Der 2. Mai 1941. In einem holgetäfelten Konferenzraum in Berlin sitzen die mächtigsten Männer des Deutschen Reiches um einen langen Tisch. Staatssekretäre, Generäle, Wirtschaftsplaner. Vor ihnen liegen Karten der Sowjetunion, Tabellen mit Getreideernten, Kalkulationen über Kalorien. In sieben Wochen wird die Wehrmacht in die Sowjetunion einmarschieren und die Männer in diesem Raum planen, was danach geschehen soll.
Ein Protokollführer notiert die Worte, die an diesem Tag fallen. Der Krieg ist nur weiter zu führen, wenn die gesamte Wehrmacht im dritten Kriegsjahr aus Russland ernährt wird. Hierbei werden zweifellos z Millionen Menschen verhungern. Keiner der Anwesenden widerspricht, keiner verlässt den Raum. Einer von ihnen ist Paul Körner, Hermann Görings rechte Hand, Staatssekretär des Vierjahresplans und ein Mann, der in den kommenden Jahren mit Verantwortung für den Tod von Millionen tragen wird.

Paul Körner kam am zweiten Oktober in Pirner zur Welt, einer sächsischen Kleinstadt an der Elbe. Sein Vater war Arzt und stieg später zum Generalarzt auf, eine bürgerliche Familie mit militärischer Tradition und gehobenen Ansprüchen. Der junge Paul besuchte das Realgymnasium in Zitau, legte dort sein Abitur ab und absolvierte anschließend eine kaufmännische Lehre im Geschäft seiner Mutter.
Im Herbst 192 begann er ein Jurastudium an der Universität Berlin. Doch zwei Jahre später brach der Erste Weltkrieg aus und veränderte sein Leben für immer. Körner meldete sich als einjährig Freiwilliger beim königlich sächsischen Feldartilleriment Nummer 28. Der kämpfte an der Westfront, wurde am 7. November zum Leutnand befördert und zeichnete sich durch Tapferkeit und organisatorisches Talent aus.
Sein Aufstieg war bemerkenswert. Im Dezember 1917 wurde er zum Adjutanten von Erich Ludendorf ernannt. Erster Generalquartiermeister der OHL, faktisch der zweitmächtigste Mann des deutschen Kaiserreichs. Diese Position verschaffte dem jungen Offizier einen Einblick in die höchsten Ebenen militärischer Macht. Er erhielt beide Klassen des eisernen Kreuzes, den Albrechtsorden und das Friedrich Augustkreuz.
Als der Krieg endete, wurde er als Hauptmann der Reserve entlassen. Die Niederlage traf Körner hart. Wie viele Veteranen konnte er das Ende des Kaiserreichs nicht akzeptieren? Anfang 1919 trat er dem Freikors LZO bei, einer jener paramilitärischen Einheiten, die gegen Kommunisten kämpften und die Weimarer Republik von Beginn an verachteten.
Danach nahm er sein Jurastudium wieder auf. arbeitete in verschiedenen Industriepositionen und gründete kleine Unternehmen. Doch der entscheidende Wendepunkt seines Lebens kam erst ein Jahrzehnt später. Im Jahr 1926 traf Paul Körner zum ersten Mal auf Hermann Göring. Der ehemalige Jagdflieger, Purlemeritt Träger und spätere Reichsmarschall war damals noch ein politischer Aufsteiger in Hitlers NSDAP.
charismatisch, skrupellos und auf der Suche nach fähigen Gefolgsleuten. Die beiden Veteranen verstanden sich sofort. Körner wurde Görings SA Adjutant und entwickelte sich schnell zu dessen Ängstem vertrauten. Pilli nannte Göring ihn liebevoll, ein Spitznamen aus Kindertagen. Diese Beziehung sollte fast 20 Jahre andauern und Körners gesamte Karriere definieren.
Offiziell trat Körner erst am 1. Januar 1932 in die NSDP ein, vergleichsweise spät für einen Mann in seiner Position. Doch der SS war er bereits seit Februar 1931 Mitglied. Als Görings Privatsekretär verwaltete er dessen intimste Angelegenheiten und wurde zu seinem unentbehrlichen Schatten. Am 22. Januar 1933, 8 Tage vor Hitlers Ernennung zum Reichskanzler gehörte Körner zu den nur vier NSDAP Vertretern bei der entscheidenden Besprechung in Ripentrops Villa.
Dort wurden die letzten Details der Machtübergabe ausgehandelt. Körner war im innersten Zirkel dabei, als die Demokratie ihr Grab schaufelte. Nach der Machtergreifung begann Körners kometenhafter Aufstieg. Nur einen Tag nach Hitlers Ernennung wurde er zum stellvertretenden preußischen Bevollmächtigten zum Reichsrat ernannt. Als Göring im April 1933 preußischer Ministerpräsident wurde, machte er Körner zum Staatssekretär des preußischen Staatsministeriums.
Nun war Körner Görings Verwalter derjenige, der die täglichen Geschäfte führte, während sein Chef von Amt zu Amt eilte und immer mehr Macht anhäufte. Der entscheidende Karriereschritt folgte im Oktober 1936, als Hitler Göring zum Beauftragten für den Vierjahresplan ernannte. Dieses gigantische Wirtschaftsprogramm hatte ein klares Ziel, Deutschland binnen vier Jahren kriegsbereit zu machen.
Autie in Rohstoffen, Aufrüstung der Wehrmacht, wirtschaftliche Unabhängigkeit vom Ausland. Körner wurde Staatssekretär dieser Organisation, die Nummer 2 unter Göring mit Direktionsgewalt über Reichsministerien und alle Ebenen der Partei. Von nun an leitete Körner das Tagesgeschäft der deutschen Kriegsvorbereitung. Er koordinierte zwischen Ministerien, wies Ressourcen zu, setzte strategische Direktiven in operative Politik um.
Ab Dezemberin wurde er stellvertretender Vorsitzender des Generalrats des Vierjahresplans und leitete dessen Sitzungen an Stelle Görings. Parallel stieg er in der SS Hierarchie auf. Im Januar 1942 erreichte er den Rang eines SS Obergruppenführers, einen der höchsten Ränge dieser Organisation.
Er wurde Vorsitzender des Aufsichtsrats der Reichswerke Hermann Göring des größten Industriekonzerns Europas und saß in zahllosen anderen Gremien. Doch hinter den Titeln und Positionen verbarg sich eine Realität des Verbrechens. Körner war nicht nur ein Bürokrat, er war ein aktiver Architekt nationalsozialistischer Ausbeutungspolitik.
Die Sitzung vom Mai 1941 war nur der Anfang. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion wurde Körner im Juli 1941 Görings ständiger Vertreter beim Wirtschaftsführungsstab Ost jener Organisation, die für die systematische Ausplünderung der besetzten Gebiete zuständig war. In dieser Funktion implementierte er die auf der Maizung besprochenen Politiken, den systematischen Nahrungsmittelentzug, der etwa 4,2 Millionen sowjetische Zivilisten in den Hungertod trieb.
Von August 1941 bis März 1943 war Körner zu dem Vorsitzender der Berg und Hüttenwerksgesellschaft Ost eine Organisation, die die Nürnberger Ankläger später als hauptsächliche Enteignungsagentur des Reiches bezeichneten. Körner konfiszierte systematisch Industrieanlagen in besetzten sowjetischen Gebieten, Kohlebergwerke, Stahlwerke, Fabriken.
Was Deutschland für seinen Krieg brauchte, wurde gestohlen und Körner koordinierte den Raub. Im April 1942 übernahm Körner eine seiner verhängnisvollsten Positionen. Er wurde Mitglied der zentralen Planung neben Albert Speer und Erhard Milch. Dieses dreiköpfige Gremium hatte die oberste Autorität über die gesamte deutsche Kriegswirtschaft, über Rohstoffe, Produktion und vor allem über Arbeitskräfte.
In der Praxis bedeutete das, die zentrale Planung bestimmte, wie viele Menschen aus den besetzten Gebieten nach Deutschland deportiert werden sollten, um dort als Zwangsarbeiter in Fabriken und Bergwerken zu schuften. Zwischen 1942 und 1944 nahm Körner an etwa 58 dokumentierten Sitzungen der zentralen Planung teil.

Bei diesen Treffen wurden Entscheidungen getroffen, die überf Millionen Zwangsarbeiter betrafen. Menschen, die aus ihren Heimatländern verschleppt wurden, um unter brutalsten Bedingungen für das Deutsche Reich zu arbeiten. Bei einer Sitzung am 30. Oktober diskutierten die Mitglieder, dass Drückeberger in Konzentrationslager eingewiesen werden sollten.
Körner saß dabei, hörte zu, stimmte zu. Die Reichswerke Hermann Göring unter seiner Aufsicht beschäftigten zeitweise über eine halbe Million Zwangsarbeiter und ab 1942 systematisch Kz Häftlinge. Was trieben Mann an? War es Überzeugung, Karrierismus, blinde Loyalität? Körners eigene Aussagen geben einen erschreckenden Einblick. Am 12.
März 1946 trat er als Verteidigungszeuge für Hermann Göring beim internationalen Militärtribunal in Nürnberg auf. Unter dem Kreuzverhör von Chefankläger Robert Jackson gab Körner offen zu, daß er Göring als das letzte große Beispiel eines Menschen aus der Renaissanceepoche betrachtete. auf die Frage, ob es untreu und illoj, Aussagen gegen seinen früheren Chef zu machen, antwortete er schlicht: Ja, die Loyalität zu Göring stand über allem, über der Wahrheit, über der Moral, über den Millionen Toten.
Mit dem Zusammenbruch des Dritten Reiches endete auch Körners Macht. Er wurde von amerikanischen Truppen festgenommen und zunächst als Zeuge im Hauptkriegsverbrecherprozess gehört. Seine eigene Abrechnung folgte im Ministerialprozess, dem Fall 11 der Nürnberger Nachfolgesse. Vom 6. Januar 1948 bis zum 18.
November 1948 wurde ihm der Prozess gemacht. Die Beweislast war erdrückend. Seine Anwesenheit bei der Hungerplansitzung am 2. Mai 1941 bewies, dass er von Anfang an in die Planung genozidaler Politik eingeweiht war. Seine Rolle in der zentralen Planung dokumentierte seine Mitverantwortung für das Zwangsarbeiterprogramm. Seine Leitung der Enteignungsoperationen im Osten zeigte, dass er aktiv an Kriegsverbrechen teilgenommen hatte.
Am 11. April 1949 verkündete das Gericht sein Urteil schuldig in vier Punkten verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Mitgliedschaft in einer verbrecherischen Organisation. Das Strafmaß: 15 Jahre Haft. Es war die höchste Strafe, die gegen einen der sieben Angeklagten Staatssekretäre verhängt wurde.
Doch die Strafe wurde schnell zur Fars. Am 31. Januar 1951 reduzierte der amerikanische Hochkommissar John J. McCloy das Urteil auf 10 Jahre. Weniger als ein Jahr später, am 16. Dezember 1951 wurde Körner aus dem Kriegsverbrechergefängnis Landsberg entlassen. Er hatte gerade einmal zweieinhalb Jahre abgesessen für die Mitverantwortung am Tod von Millionen Menschen.
Nach seiner Freilassung zog sich Körner nach Tegernsee zurück, einen gehobenen bayerischen Kurort. Er lebte dort mit seiner zweiten Ehefrau, einer plastischen Chirurgin, als Pensionär. Er schrieb keine Memoiren, gab keine Interviews, äußerte sich nie öffentlich zu seiner Vergangenheit. Am 29. November 1957 starb Paul Körner in Tegernsee im Alter von 64 Jahren.
Er wurde nie erneut strafrechtlich verfolgt, musste keine Wiedergutmachung leisten und konnte seine letzten Jahre in Ruhe verbringen. Paul Körner war kein Sadist, kein Mörder mit eigenen Händen. Er war etwas anderes und vielleicht etwas gefährlicheres. ein Schreibtischtäter, der seine administrativen Fähigkeiten in den Dienst eines verbrecherischen Systems stellte.
Er organisierte, koordinierte, verwaltete und ermöglichte dadurch Verbrechen von ungeheurem Ausmaß. Die Hungertoten in der Sowjetunion, die Zwangsarbeiter in deutschen Fabriken, die KZHäftlinge in den Reichswerken. Sie alle waren Opfer einer Maschinerie, die von Männern wie Körner am Laufen gehalten wurde. Seine Geschichte ist eine Mahnung.
Verbrechen gegen die Menschlichkeit brauchen nicht nur fanatische Ideologen und brutale Vollstrecker. Sie brauchen auch effiziente Verwalter, loyale Gefolgsleute, fähige Organisatoren, Männer, die Protokolle schreiben, während Millionen sterben. Männer wie Paul Körner. Wenn dir diese Geschichte gefallen hat, unterstütze den Kanal mit einem Like, abonniere für weitere Biografien aus dem Zweiten Weltkrieg und schreib in die Kommentare, wessen Geschichte als nächstes erzählt werden soll. M.