugzeugen fallen lassen. Winzige Ohren und seismische Fühler, die jeden Schritt, jede Fahrzeugkette und wahrscheinlich auch jeden genervten Fluch registrierten. Für uns war es ein bisschen unheimlich, als hätte man uns erzählt, die Bäume selbst würden jetzt melden, wenn jemand hustet.
Aber diese kleinen Dinger lieferten fast die Hälfte aller brauchbaren Informationen, die wir hatten. Unsichtbare Augen, die den Feind aus dem Schatten zogen. Das Kommandozentrum koordinierte alles Artillerie, die Piloten der Forward Air Controller, die C130, über uns die wie fliegende Dirigenten, die Angriffe einteilten und so entstand eine Art unsichtbares Netzwerk über Kissan, eine Lichterkette aus Funksprüchen, Zielkoordinaten und Warnungen, die schneller reagierte, als wir unsere Helme zurecht drücken konnten.
Manchmal lief es so effizient, dass man fast vergaß, dass wir gleichzeitig um unser Leben krochen. Natürlich stritten sich die Offiziere der Airforce und der Marines darum, wer eigentlich das Sagen über die ganze Himmelsfeuerkraft haben sollte. Zwei ehrgeizige Lager, eine einzige Bühne.
Für uns unten war es egal, wer den großen Stock schwang. Hauptsache, er fiel auf die richtige Seite und meistens tat er das auch. Wenn die B52 kam, spürte man es Minuten vorher. Ein tiefer Brummton, irgendwo weit hinten so dumpf, daß man ihn eher im Brustkorfühlte, als hörte und dann die Einschläge ganz weit draußen oder manchmal gar nicht so weit draußen, je nachdem, wie eng es wurde.
Die Berge verwandelten sich in Mondlandschaften ganze Waldstücke verschwanden unter Feuerwalzen. Nach jedem Einsatz wehte der Wind eine Mischung aus staubverbrannten Blättern und etwas Süßlichem herüber, dass wir lieber nicht zu genau identifizierten. Für die Nordvietnamesen bedeutete das vor allem eines ihre schönen schrittweise vorgetriebenen Schützengräben, die gleiche Strategie, die in Jan Bpoo funktioniert hatte, wurden jedes Mal wieder aufgerissen, bevor sie sich gefährlich nähern konnten.
Jeder Versuch, unbemerkt heranzurücken, endete damit, dass einer der Sensoren “Hallo”, sagte und bin Minuten ein halber Himmel auf sie herabfiel. Wir hatten Gräben, wir hatten Sandsäcke, aber die eigentliche Verteidigung von Kissan lag über uns in Schichten aus Flugzeugen, Funksprüchen, Sensoren und Bombenteppichen.
Ein unsichtbarer Schild, der uns manchmal selbst erschreckte, aber der am Ende verhinderte, dass sich die Geschichte von 1954 wiederholte. Man könnte sagen, die Erde gehörte ihnen, der Himmel gehörte uns. Und genau das machte den Unterschied. In den ersten Märztagen lag eine seltsame Stille über Kessan. Eine Stille, die sich nicht wie Frieden anfühlte, sondern eher wie das Einatmen vor einem Schrei.
Wir wussten längst, dass die Nordvietnamesen ihre Gräben jede Nacht ein Stück näher heranzogen. Anfangs waren es noch hunderte Jah und irgendwann diskutierten wir ernsthaft darüber, ob man sie bald schon vom Bunker aus mit Steinen treffen könnte. vielleicht dreigards. Das ist in einem Belagerungskrieg praktisch Händedistanz.
Und nachts bei Neumond hatte man das Gefühl, als könnte jeder Schatten plötzlich Form annehmen. Diese dunklen Nächte waren die schlimmsten. Niemand sagte es laut, aber jeder wusste, dass dies die perfekte Zeit für einen Großangriff wäre. Man hörte die Geräusche jenseits des Drahts, metallisches Klirren, erstickte Rufe, das dumpfe Schaben von Schaufeln.
Wenn die Leuchtkugel dann hochzischte, sah man die Gräben wie Adern im Hang liegen, fein verzweigt, sorgfältig angelegt, als hätte ein unsichtbarer Architekt Tag und Nacht daran gefeilt. Es war der gleiche Stil wie in Gian Ban Poo. Nur diesmal wartete oberhalb des Drahts nicht die französische Garnison, sondern eine amerikanische Feuerkraft, die niemand unterschätzen sollte.
Also begannen wir zurückzubeißen. Artillerie, dann nach Palm, dann wieder Artillerie, ein ewiges Hin und Her. Und als es besonders eng wurde, rückten die B52 so nah an die Basis heran, dass man schwor, die Druckwelle würde einem die Socken ausziehen, selbst wenn man Schuhe trug. Wenn diese Teppiche fielen, bebte der Boden so stark, daß man das Gefühl hatte, der Krieg versuche gerade die Geografie neu zu zeichnen. Am 29.
Februar schließlich kam der Angriff. Die 304. Division warf alles in die Schlacht. Das erste Feuergefecht rollte in Wellen heran, wie ein schwarzer Sturm, der gegen den Draht schlug und dann erneut ansetzte. Doch diesmal trafen sie nicht auf eine erschöpfte aufgeriebene Linie, sondern auf ein koordiniertes Bollwerk aus Artilleriefeuer, das wie eine wandernde Mauer über den Hang kroch.
Die Creeping Barrage frß sich durch die Angriffsspitzen, während die Arklid Schläge dahinter alles einebneten, was nach Verstärkung aussah. Es war wie das Zusammenspiel zweier gigantischer Hämmer, die sich gegenseitig im Takt folgten. Tag für Tag fielen tausend Geschosse mal von ihnen, mal von uns. Der psychische Druck war kaum auszuhalten.
Manche Männer entwickelten einen fast philosophischen Blick, als wollten sie fragen, ob der Krieg vielleicht eine besonders laute Form von Bürokratie sei. Aber trotz aller Müdigkeit hielt die Linie. Und irgendwann nach einer weiteren endlosen Nacht stellten wir fest. Die feindlichen Gräben bewegten sich nicht mehr.
Sie waren zerbrochen, zerschlagen, wie ausgefranzte Wunden im Hang. Die Nordvietnamesen zogen Kräfte ab, nicht weil sie wollten, sondern weil sie mußten. Der große Sturm, den alle erwartet hatten, kam nie. Und in dieser merkwürdig stillen Erkenntnis lag das eigentliche Ende der Belagerung nicht durch einen heroischen letzten Schlag, sondern weil der Feind einfach nicht mehr die Kraft hatte, weiter vorzurücken.
Am Morgen desen April wirkte Kissan fast unwirklich ruhig, als hätten die Hügel selbst beschlossen, eine Pause einzulegen. Dann sahen wir sie, die Hubschrauber der First Air Cavalry, die über den Baumwipfeln auftauchten, als würde jemand endlich das lange verschollene Rettungsteam schicken. Operation Pegasus hatte Route 9 wieder geöffnet und plötzlich standen wir nicht mehr wie isolierte Figuren auf einem vergessenen Brett, sondern als Teil einer Armee, die sich endlich wieder bis zu uns vorgekämpft hatte. Als die ersten
Cavaryry Soldaten unseren Männern die Hand schüttelten, wirkte es fast wie ein schlecht geprobtes Happy End. nur daß niemand von uns wirklich lächeln konnte. Dafür waren die letzten sie Tage zu lang, zu laut, zu teuer gewesen. General Westmoland hingegen sah in diesem Moment etwas ganz anderes.

Für ihn war der Weg nach Laos wieder offen ein möglicher Vorstoß mitten ins Herz des Himinpfads. Man sah es in seinen Augen. Für ihn war Kessan kein Endpunkt, sondern ein Sprungbrett. Ein Schritt weiter und vielleicht würde man den Krieg wenden können. Zumindest war das seine Hoffnung. Unsere Hoffnung dagegen war vor allem endlich einmal eine Nacht durchzuschlafen, ohne dass der Boden explodiert.
Aber während wir uns noch vom Schlamm schäten, brannte Südvietnam. Der Tedoffensive hatte das ganze Land erschüttert und in den USA liefen die Fernsehbilder heißer als jeder Napalmteppich um Kissan. Plötzlich war nicht mehr die Frage, ob wir taktisch gewonnen hatten, sondern warum wir überhaupt so tief in diesen Bergen feststeckten.
Die Leute zu Hause sahen zerstörte Botschaften, Straßenkämpfe und irgendwo dazwischen eine belagerte Basis, deren Name kaum jemand aussprechen konnte, aber alle auf den Titelseiten lasen. Und dann kam die Nachricht, die keiner erwartet hatte. Präsident Johnson würde nicht zur Wiederwahl antreten.
Ein politisches Erdbeben. Das Leise begann, aber die gesamte Kriegsstrategie verschobtonischer Ruck. Verhandlungen sollten kommen. Eskalation war vom Tisch und West Morelands große Pläne für einen Marsch nach Laos lösten sich in Luft auf, bevor der erste Schritt gemacht war. Im Juni 1968 rückten Bulldozer in Kissan ein. Dieselben Hügel, für die wir wochenlang gekämpft hatten, wurden einfach eingeebnet, als wollte jemand alle Spuren wegradieren.
Es fühlte sich an, als hätte man ein blutiges Kapitel zugeklappt, ohne es zu Ende zu lesen. Am Ende hatten wir die Schlacht gewonnen, aber der Krieg äh der größere, der unsichtbare Krieg um Meinung, Ausdauer und Sinn, den hatten wir längst zu verlieren begonnen. Die Nordvietnamesen hatten uns nicht besiegt. Aber sie hatten erreicht, was sie wollten.
Eine Armee binden, ein Land verunsichern und einen Sieg schaffen, der sich nicht an Karten messen ließ. Und als wir den Hügel zum letzten Mal verließen, fragte sich jeder von uns ins Geheim, was ein Sieg eigentlich wert ist, wenn man ihn zurücklässt wie eine leere Hülle. M.