Echos der Finsternis. Hamburg September 1949. Der Anwalt Friedrich Bachmann sitzt in seinem Büro in der Mönkebergstraße und starrt ungläubig auf die sechs Dokumente, die vor ihm auf dem schweren Eichentisch ausgebreitet liegen. Draußen rebilden die Hamburger ihre zerstörte Stadt. Doch in diesem Moment interessiert ihn nur das versiegelte Kuver, das er soeben geöffnet hat. Die Handschrift ist zittrig, aber bestimmt.
Datt auf den 15. Juni 1949, nur Stunden bevor die Verfasserin starb. Was er dort liest, lässt ihn innerhalten. Zwei Frauen, 38 Jahre. Eine rechtliche Konstruktion so präzise und durchdacht, dass selbst er als erfahrener Jurist sie zunächst nicht vollständig durchschaut. Margarete Schröder und Emilie Vogel.

Namen, die ihm nichts sagen, doch deren Geschichte die Grenzen dessen sprengt, was in dieser konservativen Hansestadt jemals möglich schien. Die beiden Familien, die nun in seinem Büro auf die Verlesung des Testaments warten, ahnen nichts von der Komplexität der Angelegenheit. Sie erwarten eine simple Erbschaftsaufteilung, vielleicht einige Streitigkeiten um Möbel oder Schmuck.
Doch was Bachmann in seinen Händen hält, ist weit mehr als das. Es ist das Vermächtnis zweier Frauen, die über fast vier Jahrzehnte hinweg ein unsichtbares Reich aufbauten, sich legal so eng miteinander verflochten, dass keine Macht der Welt sie hätte trennen können. Sechs Dokumente, erstellt über 38 Jahre. Jedes einzelne ein Meisterwerk juristischer Präzision, ein Gesellschaftsvertrag aus 1911, gegenseitige Vollmachten aus 1918, wechselseitige Testamente aus 1924, eine Schenkung unter Lebenden aus 1933, ein komplexer Darlehensvertrag aus 1939
und schließlich dieser Brief, der alles erklärt. Bachmann weiß in diesem Moment, diese Geschichte wird das Hamburger Gericht noch lange beschäftigen. Bevor wir in diese außergewöhnliche Geschichte eintauchen, abonniert den Kanal und hinterlasst einen Daumen nach oben und schreibt in die Kommentare, was ihr glaubt, was das Inventar dieser beiden Frauen offenbarte.
Welches Geheimnis verbarg sich hinter 38 Jahren gemeinsamen Lebens in einer Zeit, die solche Verbindungen niemals dulden würde. Eure Theorien interessieren mich brennend. 1910 Der Hamburger Hafen war das pulsierende Herz einer Stadt, die sich selbst als Tor zur Welt verstand. Zwischen den Kränen und Lagerhäusern, wo tag für Tag tausende Männer schufteten, ereignete sich an einem nebligen Oktobermorgen ein Unglück, das Leben der 32-jährigen Margarete Schröder für immer verändern sollte.
Ihr Ehemann Paul, ein Hafenarbeiter, wurde von einer sich lösenden Ladungskette erfasst und starb noch am Unfallort. Margarete, die keine Kinder hatte und in einer kleinen Wohnung in Altona lebte, stand plötzlich allein da. Die bescheidene Witwinrente und eine kleine Erbschaft von 2000 Mark waren alles, was ihr blieb. Doch schlimmer als die finanzielle Unsicherheit war der Druck, den Pauls Familie auf sie ausübte.
Sein älterer Bruder Hermann erschien bereits eine Woche nach der Beerdigung und machte unmissverständlich klar. Entweder sie heirate erneut innerhalb der Familie, am besten seinen verwittwten Cousin, oder sie solle das Erbe anständigerweise an die rechtmäßigen Schröders zurückgeben. Margarete war eine Frau von stiller Entschlossenheit.
Sie hatte zehn Jahre lang als Hutmacherin gearbeitet, bevor sie Paul heiratete und verfügte über ein feines Gespür für Menschen und ihre Absichten. Die Art, wie Hermanns Blick über ihren Körper wanderte, die suffisanten Bemerkungen über ihre Verpflichtungen. Sie verstand sehr genau, worum es wirklich ging.
In den Wochen nach Pauls Tod entwickelte sie eine Routine. Morgens spazierte sie zum Fischmarkt. Nachmittags saß sie in einem kleinen Cffeée in der großen Bergstraße, wo sie bei einer Tasse Ersatzkaffee über ihre Zukunft nachdachte. Es war an einem dieser grauen Novembernachmittage, als eine Frau mittleren Alters sich an ihren Tisch setzte.
Das Kaffee war voll, alle anderen Plätze besetzt. “Gestatten Sie?”, fragte die Fremde höflich und Margarete nickte stumm. Die Frau war etwa vierzig Jahre alt, trug ein einfaches, aber gepflegtes dunkles Kleid und hatte diesen bestimmten direkten Blick, den Margarete bei Frauen schätzte, die gelernt hatten, sich selbst durchs Leben zu bringen.
“Emilie Vogel”, stellte sich die Frau vor, nachdem sie ihre Bestellung aufgegeben hatte. Ich habe Sie hier schon öfter gesehen. Verzeihen Sie meine Direktheit, aber Sie tragen Trauerkleidung und haben diesen Ausdruck von jemandem, der wichtige Entscheidungen treffen muss.
Margarete war zunächst irritiert von dieser Offenheit, doch etwas in Emilies Stimme war ehrlich, ohne jede Falschheit. So begann ein Gespräch, das sich über 3 Stunden erstreckte. Emilie erzählte von ihrem Leben als Gouvernante, 15 Jahre im Dienst wohlhabender Familien, immer korrekt, immer unsichtbar, immer allein.
Sie hatte gespart, jeden Pfennig zusammengehalten, denn sie wusste, eine Frau ohne Familie braucht Geld, um zu überleben. 5000 Mark hatte sie angespart, ein kleines Vermögen für eine Gouvernante. Doch sie war müde. müde davon, in fremden Häusern zu leben, fremde Kinder zu erziehen, während ihre eigenen Jahre verstrichen. “Ich will etwas eigenes”, sagte sie leise, “Einen Ort, der mir gehört, wo niemand mir sagen kann, ich müsse gehen.
” Margarete hörte zu und spürte eine seltsame Vertrautheit. Auch sie wollte Unabhängigkeit, wollte nie wieder von der Gnade einer Familie abhängig sein. Als Emilie erwähnte, sie habe von einer Pension in St. Pauli gehört, die zum Verkauf stehe, 8000 Mark, ein heruntergekommenes Haus mit 12 Zimmern, geschah etwas Unerwartetes. “Wir haben zusammen 7000 Mark”, sagte Margarete langsam mit “Mit einem Kredit von 1000 Mark.” Sie stockte, überrascht von ihrer eigenen Kühnheit, doch Emily lächelte.
Es war kein gewöhnliches Lächeln, sondern eines, das Verständnis und Hoffnung zugleich ausdrückte. Dann sollten wir uns diese Pension morgen ansehen, antwortete sie. In diesem Moment, in diesem überfüllten Café in Altuna, wurde der Grundstein für etwas gelegt, das beide damals noch nicht benennen konnten.
Es war der Beginn einer Partnerschaft, die alle gesellschaftlichen Konventionen ihrer Zeit herausfordern würde. Die Pension in der Davidstraße war tatsächlich heruntergekommen. Feuchte Flecken an den Wänden, kaputte Fensterläden, ein Hof voller Gerümpel. Doch beide Frauen sahen das Potenzial.
Die Lage war gut, in Hafennähe, wo ständig Arbeiter und Matrosen Unterkünfte suchten. Die Zimmer waren geräumig, die Struktur des Hauses solide. Der Verkäufer, ein alter Mann namens Petersen, dessen Frau gestorben war, schaute skeptisch, als zwei Frauen ohne männliche Begleitung vor ihm standen.

“8000 Mark auf die Hand”, sagte er, “nden beider Käuferinnen im Kaufvertrag sehen.” Emilie und Margarete wechselten einen Blick. Es war ungewöhnlich, daß zwei unverheiratete Frauen gemeinsam eine Immobilie erwarben. Doch Petersen schien es gleichgültig. “Mir ist es egal, wer hier einzieht”, brummte er. “Huptsache, das Geld stimmt und ihr macht keine Bordellwirtschaft draus.
Hamburg hat genug davon.” Am 12. Januar 1911 wurde der Kaufvertrag unterzeichnet. Margarete Schröder und Emilie Vogel zugleichen Teilen Eigentümerinnen einer Pension in St. Pauli Niemand ahnte damals, dass dies nur das erste von vielen Dokumenten sein würde, die diese beiden Frauen über die nächsten Jahrzehnte miteinander verbinden sollten. Die ersten Monate waren von harter Arbeit geprägt.
Margarete und Emilie reparierten, strichen, putzten. Emilie, die als Gouvernante gelernt hatte, einen Haushalt zu führen, übernahm die Organisation. Margarete mit ihrem Geschäftssinn aus der Hutmacherei kümmerte sich um die Finanzen und die Akquise von Mietern. Sie stellten klare Regeln auf, die Pension würde nur an anständige arbeitende Männer vermietet werden.
Keine betrunkenen, keine Prostituierten, keine zwielichtigen Gestalten. Die Miete betrug fünf Mark pro Woche, inklusive Frühstück und Abendessen. Bis Mai hatten sie acht von zwölf Zimmern vermietet, hauptsächlich an Hafenarbeiter und Handwerker. Das Geld war knapp, doch es reichte zum Überleben. Was jedoch schneller wuchs als ihr Einkommen, war ihre gegenseitige Abhängigkeit.
Margarete bewunderte Emilyses Ruhe und Weitsicht. Emily schätzte Margaretes Entschlossenheit und Mut. Sie teilten sich die Arbeit, die Sorgen, die seltenen Erfolgsmomente und sie begannen etwas anderes zu teilen. Eine Nähe, die weit über Geschäftspartnerschaft hinausging. Im Herbst 1911 geschah etwas, das ihre Beziehung auf eine neue rechtliche Grundlage stellte.
Ein betrunkener Mieter hatte versucht, Margarete auf der Treppe zu bedrängen. Emilie hatte ihn mit einem Besenstil vertrieben und ihn noch in derselben Nacht vor die Tür gesetzt. Doch der Vorfall machte ihnen bewusst, wie verletzlich sie waren. Zwei Frauen allein in einem Haus voller Männer. Am nächsten Tag suchten sie einen Notar auf. Der alte Dr.
Meisner in der Mönkebergstraße empfing seinem verstaubten Büro. “Wir möchten einen Gesellschaftsvertrag aufsetzen lassen”, erklärte Emilie. Wir führen gemeinsam eine Pension und möchten festlegen, dass im Falle des Todes einer von uns die andere automatisch alleinige Eigentümerin wird. Meisner runzelte die Stirn. Das ist ungewöhnlich für zwei Damen ohne verwandtschaftliche Beziehung, sagte er vorsichtig. Doch Margarete blieb fest.
Wir sind Geschäftspartnerinnen. Wenn einer von uns etwas zustößt, muss die andere abgesichert sein. Sonst würden fremde Erben den Betrieb zerstören. Die Logik war unwiderlegbar. Am 15. November 1911 wurde der Vertrag unterzeichnet. Er enthielt Klauseln, die weit über einen normalen Gesellschaftsvertrag hinausgingen.
Gegenseitige Begünstigung, gemeinsame Haftung, Unauflöslichkeit ohne beidseitige Zustimmung. Die Jahre bis 1914 waren die Zeit des Aufbaus. Die Pension zur Davidstraße, wie sie schlicht genannt wurde, entwickelte sich zu einer respektierten Adresse. Margarete führte ein strenges Regiment. Sauberkeit war Pflicht. Lärm nach 22 Uhr verboten.
Frauenbesuche nur im Erdgeschoss erlaubt. Diese Regeln machten ihre Pension bei soliden Arbeitern beliebt. Stammgäste empfahlen sie weiter. Bis 1914 waren alle zwölf Zimmer dauerhaft vermietet mit einer Warteliste von fünf weiteren Interessenten. Das Einkommen erlaubte es ihnen den Kredit zurückzuzahlen und erste Rücklagen zu bilden. Doch was die Nachbarn zunehmend bemerken, war die Art ihrer Beziehung.
Frau Henkel aus dem Nachbarhaus beobachtete, wie die beiden jeden Abend nach getaner Arbeit zusammen am Küchenfenster saßen und sich leise unterhielten. Herr Paulsen, der Gemüsehändler, bemerkte, wie sie stets zusammen einkaufen ging, ihre Bewegungen aufeinander abgestimmt wie ein eingespieltes Paar.
Die Witwe Kortmann, die schräg gegenüber wohnte, tuschelte mit anderen Frauen. Unnatürlich ist das. Zwei Frauen, die so eng zusammenleben. Keine von beiden sucht einen Mann. Was soll man davon halten? Margrete und Emilie waren sich der Blicke bewußt. In den wenigen Momenten, die sie für sich hatten, spät abends nach der Arbeit sprachen sie darüber.
Die Leute reden sagte Margerete eines Nachts im Februar 1914. Sie saßen in der kleinen Küche, nur von einer Petroleumlampe beleuchtet. Emilie nickte langsam. Sie werden immer reden. Frauen wie wir. Wir passen nicht in ihre Vorstellung von der Welt. Es war das erste Mal, daß sie es so direkt aussprachen. Frauen wie wir. Was genau das bedeutete, wagten sie nicht laut zu sagen.
Nicht einmal hier in ihren eigenen vier Wänden. Doch sie beide wussten es. Die Art, wie Margaretes Hand sich unwillkürlich nach Emilies ausstreckte, wenn sie besorgt war. Die Art, wie Emilies Blick an Margarete hing, wenn diese nicht hinsah. Die Tatsache, dass sie ihre beiden kleinen Schlafzimmer im obersten Stock hatten, nebeneinander und dass nachts manchmal leise Schritte zu hören waren, eine Tür, die sich öffnete und schloss.
Sie sprachen nicht darüber, konnten nicht darüber sprechen. Doch die Nähe war da, unbestreitbar und gefährlich. Der Sommer 1914 brachte Unruhe nach Hamburg. Gerüchte von Krieg erfüllten die Straßen. Die Mieter diskutierten abends über Politik, über den Kaiser, über die Spannungen in Europa. Als Ende Juli die Nachricht kam, dass der Krieg begonnen hatte, herrschte zunächst eine seltsame Euphorie.
“Zu Weihnachten sind wir wieder da”, sagten die jungen Männer. Doch Emilie, die in ihrer Zeit als Gouvernante viel gelesen hatte, war weniger optimistisch. Kriege sind nie kurz”, sagte sie zu Margarete. “Und sie treffen immer die falschen. Sie sollte recht behalten. Bereits im Herbst merkten sie die ersten Auswirkungen. Drei ihrer Mieter wurden eingezogen. Neue zu finden war schwierig.
Die meisten jungen Männer waren an der Front. Doch paradoxerweise brachte der Krieg ihnen auch einen unerwarteten Vorteil. In der allgemeinen Aufregung und Sorge achtete niemand mehr darauf, wie zwei Frauen zusammenlebten. Wichtigere Probleme beschäftigten Hamburg und so, während Europa in Flammen aufging, festigten Margarete und Emilie ihre Position.
Sie passten sich an, überlebten und planten bereits den nächsten Schritt in ihrer rechtlichen Absicherung. Der Erste Weltkrieg veränderte Hamburg grundlegend. Die stolze Hafenstadt, gewohnt an internationalen Handel und Wohlstand, l unter der britischen Seeblockade. Lebensmittel wurden rationiert, die Winter kalt und hungrig. Doch für Margarete und Emily brachte der Krieg auch eine paradoxe Form der Freiheit.
Die gesellschaftlichen Konventionen lockerten sich aus purer Notwendigkeit. Frauen mussten arbeiten, Geschäfte führen, Entscheidungen treffen, Dinge, die zuvor Männern vorbehalten waren. Ihre Pension wurde zu einem Zufluchtsort für eine neue Art von Mietern.
Kriegswen, die ein billiges Zimmer brauchten, während sie in Fabriken arbeiteten. Ältere Hafenarbeiter, die für die Heimatfront unabkömmlich waren. Verwundete, die aus den Lazaretten entlassen wurden und keine Familie hatten. Margarete und Emilie stellten keine Fragen. Sie nahmen die Menschen auf, die Hilfe brauchten und verlangten nur, was diese zahlen konnten.
Im Winter 1917, dem härtesten Winter des Krieges, geschah etwas, das ihre Beziehung weiter vertiefte. Emilie erkrankte schwer an einer Lungenentzündung. Es gab keine Medikamente, keine Ärzte verfügbar. Alles war für die Front reserviert. Margarete pflegte sie drei Wochen lang, Tag und Nacht. Sie hielt ihre Hand, als Emilie im Fieber lag und wirres Zeug redete.
Sie besorgte auf dem Schwarzmarkt Kohle zum Heizen, tauschte ihre eigenen Lebensmittelmarken gegen Fleischbrühe. Die Mieter berührt von dieser Hingabe halfen, wo sie konnten. Frau Beckmann, eine Witwe im zweiten Stock, saß nachtswache, damit Margarete ein paar Stunden schlafen konnte.

Herr Wolters, ein alter Schiffszimmermann, reparierte das undichte Fenster in Emilies Zimmer. Als Emilie nach einem Monat endlich wieder auf den Beinen war, waren beide Frauen sich bewußt, wie sehr sie aufeinander angewiesen waren. Nicht nur geschäftlich, nicht nur als Mitbewohneren, sondern auf eine Weise, die sie niemals öffentlich benennen konnten.
Im Frühjahr 1918, als sich das Ende des Krieges abzeichnete, trafen sie eine weitere weitreichende Entscheidung. Sie suchten erneut Dr. Meisner auf, der mittlerweile sehr alt geworden war. Wir möchten gegenseitige Vollmachten ausstellen lassen, erklärte Margarete. Umfassend, eine Jede soll für die andere in allen rechtlichen, finanziellen und persönlichen Angelegenheiten handeln können. Meisner, der die beiden über die Jahre kennengelernt hatte, nickte verständig.
Er war ein Mann der alten Schule, aber nicht ohne Weisheit. Er sah, wie diese beiden Frauen überlebt hatten, während so viele andere zerbrochen waren. “In Ordnung”, sagte er. Ich werde die Dokumente aufsetzen, aber ich rate Ihnen, seien Sie vorsichtig. Die Menschen verstehen nicht immer ungewöhnliche Arrangements. Am 12. Mai 1918 wurden die Vollmachten unterzeichnet und notariell beglaubigt.
Von diesem Tag an konnte jede von ihnen im Namen der anderen Verträge schließen, Konten eröffnen, medizinische Entscheidungen treffen. Sie waren rechtlich so eng verknüpft wie ein Ehepaar, ohne je als solches anerkannt zu werden. Die Nachkriegszeit brachte neue Herausforderungen.
Die Revolution von 1918, der Sturz des Kaiserreichs, die Ausrufung der Republik. Hamburg erlebte turbulente Monate. Doch Margarete und Emilie hielten sich aus der Politik heraus. Sie führten ihre Pension, nahmen weiterhin Menschen auf, die Hilfe brauchten und bauten langsam ihre Ersparnisse wieder auf.
Was sich in diesen Jahren jedoch entwickelte, war ein System von Codes und Routinen, das ihre wahre Beziehung vor der Außenwelt verbarg. Sie nannten einander in der Öffentlichkeit stets Frau Schröder und Frau Vogel nie bei Vornamen. Sie hatten getrennte Schlafzimmer, deren Türen tagsüber offen standen. Sie sprachen von sich als Geschäftspartnerinnen und Freundinnen. Begriffe, die Nähe suggerierten, aber nichts Verbotenes.
Doch nachts, wenn das Haus schlief, wenn die Petroleumlampen gelöscht waren und nur das Knarren der alten Holzdielen zu hören war, dann lebten sie die Wahrheit ihrer Beziehung. Still, heimlich, in ständiger Angst vor Entdeckung.
Ein Vorfall im Herbst 1919 machte ihnen deutlich, wie berechtigt diese Angst war. Ein neuer Mieter, Herr Gruber, ein zurückgekehrter Soldat mit verbittertem Gemüt, hatte eines Nachts zu viel getrunken. Er hatte gesehen, wie Margarete aus Emilys Zimmer kam, früh am Morgen. Beim Frühstück machte er eine anzügliche Bemerkung. Interessant, wie eng manche Geschäftspartnerinnen zusammenarbeiten.
Die Stille am Tisch war erdrückend, doch bevor Margarete reagieren konnte, stand Frau Beckmann auf, die Witwe, die während Emilies Krankheit geholfen hatte. “Herr Gruber”, sagte sie mit eisiger Stimme. “In diesem Haus respektieren wir einander. Wenn Ihnen das nicht passt, können Sie gehen.” Andere Mieter murmelten zustimmend.
Gruber zog eine Woche später aus, doch der Vorfall hatte Margarete und Emilie erschreckt. Sie wurden noch vorsichtiger. Emilie begann Kopfschmerzen vorzutäuschen, wenn Margarete nachts zu ihr kam, damit sie helfen konnte. Margarete erfand Albträume vom Krieg, die Emilie beruhigen musste.
Sie entwickelten eine ganze Mythologie plausibler Ausreden, ein Netz aus kleinen Lügen, das ihre große Wahrheit verbergen sollte. So lebten sie zwischen Liebe und Angst. zwischen dem Glück ihrer gemeinsamen Nächte und der ständigen Wachsamkeit ihrer Tage. Die 20er Jahre brachten Deutschland einen kulturellen Aufbruch und Hamburg als weltoffene Hafenstadt bekam davon mehr ab als viele andere Orte.
Die Weimarer Republik mit all ihren politischen Problemen brachte auch neue Freiheiten. In den Künstlervierteln der Stadt entstanden Kabaretts und Caféses, in denen Menschen offener über Dinge sprachen, die zuvor undenkbar gewesen waren. Für Margarete und Emilie, nun in ihren 40ern und frühen 50ern, war es eine Zeit relativer Entspannung. Die Pension florierte.
Die Deutsche Wirtschaft erholte sich nach der Inflation von 1923 und mit ihr wuchs die Nachfrage nach bezahlbaren Unterkünften. Sie hatten mittlerweile einen ausgezeichneten Ruf. Sauber, ordentlich, mit fairen Preisen und respektvollem Umgang. Ihre Warteliste umfasste zeitweise über 20 Namen. Im Jahr 1924 geschah etwas Bemerkenswertes. Das Haus neben ihrer Pension kam zum Verkauf. Es war kleiner, nur sechs Zimmer.
aber in gutem Zustand. Der Preis 5000 Mark. Margarete und Emily hatten über die Jahre fleißig gespart und klug investiert. Sie besaßen mittlerweile 10 000 Mark an Ersparnissen. Nach langen nächtlichen Gesprächen entschieden sie sich zum Kauf. Das zweite Haus würde ihnen nicht nur mehr Einkommen bringen, sondern auch ein wichtiges Symbol sein. Sie waren keine armen Frauen mehr, die ums Überleben kämpften.
Sie waren Geschäftsfrauen mit wachsendem Vermögen. Der Notar, diesmal ein jüngerer Mann namens Dr. Bernstein, war beeindruckt von ihrer Finanzplanung. “Zwei Damen, die so erfolgreich wirtschaften, das sieht man selten”, sagte er anerkennend. Beim Kauf des Zweiten Hauses gingen sie noch einen Schritt weiter.
Sie ließen beide Immobilien rechtlich als gemeinschaftliches Eigentum zu jezig eintragen. Mit dem Zusatz mit gegenseitigem Vorkaufsrecht und Niesbrauchrecht. Es war eine weitere Schicht in ihrer rechtlichen Verflechtung. Doch der wichtigste rechtliche Schritt kam im Dezember 1924. Sie ließen wechselseitige Testamente aufsetzen. Jede setzte die andere als Alleinerbin ein.
Sollte eine von ihnen sterben, würde die Überlebende alles erben. Beide Häuser, alle Ersparnisse, alle Möbel und persönlichen Gegenstände. Dr. Bernstein, der mittlerweile ihre Situation gut verstand, formulierte das Testament so, dass es juristisch unanfechtbar war. Er fügte Klauseln hinzu, die mögliche Anfechtungen durch Familienmitglieder erschwerten.
Ausdrückliche Enterbung aller anderen potenziellen Erben, detaillierte Begründungen der Erbfolge basierend auf jahrzehntelanger Geschäftspartnerschaft und gegenseitiger Unterstützung und eine Schiedsklausel, die eventuelle Streitigkeiten einem neutralen schlichter zuweisen würde.
“Ich mache das nicht oft”, sagte Bernstein, als er ihnen die Dokumente übergab, “aber ich sehe, dass Sie beide etwas dauerhaftes aufgebaut haben. sollte geschützt werden. Margarete und Emilie verließen sein Büro mit dem Wissen, dass sie nun rechtlich so abgesichert waren, wie es in ihrer Situation möglich war. Die späten 20er waren auch kulturell eine wichtige Zeit für sie.
Emilie, die immer belesen gewesen war, begann sich für die wachsende Frauenbewegung zu interessieren. Sie las heimlich Zeitschriften wie die Freundin, die sich an unverheiratete, unabhängige Frauen richtete. Sie erfuhr von Salons und Treffen, bei denen Frauen, wie sie sich austauschen konnten.
Hamburg hatte eine kleine diskrete Szene solcher Frauen, Künstlerinnen, Lehrerinnen, Geschäftsfrauen, die auf ihre Art zusammenlebten. Emilie und Margarete wagten sich gelegentlich zu kulturellen Veranstaltungen, wo sie andere Frauen trafen, die ihnen ähnlich waren. Nie wurde direkt gesprochen über das, was sie verband, doch die Blicke, das Verständnis, die kleinen Gesten, sie alle sagten genug. Es war das erste Mal, dass sie sich nicht vollkommen allein fühlten mit ihrer Situation.
Sie lernten Käte und Hildegard kennen, zwei Lehrerinnen, die seit 20 Jahren zusammenwohnten. Gertrud und Martha, die gemeinsam ein Stoffgeschäft führten. Diese Bekanntschaften blieben oberflächlich. Man traf sich bei Kunstausstellungen oder Lesungen, tauschte höfliche Worte, mehr nicht.
Doch allein das Wissen, dass es andere gab, war tröstlich. Doch selbst in dieser relativ liberalen Phase blieben Vorsicht und Geheimhaltung oberste Priorität. Margarete und Emilie entwickelten ihre Tarnung weiter. Sie traten einem Frauenverein bei, der sich um Kriegswittwen kümmerte, eine respektable Aktivität, die ihre Reputation stärkte.
Sie spendeten für wohltätige Zwecke und wurden in der Gemeinde als die beiden tüchtigen Pensionsbesitzerinnen bekannt. Margarete ließ sich sogar gelegentlich von Herrn Wolters, dem alten Schiffszimmermann, der noch immer bei ihnen wohnte, zu Geschäftstreffen begleiten.
Ein respektabler, älterer Herr an ihrer Seite ließ sie weniger verdächtig erscheinen. Emilie pflegte Kontakte zu den Frauen der Nachbarschaft, half bei Krankheiten, verlie Küchengeräte. Sie bauten sich ein Bild in der Öffentlichkeit auf. Zwei unverheiratete Frauen, die aus wirtschaftlicher Notwendigkeit zusammenlebten und arbeiteten, aber ansonsten völlig konventionell und anständig waren.
Dass niemand ihr Schlafzimmer betreten hatte seit Jahren, dass ihre persönlichen Räume im obersten Stock für Besucher tabu waren. Das fiel niemandem auf. Und so lebten sie weiter, prosperierend und vorsichtig, ihre Liebe versteckt, hinter der Fassade bürgerlicher Respektabilität. Der Börsenkrach von erschütterte die Weltwirtschaft und seine Auswirkungen erreichten Hamburg mit voller Wucht im Jahr 1930. Die goldenen Jahre waren vorbei. Arbeitslosigkeit stieg dramatisch.
Der Hafen lag teilweise still und überall in der Stadt sah man Männer, die verzweifelt nach Arbeit suchten. Für Margarete und Emilie bedeutete dies zunächst finanzielle Sorgen. Mehrere ihrer Langzeitmieter verloren ihre Jobs und konnten die Miete nicht mehr zahlen. Sie reagierten mit Pragmatismus und Menschlichkeit.
Sie senkten die Preise, erlaubten Ratenzahlungen, nahmen sogar Arbeitsleistung als Teil der Miete an. Herr Fischer reparierte dafür das Dach. Frau Meyer übernahm die Wäsche, doch die wahren Ersparnisse, die sie über 15 Jahre aufgebaut hatten, 20.000 Mark in verschiedenen Anlageformen, sicherten ihr Überleben.
Während um sie herum Geschäfte schlossen und Menschen ihr gesamtes Vermögen verloren, konnten sie durchhalten. Doch die wirtschaftliche Krise brachte etwas weitaus gefährlicheres als Geldsorgen. Politische Radikalisierung. Hamburg, traditionell eine sozialdemokratische Hochburg, wurde zum Schlachtfeld zwischen Kommunisten, Sozialdemokraten und einer wachsenden rechten Bewegung.
Die Straßen waren gefüllt mit Propagandaplakaten, Demonstrationen, manchmal auch Gewalt. Margarete und Emilie versuchten sich herauszuhalten. Sie hängten keine politischen Fahnen auf, nahmen an keinen Versammlungen teil, sprachen nicht über Politik. Doch eine neue Art von Mieter begann aufzutauchen.
Junge Männer in braunen Uniformen, die in die Pension kamen und Fragen stellten. Wer wohnt hier? Gibt es Kommunisten, Juden? Unerwünschte Elemente? Margarete entwickelte eine Strategie der höflichen Neutralität. Wir führen eine anständige Pension. Unsere Mieter sind arbeitende Menschen. Mehr kann ich nicht sagen. Es funktionierte vorerst.
Doch beide Frauen spürten, daß sich die Atmosphäre in Deutschland veränderte und zwar nicht zum besseren. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 war für Hamburg ein Schock, auch wenn die Partei hier nie so stark war wie anderswo. Doch die neuen Machthaber machten schnell klar, was sie von Abweichungen hielten. Im Frühjahr 1933 wurden die ersten Rattien durchgeführt.
Lokale, in denen sich homosexuelle Männer trafen, wurden geschlossen. Menschen wurden verhaftet, öffentlich bloßgestellt. Die Zeitschriften, die Emily heimlich gelesen hatte, verschwanden über Nacht. Die Freundin wurde verboten. Ihre Redakteurinnen mussten fliehen oder untertauchen.
Käte und Hildegard, die beiden Lehrerinnen, die sie kannten, wurden aus dem Schuldienst entlassen, offiziell wegen moralischer Verfehlungen. Niemand sprach es direkt aus, aber jeder verstand. Margarete und Emilie trafen eine schwere Entscheidung. Sie verbrannten alle persönlichen Briefe, alle Tagebucheinträge, alles, was ihre wahre Beziehung hätte offenbaren können.
An einem Maibend im Jahr 1933, als die Dämmerung über Hamburg hereinbrach, saßen sie in der Küche und übergaben 20 Jahre an Erinnerungen dem Feuer. Emilie weinte leise. Margarete hielt ihre Hand. Auch das ein Risiko, aber in diesem Moment war es ihr egal. Doch sie verstanden auch, daß emotionale Vorsicht nicht ausreichte. Sie brauchten weitere rechtliche Absicherung.
Im Sommer 1933 besuchten sie erneut Dr. Bernstein. Er war mittlerweile selbstervös. Als liberaler Jurist passte er nicht in die neue Zeit. “Ich rate ihnen zur Vorsicht”, sagte er leise. “Was ich für Sie tun kann, tue ich. Aber die Zeiten haben sich geändert. Sie ließen eine Schenkung Unterlebenden aufsetzen.
Margarete schenkte Emiliezig ihres Vermögens. Emilie tat dasselbe umgekehrt. Auf dem Papier änderte sich nichts. Sie besaßen bereits alles gemeinsam. Doch rechtlich bedeutete es, dass selbst wenn eine von ihnen unter Druck gesetzt würde, ihr Vermögen zu erklären, sie nachweisen konnte, dass es rechtmäßig von der anderen erhalten hatte. Es war eine weitere Schicht der Absicherung, eine weitere Mauer gegen mögliche Angriffe.
Der Notar registrierte die Schenkung am 15. August 1933. Als Sie sein Büro verließen, sagte Bernstein etwas, dass Sie nie vergaßen. Passen Sie auf sich auf, beide. Die Welt ist kein sicherer Ort mehr für Freundschaften wie die ihre. Der Herbst brachte eine weitere erschreckende Erfahrung. Ihr Nachbar, Herr Kortmann, zwei Häuser weiter, wurde abgeholt.
Die Gestapo kam früh am Morgen. Niemand wußte genau warum. Gerüchte machten die Runde. Manche sagten, er habe jüdische Freunde versteckt. Andere behaupteten, er sei selbst homosexuell. Was auch immer der Grund war, er verschwand und wurde nie wieder gesehen. Seine Wohnung wurde durchsucht, seine Sachen auf die Straße geworfen.
Margarete und Emilie beobachteten dies aus ihrem Fenster, stumm vor Entsetzen. In jener Nacht lagen sie nebeneinander in Emilies Bett, hielten einander fest und sprachen kein Wort. Was sollten sie auch sagen? Die Angst war greifbar, real, überwältigend. Von diesem Tag an wurden sie noch vorsichtiger.
Emilie zog in ihr eigenes Schlafzimmer zurück, offiziell und dauerhaft. Margarete tat dasselbe. Nachts blieben die Türen geschlossen. Selbst im eigenen Haus trauten sie sich nicht mehr, ihre Liebe zu leben. Die Angst hatte gesiegt, zumindest äußerlich. Doch in ihren Herzen, in ihren Blicken, in den kleinen Gesten des Alltags, dort lebte ihre Beziehung weiter, stumm und unbezwingbar.
Die Jahre zwischen und waren Jahre der Maskerade. Das nationalsozialistische Regime festigte seine Macht und mit jedem Jahr wurden die Kontrollen strenger, die Risiken größer. Hamburg, einst eine weltoffene Stadt, verwandelte sich in einen Ort der Angst und des Misstrauens. Blockwarte überwachten jedes Haus, jede Straße.
Menschen denunzierten ihre Nachbarn aus Überzeugung oder aus Angst. Für Margarete und Emily. Nun in ihren 50ern und 60ern bedeutete dies ein Leben in ständiger Wachsamkeit. Ihre Pension mußte den neuen Anforderungen entsprechen. Sie nahmen nur noch Miete auf, die Referenzen vorweisen konnten, am besten von Parteimitgliedern. Sie hängten das Führerbild im Speisesaal auf, auch wenn es ihnen widerstand.
Sie meldeten sich pflichtbewusst bei der NSV der nationalsozialistischen Volkswohlfahrt und spendeten den erwarteten Betrag. Nach außen waren sie zwei überzeugte, wenn auch unpolitische deutsche Frauen, die Pflichtbewusst ihren Beitrag zur Volksgemeinschaft leisteten. Doch die größte Veränderung betrafen ihre Wohnsituation.
Im Jahr 1936, auf Drängen ihrer wenigen verbliebenen Vertrauten trennten sie ihre Wohnbereiche komplett. Margarete zog in das Erdgeschoss des zweiten Hauses. Emilie blieb im oberen Stockwerk des ersten Hauses. Zwischen ihren Wohnungen lagen nun 20 Meter und eine Straße. Sie trafen sich nur noch geschäftlich in Anwesenheit von Mietern oder in der Küche, wo immer jemand hereinkommen konnte.
Ihre nächtlichen Gespräche, ihre Nähe, ihre Zärtlichkeit, allgegeben werden. Es war eine schmerzhafte Entscheidung. Emilie weinte oft nachts allein in ihrem Bett. Margarete entwickelte Schlafstörungen, doch sie wußten, dass ihr Überleben davon abhing. Ein falscher Verdacht, eine Denunziation und alles, was sie aufgebaut hatten, wäre zerstört.
Schlimmer noch, sie würden verhaftet, deportiert oder schlimmeres. Sie hatten von den Lagern gehört, von dem Schicksal jener, die als asozial oder entartet galten. Sie würden nicht riskieren, dieses Schicksal zu erleiden. Trotzdem fanden sie Wege, ihre Verbindung aufrecht zu erhalten. Sie entwickelten ein System von Zeichen.
Wenn Margarete ein bestimmtes Tuch ans Fenster hängte, bedeutete das Ich denke an dich. Wenn Emilie eine bestimmte Blume auf ihre Fensterbank stellte, war es ihre Antwort. Sie schrieben sich Nachrichten, versteckt in Haushaltungsbüchern, getant als geschäftliche Notizen. Die Kohlenlieferung kommt Dienstag. Konnte bedeuten: “Ich vermisse dich furchtbar. Der Schornstein muss gereinigt werden.
” Helleicht: “Ich bin in Sorge um dich. Es war ein Code, den nur sie verstanden, eine Geheimsprache der Liebe in einer Zeit, die Liebe wie die ihre zum Verbrechen erklärt hatte. Einmal im Monat, wenn Sie sicher waren, dass niemand aufpasste, trafen sie sich für eine Stunde in dem kleinen Verschlag im Keller, wo Kohlen und Kartoffeln gelagert wurden.
Dort im Dunkeln, zwischen Säcken und Werkzeug konnten sie für kurze Momente sie selbst sein. Im Jahr 1937 geschahen zwei Dinge, die ihre Angst weitersteigerten. Erstens wurde die kriminalpolizeiliche Aktion gegen Berufsverbrecher und Asoziale durchgeführt. Homosexuelle Männer und Frauen, die zuvor nur sporadisch verfolgt wurden, wurden nun systematisch verhaftet.
Margarete hörte von zwei Frauen in Altona, die abgeholt worden waren, angeblich wegen wiederatürlichen Verhaltens. Zweitens begann die Gestapo Hausdurchsuchungen ohne konkreten Anlass durchzuführen. Eines Morgens im Oktober erschienen zwei Männer in Zivil an der Tür. Routineinspektion, sagten sie. Sie durchsuchten beide Häuser, öffneten Schränke, wühlten in Schubladen.
Margarete und Emilie, äußerlich ruhig, aber innerlich vor Angst erstarrt, ließen sie gewähren. Zum Glück fanden die Männer nichts belastendes. Alle kompromettierenden Briefe waren längst verbrannt. Die getrennten Schlafzimmer, die geschäftlichen Unterlagen, die respektable Führung der Pension. Alles schien in Ordnung.
Nach einer Stunde verließen die Gestapo Männer das Haus, doch der Schock saß tief. Wir müssen noch vorsichtiger sein,” flüsterte Emilie später, als sie allein waren. Margarete nickte nur. Im Jahr 1939, als die Kriegsgefahr immer deutlicher wurde, trafen sie eine weitere rechtliche Maßnahme. Sie ließen einen komplexen Darlehensvertrag aufsetzen. Auf dem Papier Lee Margarete Emilie 10.
000 Mark und Emilie Lee Margarete die gleiche Summe. Der Vertrag enthielt Klauseln über Rückzahlung, Zinsen, Sicherheiten. Alles schien normal. Doch in Wahrheit war es ein weiteres Absicherungsinstrument. Die Klauseln waren so formuliert, dass im Todesfall einer von beiden die Schulden automatisch erlassen wurden und gleichzeitig das Vermögen der Verstorbenen zur Tilgung der Schuld verwendet werden musste, was bedeutete, dass es direkt an die Überlebende ging, ohne Umweg über Erbschaftsverfahren. Dr. Bernstein, der mittlerweile sehr alt

war und bald in Rente gehen würde, verstand sofort: “Ihr baut Schicht um Schicht”, sagte er anerkennend wie eine Festung. jedes Dokument, eine weitere Mauer. Er hatte recht. Über 28 Jahre hatten sie sechs verschiedene rechtliche Instrumente geschaffen, die alle dasselbe Ziel hatten, sicherzustellen, dass sie zusammen bleiben konnten im Leben und im Tod, egal was kam.
Als sie sein Büro verließen an jenem Herbsttagen ahnten sie, daß schlimmere Zeiten bevorstanden und sie sollten recht behalten. Der 1. September 1939 brachte den Beginn des Zweiten Weltkriegs. Hamburg als wichtigste Hafenstadt und Industriezentrum wurde schnell zu einem strategischen Ziel. Doch zunächst schien das Leben weiterzugehen.
Die Pension funktionierte weiter, wenn auch unter erschwerten Bedingungen. Rationierungskarten, Verdunkelungspflicht, ständige Kontrollen. Der Alltag wurde mühsamer. Margarete war nun 61 Jahre alt, Emilie 69. Beide spürten ihr Alter, doch aufgeben kam nicht in Frage. Sie hatten zu viel aufgebaut, zu lange gekämpft. Die Mieter wechselten häufiger nun.
Junge Männer zogen ein und verschwanden Wochen später zur Front. Kriegswittwen kamen und gingen. Bombengeschädigte suchten Unterschlupf. Margarete und Emilie nahmen sie alle auf, fragten wenig, halfen, wo sie konnten. Die ersten Bombenangriffe auf Hamburg begannen im Jahr 1941. Zunächst waren sie sporadisch, dann häufiger.
Die Sirenen heulten, die Menschen rannten in die Keller und Stunden später kamen sie wieder heraus, oft um festzustellen, dass ein Nachbarhaus getroffen worden war. Eine Straße weiter, ein Feuer wütete. Die Pension wurde zu einem improvisierten Luftschutzkeller.
Margarete und Emilie hatten den Keller verstärkt, Vorräte angelegt, Decken und erste Hilfematerial bereitgestellt. Während der Angriffe saßen sie dort mit ihren Mietern, manchmal 15 oder 20 Menschen in dem engen Raum, und warteten. In diesen Momenten, wenn die Bomben fielen und das Haus erzitterte, waren alle gesellschaftlichen Unterschiede vergessen. Angst machte alle gleich.
Und in dieser Angst fanden Margarete und Emily paradoxerweise einen Moment der Nähe. Sie konnten nebeneinander sitzen, Schulter an Schulter, und niemand fand es seltsam. Der schlimmste Moment kam im Juli 1943. Die Operation Gomorra, 10 Tage Bombenteppich, die Hamburg in ein Inferno verwandelten. Der Feuersturm, der durch die Stadt fegte, tötete über 30.000 Menschen.
Die Davidsstraße wurde getroffen, nicht direkt, aber nahe genug. Das zweite Haus, in dem Margarete wohnte, wurde schwer beschädigt. Ein Teil des Daches brannte, die oberen Stockwerke waren unbewohnbar. Margarete selbst war im Keller des ersten Hauses bei Emilie, als es passierte. Als sie nach dem Angriff herauskamen und die Zerstörung sahen, brach etwas in Margarete.
Sie hatte nie viel geweint in ihrem Leben, war immer die Stärke gewesen. Doch in diesem Moment, als sie ihr zerstörtes Haus sah, ihre Arbeit von über 30 Jahren in Trümmern, konnte sie nicht mehr. Emilie nahm sie in die Arme dort auf der Straße vor allen Leuten. “Wir bauen es wieder auf”, flüsterte sie. “Wir haben es einmal geschafft. Wir schaffen es wieder.” Niemand achtete auf sie.
Alle hatten ihre eigenen Verluste zu beklagen. Doch es gab ein größeres Problem als zerstörte Gebäude. Margarete hatte seit Wochen unter Husten und Atemnot gelitten. Sie hatte es ignoriert, hatte keine Zeit für Krankheit. Doch nach dem Schock des Bombenangriffs verschlechterte sich ihr Zustand rapide. Emilie erkannte die Symptome. Es war dieselbe Lungenentzündung, die sie selbst im Ersten Weltkrieg fast getötet hätte.
Doch diesmal war Margarete älter, geschwächter und es gab keine Medikamente. Alles war für die Front reserviert. Emily pflegte sie mit derselben Hingabe, mit der Margarete sie damals gepflegt hatte. Doch die Angst war größer diesmal. Margarete war 65. Wenn sie starb. Emily verdrängte den Gedanken. Sie schlief kaum, saß Tag und Nacht an Margaretes Bett.
Die Mieter halfen erneut. Frau Böhm, eine Witwe, kochte Suppe. Herr Krause, zu alt für den Kriegsdienst, organisierte irgendwie Kohle zum Heizen. Nach sechs Wochen hatte Margarete die Krise überstanden. Sie war schwächer, würde nie wieder ganz gesund werden, doch sie lebte. “Du hast mich gerettet”, flüsterte sie zu Emilie.
“Wie immer”, antwortete Emilie mit einem müden Lächeln. Die letzten Kriegsjahre waren eine Zeit des Durchhaltens. Mit den spärlichen verfügbaren Materialien reparierten sie notdürftig das zweite Haus. Es würde nie wieder sein wie früher, doch es war bewohnbar. Die Einnahmen aus der Pension sankten drastisch.
Viele konnten nicht zahlen und Margarete und Emilie verlangten es auch nicht. Sie lebten von ihren Ersparnissen, die trotz Inflation und Krieg noch existierten. Emilie, nun selbst schon 73 Jahre alt, übernahm mehr von der Arbeit. Sie putzte, kochte, verwaltete. Margarete, geschwächt durch die Krankheit, tat, was sie konnte. Ihre Rollentausch war still und selbstverständlich.
So wie Margarete 1 die Stärkere gewesen war, war es nun Emilie. Als Mai 1945 die Nachricht vom Kriegsende kam, ween beide nicht aus Freude über den Sieg. Das Konzept des Sieges hatte für sie keine Bedeutung mehr, sondern aus Erleichterung. Sie hatten überlebt, beide gegen alle Wahrscheinlichkeit. 36 Jahre waren vergangen seit jenem Tag im Café in Altona.
36 Jahre der Liebe, der Angst, des Überlebens und sie waren immer noch zusammen. Die Nachkriegszeit brachte Hamburg unter britische Besatzung. Die zerstörte Stadt begann langsam sich zu erholen. Für Margarete und Emilie waren diese Jahre eine Mischung aus Erschöpfung und stiller Genugtu. Sie hatten überlebt, was die meisten nicht für möglich gehalten hätten.
Die Pension funktionierte weiter, wenn auch kleiner. Viele Zimmer waren nicht mehr vermietbar, doch das machte nichts. Ihre Bedürfnisse waren minimal geworden. Sie brauchten nicht viel. Im Jahr 1946, als die ersten demokratischen Strukturen wieder aufgebaut wurden, gab es eine kurze Phase der Hoffnung. Vielleicht würde die neue Zeit toleranter sein. Vielleicht könnten Frauen wie sie endlich frei leben.
Doch diese Hoffnung erwies sich als trügerisch. Die Gesellschaft der Fziger würde, wie sich zeigen sollte, kaum weniger konservativ sein als die der Dreiger. Nur die Methoden der Unterdrückung änderten sich. Margaretes Gesundheit verschlechterte sich kontinuierlich. Die Lungenentzündung hatte dauerhafte Schäden hinterlassen.
Sie hustete oft, wurde schnell müde, hatte Schwierigkeiten beim Atmen. Im Winter 1948 war es besonders schlimm. Der Arzt Dr. Lehmann war deutlich: “Ihre Lunge ist schwach. Sie müssen sich schonen. Doch Schon war ein Luxus, den sich Margarete nicht erlauben konnte oder wollte. Sie arbeitete weiter, half wo sie konnte. Emilie wurde zunehmend verzweifelt. Sie sah, wie Margarete schwächer wurde und fühlte sich hilflos.
“Bitte ruhe dich aus”, bat sie immer wieder. Doch Margarete schüttelte nur den Kopf. “Wenn ich aufhöre zu arbeiten, höre ich auf zu leben”, sagte sie. Es war eine Logik, die Emilie verstand, auch wenn sie sie nicht akzeptieren wollte. Im Februar 1949 bekam Margarete eine schwere Bronchitis. Diesmal war klar, dass sie nicht mehr vollständig genesen würde.
An einem milden Märzabend, als die ersten Frühlingszeichen sichtbar wurden, saßen Margarete und Emilie in der kleinen Küche des ersten Hauses. Die Mieter waren in ihren Zimmern. Es war still. Margarete hustete, versuchte es zu unterdrücken, gab dann auf. Emilie”, sagte sie leise, “wir müssen über die Zukunft sprechen.” Emily wollte protestieren, doch Margarete hob die Hand.
“Nein, hör zu, ich weiß, dass ich nicht mehr lange habe. Vielleicht Wochen, vielleicht Monate, aber nicht Jahre.” Tränen liefen über Emilys Gesicht. “Wir haben alles vorbereitet”, fuhr Margarete fort. “Die Dokumente sind in Ordnung. Dr. Bernstein ist zwar in Rente, aber sein Nachfolger Anwalt Bachmann kennt unsere Situation.
Die Familien werden versuchen, das Testament anzufechten. Mein Bruder war immer gierig, deine Nichte auch. Aber sie haben keine Chance. Wir waren zu gründlich. Sie lächelte schwach. 38 Jahre, Emilie. 38 Jahre haben wir gekämpft, uns geliebt, überlebt. Das kann uns niemand nehmen. Margarete Schröder starb am 29. März 1949, im Alter von 71 Jahren.
Sie starb in ihrem Bett mit Emilie an ihrer Seite. Ihre letzten Worte waren: “Du warst mein Leben.” Die Beerdigung war klein. Einige ehemalige Mieter kamen, ein paar Nachbarn. Margeretes Bruder Hermann, nun selbst ein alter Mann, erschien mit berechnender Miene. Emilie in tiefem Schwarz stand am Grab und weinte nicht.
Sie hatte all ihre Tränen bereits vergossen in den Nächten zuvor. Nach der Beerdigung ging sie zurück in die leere Pension und begann methodisch zu arbeiten. Sie sammelte alle Dokumente zusammen, den Kaufvertrag von 1911, den Gesellschaftsvertrag, die Vollmachten, die Testamente, die Schenkung, den Darlehensvertrag.
Sie ordnete sie chronologisch, schrieb detaillierte Erklärungen zu jedem und dann in einer langen Nacht schrieb sie einen Brief, einen Brief an Anwalt Bachmann, der alles erklären sollte. Die wahre Natur ihrer Beziehung, die Gründe für jedes einzelne Dokument, die Jahrzehnte der Angst und der Liebe.
Emilie Vogel überlebte Margarete um nur drei Monate. Die Ärzte sagten, es sei herzversagen gewesen. Doch jeder, der sie gekannt hatte, wusste die Wahrheit. Sie war an gebrochenem Herzen gestorben. Ohne Margarete hatte das Leben für sie keinen Sinn mehr. In ihren letzten Wochen erledigte sie alle praktischen Dinge.
Sie zahlte ausstehende Rechnungen, kündigte die verbliebenen Mietverträge, verkaufte, was verkauft werden musste und sie versiegelte den Brief an Bachmann mit dem Auftrag, ihn nur nach ihrem Tod zu öffnen. Am 15. Juni 1949, einem warmen Sommermorgen, fand die Nachbarin Frau Bömsi. Emilie saß in ihrem Sessel am Fenster, die Hände gefaltet, ein friedlicher Ausdruck auf dem Gesicht. Auf dem Tisch lag ein Foto, vergilbt und alt.
Zwei junge Frauen vor einer Pension, aufgenommen im Jahr 1911. Sie lächelten in die Kamera, standen nahe beieinander. Ihre Schultern berührten sich fast. Es war das einzige Foto, das sie jemals gemeinsam hatten machen lassen. Und es war das letzte, was Emily anschaute, bevor sie starb.
Anwald Friedrich Bachmann hatte während seiner 20zigjährigen Karriere viele komplizierte Erbschaftsfälle gesehen. Doch als er an jenem Septembertag des Jahres 1949 die Familien Schröder und Vogel in sein Büro rief, wusste er, dass dieser Fall außergewöhnlich werden würde.
Er hatte den versiegelten Brief von Emilie geöffnet, hatte alle Dokumente studiert und verstand nun das vollständige Bild. Acht Personen erschienen. Margaretes Bruder Hermann mit seinen zwei Söhnen und Emilis nichte Clara mit ihrem Ehemann und zwei Cousins. Alle erwarteten eine Aufteilung des beträchtlichen Vermögens. Die beiden Häuser allein waren trotz Kriegsschäden mehrere zehntausend Mark wert. Dazu kamen Ersparnisse und Einrichtung.
Meine Damen und Herren, begann Bachmann, ich muss Ihnen mitteilen, daß sowohl Frau Schröder als auch Frau Vogel testamentarisch verfügt haben, dass ihr gesamtes Vermögen an die jeweils andere geht. Da Frau Vogel Frau Schröder überlebt hat, ist sie zunächst allein Erbin von Frau Schröders Vermögen geworden.
Und da Frau Vogel nun ebenfalls verstorben ist, geht Ihr Vermögen gemäß ihrem Testament an die Hamburger Frauenhilfe, eine Wohltätigkeitsorganisation. Die Reaktion war explosiv. Hermann sprang auf. Das ist absurd. Zwei unverheiratete Frauen können nicht. Das ist unnatürlich. Ich fechte das an. Klara nickte heftig. Meine Tante war alt und verwirrt. Sie wurde offensichtlich beeinflusst von dieser Schröderfrau.
Bachmann blieb ruhig. Er hatte mit dieser Reaktion gerechnet. Ich verstehe ihre Verärgerung. Deshalb habe ich alle relevanten Dokumente hier vorbereitet. Er breitete sie auf dem Tisch aus. Dies ist der Kaufvertrag von 1911, der beide Damen als gleichberechtigte Eigentümerinnen ausweist.
Dies ist der Gesellschaftsvertrag von 1911, notariell beglaubigt, der ihre Geschäftspartnerschaft regelt. Dies sind die gegenseitigen Vollmachten von 1918. Dies sind die wechselseitigen Testamente von 1924. Dies ist die Schenkung unter Lebenden von 1933 und dies ist der Darlehensvertrag von 1939. Er machte eine Pause. Sechs Dokumente, erstellt über 28 Jahre.
Alle notariell beglaubigt, alle rechtlich einwandfrei. Zusammen bilden sie eine rechtliche Konstruktion, die praktisch unanfechtbar ist. Hermann wurde rot im Gesicht. Ich kenne Anwälte. Ich werde dagegen vorgehen. Das ist das ist Er suchte nach Worten. Bachmann unterbrach ihn sanft.
Herr Schröder, Sie können gerne Rechtsmittel einlegen, doch ich muss Sie warnen. Diese Dokumente wurden über Jahrzehnte sorgfältig vorbereitet. Jedes einzelne ist für sich genommen gültig. Zusammen sind sie unüberwindbar. Ihre Schwester und Frau Vogel waren nicht nur Geschäftspartnerinnen, sondern haben ihr Leben so eng miteinander verflochten, dass eine rechtliche Trennung unmöglich ist. Er hielt inne, wählte seine nächsten Worte sorgfältig.
Außerdem muss ich darauf hinweisen, dass jeder Versuch der Anfechtung öffentlich werden würde. Die Presse könnte Interesse zeigen. Fragen würden gestellt werden über die Natur der Beziehung zwischen den beiden Damen. Sind Sie sicher, dass Sie diese Art von Aufmerksamkeit wollen? Die Drohung war subtil, aber klar. Hermann und Kara wechselten Blicke.
Die gesellschaftliche Schande mit einem solchen Skandal in Verbindung gebracht zu werden wäre immens. Der Fall kam tatsächlich vor Gericht. Hermann Schröder, getrieben von Gier und vielleicht auch von verletztem Stolz, engagierte einen Anwalt und forcht das Testament an. Die Verhandlung fand im November 1949 am Hamburger Landgericht statt. Richter war der ältere Dr.
Werner Steinhoff, bekannt für seine konservative, aber färe Rechtssprechung. Drei Tage dauerte die Verhandlung. Hermanns Anwalt argumentierte mit unnatürlicher Beeinflussung, sittenwidriger Erbschaft und Ausnutzung einer Schwächesituation. Wachmann konterte mit der lückenlosen Dokumentation der 38und-jährigen Partnerschaft mit Zeugenaussagen ehemaliger Mieter, die die Geschäftstüchtigkeit beider Frauen bezeugten und mit der unwiderlegbaren Tatsache, dass jedes einzelne Dokument zu einem Zeitpunkt erstellt wurde, als beide Frauen geistig völlig gesund waren. Am dritten Tag verlas Richter Steinhoff sein Urteil. Er sprach lange über die Rechtslage, über
Testierfreiheit, über Gesellschaftsverträge. Dann kam er zum Kern. Das Gericht stellt fest, daß Margarete Schröder und Emilie Vogel über 38 Jahre eine Geschäfts- und Lebenspartnerschaft führten, die rechtlich einwandfrei dokumentiert ist. Die Anfechtung wird abgewiesen.
Nach der Verhandlung bat Richter Steinhoff Bachmann in sein Kammern. Er war ein alter Mann, kurz vor der Pensionierung und wirkte müde. “Ich habe den Brief gelesen, den Sie mir unter Verschluss gegeben haben”, sagte er leise. “Den Brief von Frau Vogel.” Bachmann nickte.
Emilies letzter Brief, indem sie die wahre Natur ihrer Beziehung zu Margarete offenbart hatte, war nur für den Richter bestimmt gewesen, nicht öffentlich. “Diese beiden Frauen,” fuhr Steinhoff fort, “ben haben etwas geschaffen, dass unsere Gesetze nicht anerkennen, dass unsere Gesellschaft nicht akzeptiert. Doch sie haben es geschaffen mit Mut, Intelligenz und unglaublicher Ausdauer.” Rechtlich gesehen ist dieser Fall eindeutig. Menschlich gesehen, er stockte.
Menschlich gesehen ist es eine der bemerkenswertesten Liebesgeschichten, die ich je kennengelernt habe. Auch wenn das Wort Liebe in keinem der offiziellen Dokumente vorkommt, er reichte Bachmann den Brief zurück. Verbrennen Sie ihn. Es gibt keinen Grund, dass diese Wahrheit jemals öffentlich wird. Die Frauen haben genug gelitten.
Bachmann kehrte in sein Büro zurück und tat, was der Richter geraten hatte. Er verbrannte Emiliuses letzten Brief. Doch zuvor machte er eine Kopie, die er in seinem privaten Safe einschloss. Jahre später, als er selbst alt war, schrieb er einen kurzen Bericht über den Fall, ohne Namen zu nennen, nur die Fakten.
Zwei Frauen, die durch sechs rechtliche Dokumente über 38 Jahre ein unsichtbares Eheband schufen, das stärker war als jede offizielle Ehe”, schrieb er. In einer Zeit, die ihre Liebe kriminalisierte, fanden sie einen Weg zusammen zu sein, zu überleben und ihr Vermächtnis zu sichern. Es ist eine Geschichte von außergewöhnlicher Stärke, Planung und Widerstand.
Der Bericht blieb in seinen Unterlagen und wurde erst Jahrzehnte später von einem Historiker entdeckt. Die beiden Häuser in der Davidstraße wurden verkauft. Die Hamburger Frauenhilfe nutzte das Geld, um Wohnungen für alleinstehende Frauen zu bauen. Niemand dort wusste jemals die wahre Geschichte hinter der Spende.
Margarete Schröder und Emilie Vogel wurden auf dem Olsdorfer Friedhof begraben, in getrennten Gräbern, wie es die Konvention verlangte. Doch auf ihren Grabsteinen stand, auf Wunsch von Emilie eine identische Inschrift. Sie lebte in Treue. Wer die Treue galt, stand dort nicht. Es musste auch nicht geschrieben werden. Manche Wahrheiten brauchen keine Worte.
38 Jahre, zwei Frauen, sechs Dokumente. Eine Liebe, die nie ihren Namen sagen durfte, aber stark genug war, um zwei Weltkriege, wirtschaftliche Krisen und politische Verfolgung zu überleben. Margarete und Emilie bauten nicht nur eine erfolgreiche Pension auf, sie bauten eine Festung aus Gesetz und Entschlossenheit, die sie schützte, als die Welt um sie herum lieben wie die ihre vernichten wollte. Ihre Geschichte ist eine von tausenden, die nie erzählt wurden.
Geschichten von Frauen, die im Verborgenen lebten, liebten und kämpften. Die Frage, die am Anfang stand bleibt, ist diese Geschichte wahr ist sie Fiktion? Vielleicht ist die Antwort, sie könnte wahr sein in jedem Detail, denn in den Archiven Hamburgs in alten notariellen Unterlagen in vergessenen Akten könnten genau solche Dokumente liegen. Zeugnisse einer Liebe, die nicht sein durfte, aber trotzdem wahr.
Und das macht sie vielleicht wahrer als jede offizielle Geschichte, die jemals geschrieben wurde. Wenn ihr bis hierhin gekommen seid, wenn diese Geschichte von Margarete und Emilie euch berührt hat, dann kommentiert das Wort Gerechtigkeit. Gerechtigkeit für all die Lieben, die sich verstecken mußten.
Gerechtigkeit für all die Leben, die nicht gelebt werden durften. Und vergesst nicht zu abonnieren und einen Daumen nach oben zu hinterlassen, denn es gibt noch so viele vergessene Geschichten zu erzählen. Geschichten, die zeigen, dass Liebe stärker ist als jedes Gesetz, jede Verfolgung, jede Zeit. อ