8. November 1939 21:20 Uhr. Im Münchner Bürgerbruukeller zerreiß eine gewaltige Explosion die tragende Säule direkt hinter dem Rednerpult. Die Decke stürzt ein. Trümmer begraben alles unter sich. Schreie hallen durch den Rauch. Acht Menschen sterben. Bis zu 63 werden verletzt. Doch der Mann, dem diese Bombe galt, sitzt bereits im Sonderzug nach Berlin.

Adolf Hitler hat den Saal 13 Minuten zuvor verlassen. In diesem Moment scheitert das technisch perfekteste Attentat auf den Diktator. Geplant und ausgeführt von einem einzelnen schwäbischen Schreiner, der über 30 Nächte lang im Verborgenen arbeitete, um den Zweiten Weltkrieg zu verhindern. Georg Elsa kommt am vierten Januar 193 in Hermeringen bei Heidenheim zur Welt.
Er wird als unehliches Kind geboren. Seine Eltern, der Holzhändler Ludwig Elsa und Maria Müller, heiraten erst 10 Monate später. Die Familie zieht 1904 nach Königsbronn, wo Georg mit seinen fünf Geschwistern aufwächst. Die Kindheit ist hart. Der Vater trinkt, das Geld ist knapp, Freude selten. Georg muß früh Verantwortung übernehmen.
Er lernt, dass man sich auf niemanden verlassen kann, außer auf sich selbst. Im Herbst 1917 beginnt er eine Lehre als Eisendreher im Hüttenwerk Königsbronn. Doch gesundheitliche Probleme zwingen ihn 1919 zum Abbruch. Er wechselt zur Schreinerlehre bei Robert Sapper und findet dort seine wahre Berufung. Im Frühjahr 1922 besteht er die Gesellenprüfung als Prüfungsbester.
Seine Ausbilder beschreiben ihn als außerordentlich geschickten Handwerker, der auch komplizierteste Gegenstände fertigen kann. Georg Elser ist ein Perfektionist, ein Mann, der mit seinen Händen denkt. In den folgenden Jahren zieht er durch Süddeutschland und die Schweiz, arbeitet in verschiedenen Möbelfabriken und Schreinereien.
Er ist musikalisch begabt, spielt Zitter und später kontrabass. Tritt bei Tanzveranstaltungen auf. Bei Frauen ist er beliebt, seine freundliche Art kommt gut an. Im September 193 wird sein Sohn Manfred geboren. Politisch orientiert er sich links. In Konstanz tritt er 1928 oder 1929, dem roten Frontkämpferbund bei einer Organisation der KPD.
Bisin3 wählt er die Kommunisten, weil er sie für die beste Vertretung der Arbeiterinteressen hält. Doch er ist kein Parteisoldat, kein Ideologe. Er ist ein freier Geist mit einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten verändert alles. Georg Elsa lehnt das neue Regime von Anfang an radikal ab.
Er beachtet NS Demonstrationen nicht. verweigert konsequent den Hitlergruß, nimmt nicht am gemeinschaftlichen Empfang von Hitler reden im Rundfunk teil. Diese Haltung macht ihn zum Außenseiter. Er beobachtet die Gleichschaltung, die Verfolgung politischer Gegner, die Unterdrückung der Meinungsfreiheit. Er sieht, wie die Löhne sinken, die Arbeitszeit steigt, wie Juden gedemütigt und die Kirchen schikaniert werden und er zieht seine Schlüsse.
Für ihn ist klar, dieses Regime führt Deutschland in eine Katastrophe. Im Herbst nach der Münchner Konferenz nach der Annexion Österreichs und der Sudetenkrise fasst Georg Elser seinen Entschluss. Er will Hitler, Göring und Göbbels beseitigen. Nicht aus Hass, nicht aus persönlicher Rache, sondern aus nüchterner Überlegung.
Er erkennt, dass die Westmächte den territorialen Forderungen Deutschlands nachgeben und er weiß, das ist nur ein Aufschub. Ein Krieg ist unvermeidlich. Später wird er bei den Verhören erklären: “Ich bin der Meinung gewesen, durch meine Tat ein noch größeres Blutvergießen verhindern zu können.
Er glaubt, dass nach dem Tod der Führung andere Männer an die Regierung kommen werden, die keine untragbaren Forderungen an das Ausland stellen und für die Verbesserung der sozialen Verhältnisse sorgen werden.” Elsa plant allein ohne Verschwörer, ohne Mitstreiter, ohne Organisation. Ein einfacher Handwerker gegen die Macht des Dritten Reiches.
Er weiß, daß Hitler jedes Jahr am. November im Münchner Bürgerbäukeller spricht, um den gescheiterten Putsch von 1923 zu feiern. Der Termin ist fix, die Zeremonie vorhersehbar. Im August 1939 reist er nach München. Er besucht den Bürgerbäukeller, ist dort, trinkt Bier, studiert die Räumlichkeiten. Niemand beachtet ihn.
Er ist unauffällig, höflich, zurückhaltend. Dann beginnt die eigentliche Arbeit. Über dreißig Nächte lang versteckt sich Georg Else Abend für Abend auf der Galerie des Saes. Er wartet, bis das Lokal um 22:30 Uhr schließt und alle Gäste und Angestellten gegangen sind. Dann kriegt er aus seinem Versteck. Mit einer Taschenlampe, die er mit einem blauen Taschentuch abdämmt, macht er sich an die tragende Säule direkt hinter Hitlers Rednerpult.
Er öffnet die Holzverkleidung, trägt den Putz ab, hühlt das Mauerwerk aus. Nacht für Nacht, Stunde um Stunde, manchmal arbeitet er bis in die frühen Morgenstunden. Um 6:30 Uhr, wenn die Türen wieder geöffnet werden, verlässt er unbemerkt das Gebäude. Den Sprengstoff beschafft er über Monate. Mindestens 250 Presspulverstücke entwendet er bei seinem Arbeitgeber der Heidenheimer Armaturenfabrik Waldenmeier.
Aus dem Steinbruch in Königsbronn besorgt er über 100 Sprengpatronen und Sprengkapseln. Er fertigt die meisten Teile des Sprengkörpers selbst und entwickelt einen mechanischen Zeitzünder mit zwei unabhängigenwerken. Für maximale Sicherheit, für maximale Präzision. Georg Elsa baut eine Bombe wie ein Meisterstück. Am Morgen des 6.
November 1939 stellt er beide Uhrwerke auf den Abend des 8. November ein. In der Nacht vom 7. auf den 8. November führt er die letzte Kontrolle durch. Dann so seine eigenen Worte lässt er damit der Sache ihren freien Lauf. Er verlässt München und macht sich auf den Weg zur Schweizer Grenze.
Er plant nach dem Attentat unterzutauchen und zu überleben. Der 8. November 1939 verläuft anders als geplant. Hitler beginnt seine Rede um 20 Uhr, eine halbe Stunde früher als üblich. Der Grund ist Nebel. Für den nächsten Morgen ist schlechtes Wetter prognostiziert, der geplante Rückflug nach Berlin unmöglich. Hitler muss den Sonderzug nehmen.
Abfahrt 21:31 Uhr. Auch hält er eine kürzere Rede und verläßt den Saal um 21:07 Uhr. Um 21:20 Uhr detoniert die Bombe exakt zur eingestellten Zeit. Die Säule wird zerstört. In großer Teil der Decke stürzt ein. Am Ort von Hitlers Rednerpult entsteht ein Meter hoher Schutthaufen. Acht Menschen sterben, darunter die 30-jährige Aushilfskellnerin Maria Henle, Mutter von zwei kleinen Kindern.
Bis zu werden verletzt, aber Hitler ist in Sicherheit. Zurelben Zeit um 20:45, noch vor der Explosion wird Georg Elsa an der deutschschweizerischen Grenze bei Konstanz festgenommen. Zwei Zollbeamte, darunter Xaver Riger, nehmen ihn bei seinem Fluchtversuch in die Schweiz fest. Bei ihm finden Sie eine Ansichtskarte vom Bürgerbreukeller, ein Abzeichen des roten Frontkämpferbundes, Aufzeichnungen über Rüstungsproduktionen und Teile des Zeitzünders.
Als die Nachricht von der Explosion in München eintrifft, wird klar, das ist der Attentäter. Die Verhöre beginnen am 9. November in München und werden zwischen dem 19. und 23. November in Berlin fortgesetzt. im Reichsicherheitshauptamt in der Prinz Albrechtstraße die Verhöre dauern bis zu 15 Stunden. Elsa wird mehrfach misshandelt und geschlagen.
Auf Gestapo Fotos sind deutliche Folterspuren an seinem linken Auge sichtbar. Seine Schwester Marie sieht bei einer Gegenüberstellung die Spuren der Schläge in seinem Gesicht, denn auch die Familie wird verhaftet. Mutter, Vater, alle Geschwister. Sie werden nach Berlin gebracht und von Gestapochef Heinrich Müller persönlich verhört.
Die Gestapo glaubt zunächst nicht, dass ein einfacher Schreiner ein solches Attentat allein geplant haben kann. Sie vermuten britische Geheimdienste, kommunistische Netzwerke, eine große Verschwörung. Doch in der Nacht vom 13. auf den 14. November legt Elsa ein ausführliches Geständnis ab. Der Auslöser sein seit Oktober entzündetes Knie.
Die Ermittler erkennen darin den Beweis, dass der Täter kniend gearbeitet hat. Elsa gesteht alles. Ruhig, detailliert, ohne Reue. Er erklärt die Konstruktion der Bombe, die Planung, die Durchführung. Und er betont immer wieder, er hat allein gehandelt. Er wollte den Krieg verhindern. Hitler will keinen Prozess.

Er will Elsa nicht zum Meert machen. Stattdessen läßt er ihn als Sonderhäftling des Führers wegsperren. Reserviert für einen Schauprozess nach dem Endsieg. Ab 1940 sitzt Elsa im KZ Sachsenhausen in Einzelhaft. Die Bedingungen sind paradox. Er erhält eine geräumige Zelle mit einer Hobelbank für Tischler arbeiten.
Er darf kleinere Möbelstücke für seine Bewacher fertigen und baut sich sogar eine Zitter, auf der er manchmal spielt. Doch er ist völlig isoliert. Keinerlei Kontakt zu anderen Gefangenen. Tag und Nacht bewacht von mindestens zwei SS Männern. Ursprünglich ein durchaus geselliger Mensch muß Georg Elsa mehr als fünf Jahre in völliger Isolation leben.
Anfang 1945, vermutlich im Februar, wird er ins KZ Dachau verlegt. In den Kommandanturarrest. Auch dort einzelhaft, schwer bewacht mit Hobelbank und Zitter. Elsa ahnt, dass er das Kriegsende nicht erleben wird. Er äußert mehrfach Besorgnis. Am 5. April 1945 unterzeichnet Heinrich Müller, Chef der geheimen Staatspolizei, einen schriftlichen Befehl auf Weisung von höchster Stelle.
Die höchste Stelle bedeutet Hitler oder Himmler persönlich. Am 9. April 1945, wenige Wochen vor Kriegsende wird Georg Elsa am Abend in der Nähe des alten Krematoriums von SS. Oberscharführer Theodor Bongardz erschossen. Seine Leiche wird unmittelbar mit allen Kleidern verbrannt und am nächsten Tag vollständig eingeäschert.
Georg Elsa hat kein Grab. Offiziell heißt es, er sei bei einem Luftangriff ums Leben gekommen. Die Wahrheit kommt erst Jahre später ans Licht. Die Nazipropaganda hatte Elsa als Werkzeug des britischen Geheimdienstes dargestellt. Diese Lüge war so erfolgreich, dass viele Deutsche ihr bisweit in die 1960er Jahre glaubten.
Selbst nach dem Krieg wurde Elsa diffiert. Der Kirchenpräsident Martin Möller behauptete 1946, Elsa sei SS Unterscharführer gewesen und habe auf Hitlers persönlichen Befehl gehandelt. Eine dreiste Lüge, die Elsas Mutter verbittert kommentierte. Einer, der nicht mehr am Leben ist, kann sich nicht mehr verteidigen. Da kann man ruhig noch mehr auf ihn abladen.
Erst Mitte der 1960er Jahre fand der Historiker L Gruchmann Elsers Verhörprotokolle. Sie gelten bis heute als der wichtigste Zugang zum Denken und Handeln dieses außergewöhnlichen Mannes. 1984 schrieb Gruchmann: “Elsa war weder ein von krankhafter Ruhmsucht, noch von niedrigen Tötungsinstinkten getriebener Krimineller.
Seine Motive berechtigen vielmehr, ihn unter die Männer des deutschen Widerstands gegen das NS-Rime einzureihen. Doch warum dauerte Anerkennung so lange? Elsa paßte in kein Schema. Er wählte kommunistisch, folgte aber keiner Parteilinie. Er war Christ, engagierte sich aber nicht in der Amtskirche. Er war weder konservativ noch bürgerlich liberal.
Sein Bruder Leonhard brachte es auf den Punkt, man gönnt ihm seine Tat nicht, dem kleinen Bauernbuben. Der Gestapoamte Arthur Nebe prophezeite bereits 1941. Den Schweigen sie tot. Der Mann wollte einfach nicht den Krieg. Gerade deswegen werden deine feinen Leute nichts von ihm wissen wollen, auch nicht hinterher. Der passt nicht zu ihnen.
Georg Elsa hat versucht, die Geschichte zu ändern. Fast 5 Jahre vor dem 20. Juli 1944, vor Staufenbergs Attentat, handelte er allein und ohne jede Unterstützung. Er war kein Offizier, kein Aristokrat, kein Mitglied der Elite. Er war ein einfacher Arbeiter mit außergewöhnlichem Mut, außergewöhnlichem Können und außergewöhnlicher Weitsicht.
Und er scheiterte um 13 Minuten. Heute gilt Georg Elsa als einer der konsequentesten Gegner der NSD. Als der Mann, der dem Ziel Hitler zu töten, denkbar nahe gekommen ist. Seine Alleintäterschaft kann nicht mehr angezweifelt werden. Er handelte aus tiefer Überzeugung, aus moralischer Klarheit, aus Verantwortungsgefühl für Millionen Menschen, die er nicht kannte.
Ein stiller, unscheinbarer, aber entschlossener Held. Ein Mann, der nicht wegsah, nicht schwieg, nicht gehorchte, ein Mann, der sein Leben gab, um das Richtige zu tun. Wenn dir diese Geschichte gefallen hat, unterstütze den Kanal mit einem Like. Abonniere für weitere Biografien aus dem Zweiten Weltkrieg und schreib in die Kommentare, wessen Geschichte als nächstes erzählt werden soll. M.