Willkommen zu dieser Reise durch einen der verstörendsten Fälle der registrierten Geschichte Freiburgs. Bevor wir beginnen, lade ich euch ein, in den Kommentaren zu hinterlassen, von wo ihr zuschaut und die genaue Zeit, zu der ihr diese Erzählung hört.

Wir sind daran interessiert zu erfahren, an welche Orte und zu welchen Tages oder Nachtzeiten diese dokumentierten Berichte gelangen. Im Herbst 1927 verschwand Anna Elisabeth Berger spurlos aus ihrem Haus in der Schusterstraße 47 in Freiburg im Breisgau. Was zunächst als gewöhnlicher vermissten Fall erschien, entwickelte sich zu einem der rätselhaftesten und beunruhigendsten Ereignisse in der Geschichte der Stadt.
Die 33-jährige Witwe lebte allein in dem dreistöckigen Fachwerkhaus, das seit vier Generationen im Besitz ihrer Familie war. Das Gebäude errichtet im Jahr 1847 stand am Ende einer kopfsteinepflasterten Gasse nur wenige hundert Meter von der Herz Jesuirche entfernt. Nachbarn beschrieben Anna als zurückhaltend, aber höflich.
eine Frau, die pünktlich ihre Einkäufe erledigte und jeden Sonntag ohne Ausnahme die Frühmesse besuchte. Frau Elisabeth Kellner, die Bäckerin aus der gegenüberliegenden Straße, kannte Anna seit deren Jugend und bemerkte als erste die Unregelmäßigkeit in ihrem sonst so vorhersagbaren Tagesablauf. Am Morgen des 15. Oktober 1927, einem kühlen Samstag mit dichtem Nebel über der Stadt, erschien Anna nicht wie gewohnt um Punkt 8 Uhr in der Bäckerei Kellner. Dies war mehr als ungewöhnlich. Es war beispiellos.
Seit dem Tod ihres Mannes Karl im Juni 1923 hatte Anna diese morgendliche Routine niemals unterbrochen, nicht einmal bei Krankheit oder schlechtem Wetter. Sie kaufte stets dasselbe, ein kleines Weißbrot, zwei Semmeln und am Samstag zusätzlich einen kleinen Streuselkuchen. Frau Kellner wartete bis 9 Uhr, dann bis 10.
Als die Kirchenglocken zur 11 Stunde läen und Anna immer noch nicht erschienen war, überkam die Bäckerin eine wachsende Unruhe. Sie kannte Annas Gewohnheiten so genau wie ihre eigenen. Die junge Frau war wie ein Urwerk, pünktlich, zuverlässig und in ihren Routinen unveränderlich. Als auch am folgenden Tag, dem Sonntag, keine Spur von Anna zu sehen war und die Kirchenglocken zur Frühmesse ohne ihre treue Besucherin läuteten, informierte Frau Kellner den Hausverwalter des Gebäudes, Herrn Friedrich Zimmermann.
Zimmermann. Ein pensibler Mann in den Fzigern, der seit 15 Jahren die Verwaltung mehrerer Gebäude in der Altstadt übernommen hatte, nahm diese Meldung ernst. Er kannte Anna als eine der zuverlässigsten Mieterinnen, die ihre Nebenkosten stets pünktlich bezahlte und nie Anlass zu Beschwerden gab.
Die schwere Eichentür zu Annas Wohnung im zweiten Stock war verschlossen, aber merkwürdigerweise nicht mit dem schweren Eisenriegel verriegelt. den Anna sonst immer benutzte. Herr Zimmermann berichtete später den Behörden, dass bereits beim Betreten des Treppenhauses ein eigenartiger süßlicher Geruch wahrnehmbar war. Nicht unbedingt unangenehm, aber ungewöhnlich intensiv und durchdringend.
Der Geruch erinnerte ihn an überreife Früchte, hatte aber zugleich etwas chemisches, künstliches. Als Zimmermann vorsichtig die Tür öffnete, bot sich ihm einen Anblick. der auf den ersten Blick völlig normal erschien, bei genauerem Hinsehen jedoch tiefe Verwirrung auslöste. Die geräumige Zweizimmerwohnung wirkte, als sei Anna nur kurz hinausgegangen. Ein halb volles Teeglas aus feinem Porzellan stand auf dem Küchentisch.
Daneben lag aufgeschlagen ein Buch mit dem Titel Gedichte der Romantik von Heinrich Heine. Die Seite war bei dem Gedicht die Heimkehr aufgeschlagen und eine Zeile war mit Bleistift unterstrichen. Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin? Annas wenige, aber gepflegte Kleidungsstücke hingen ordentlich im massiven Eichenschrank ihres Schlafzimmers. Ihre bescheidenen Wertsachen.
Ein silbernes Kreuz, ein goldenes Medaillon ihrer verstorbenen Mutter und etwa zwölf Mark in kleinen Münzen befanden sich unberührt an ihrem gewohnten Platz auf der Kommode. Das Bett war gemacht, die Kissen glatt gestrichen, als wäre es seit Tagen nicht benutzt worden.
Was die ersten oberflächlichen Untersuchungen jedoch zutiefst verwirrte, war der Zustand des kleinen Schreibtisches aus Kirschholz in ihrem Schlafzimmer. Sämtliche vier Schubladen standen weit offen, als hätte jemand hastig und mit wachsender Verzweiflung nach etwas bestimmtem gesucht.
Auf der Schreibtischplatte, die normalerweise makellos aufgeräumt war, fanden sich die Reste zerrissener Papiere. winzige Fetzen zu klein und zu zahlreich, um den ursprünglichen Inhalt auch nur zu erahnen. Einige der Papierstücke schienen absichtlich mit einer Schere zerkleinert worden zu sein. Andere wirkten, als wären sie in hektischer Eile von Hand zerrissen worden. Die Polizei Freiburg notierte in ihrem ersten Bericht, datiert auf den 17.
Oktober 1927, dass sich keinerlei Anzeichen eines gewaltsamen Eindringens oder einer körperlichen Auseinandersetzung fanden. Alle Fenster waren von innen verschlossen, die Schlösser unversehrt. Nichts deutete auf einen Raubüberfall hin, da alle Wertsachen unberührt waren. Dennoch hing über der gesamten Wohnung eine Atmosphäre der Störung, als wäre die Ordnung nur oberflächlich und darunter lauerten Geheimnisse. Anna Elisabeth Berger war am 12.
März 1894 als einzige Tochter des angesehenen Urmachermeisters Friedrich Wilhelm Weinhard geboren worden. Die Familie Weinhard gehörte seit drei Generationen zu den respektablen Handwerkern der Freiburger Altstadt. Friedrichsvat Vater hatte bereits in den 1840er Jahren eine kleine, aber profitable Urmacherwerkstatt in der Salzstraße betrieben und Friedrich hatte das Geschäft übernommen und zu bescheidenem Wohlstand geführt.
Das Haus in der Schusterstraße 47 war 1889 als Hochzeitsgabe für Friedrich und seine Braut Margarete erworben worden. Margarete geborene Fuchs stammte aus einer Familie von Tuchhändlern aus dem nahen Emmendingen und brachte eine kleine, aber feine Mitgift in die Ehe. Das junge Ehepaar richtete sich in dem dreistöckigen Fachwerkhaus häuslich ein.
Die Urmacherwerkstatt befand sich im Erdgeschoss, die Wohnräume im ersten und zweiten Stock und das Dachgeschoss diente als Lager und Trockenraum. Nachbarn aus jener Zeit erinnerten sich an Anna als ein stilles, nachdenkliches Mädchen, das selten mit anderen Gleichaltrigen spielte. Während andere junge Menschen der Straße lärmend über das Kopfsteinpflaster liefen, saß Anna oft stundenlang am Fenster ihrer Familie und beobachtete das Treiben mit großen dunklen Augen. Frau Gertrud Müller, die im Nachbarhaus wohnte und 1927
bereits über 70 Jahre alt war, erinnerte sich genau: Anna war schon als junges Mädchen anders. Sie sprach wenig. Aber wenn sie sprach, dann sagte sie Dinge, die einem das Blut in den Adern gefrieren ließen. Einmal sagte sie zu mir: “Frau Müller, warum riechen die Blumen in unserem Garten nach den Träumen toter Menschen?” Ich wusste nicht, was ich antworten sollte.
Die Jugend in dem Haus war überschattet von der zunehmend fragilen Gesundheit ihrer Mutter, Margarete. Die Frau, die bei ihrer Heirat als lebhaft und fröhlich beschrieben worden war, wurde nach Annas Geburt merklich schwermütig und kränklich. Dr. Ferdinand Engelmann, der damalige Hausarzt der Familie, dokumentierte in seinen privaten Aufzeichnungen, die erst Jahre später aufgefunden wurden, eine Reihe von Symptomen bei Margarete, die er sich nicht erklären konnte.
Frau Weinhart leidet unter wiederkehrenden Schwächeanfällen, begleitet von Visionen und wirren Äußerungen. Sie behauptet, Stimmen zu hören, die aus den Wänden des Hauses kommen. Ihre körperliche Verfassung verschlechtert sich ohne erkennbaren medizinischen Grund. Als Anna Jahre alt war, im Winter 190 verstarb ihre Mutter unter mysteriösen Umständen.
Offiziell wurde als Todesursache Herzversagen infolge allgemeiner Schwäche eingetragen. Aber Nachbarn berichteten von seltsamen Umständen in Margaretes letzten Lebenstagen. Sie soll nachts schreiend durch das Haus gelaufen sein, dabei immer zugerufen haben: “Sie kommen, sie sind in den Wänden. Anna, sie wollen Anna. Am Morgen ihres Todes fand man sie friedlich in ihrem Bett liegend, aber ihre Finger waren bis aufs Fleisch zerkratzt, als hätte sie versucht, sich aus etwas zu befreien.
Nach Margaretes Tod übernahm die junge Anna die Führung des Haushalts für ihren Vater. Friedrich Weinhart, von Natur aus ein schweigsamer und in sich gekehrter Mann, wurde nach dem Verlust seiner Frau noch verschlossener und verbitter. Die Urmacherwerkstatt, die früher von fröhlichem Geplauder und dem rhythmischen Ticken verschiedener Uhren erfüllt gewesen war, wurde zu einem Ort drückenden Schweigens.
Kunden berichteten, dass Friedrich oft stundenlang stumm an seinem Arbeitstisch saß und starr auf die winzigen Uhrwerke blickte, ohne sie zu reparieren. Anna führte den Haushalt mit einer Präzision und Gründlichkeit, die für ihr Alter bemerkenswert war. Sie kochte, putzte, verwaltete die bescheidenen Finanzen der Familie und kümmerte sich um die wenigen Kunden, die noch in die Werkstatt kamen.
Aber auch sie schien von der drückenden Atmosphäre des Hauses betroffen zu sein. Nachbarn bemerkten, dass Anna oft stundenlang bewegungslos am Fenster stand und in den kleinen Innenhof des Hauses starrte, als erwarte sie etwas oder jemanden. Die Jahre zwischen 1910 und 1917 vergingen in einer Art düsterem Trott.

Vater und Tochter lebten nebeneinander her wie zwei Fremde, die zufällig dasselbe Haus bewohnten. Friedrich sprach kaum noch und wenn doch, dann nur über die notwendigsten Angelegenheiten des Alltags. Anna entwickelte eigenartige Gewohnheiten. Sie begann jeden Abend nach Sonnenuntergang alle Spiegel im Haus mit schwarzen Tüchern zu verhängen und entfernte diese erst am nächsten Morgen wieder.
Auf die Frage von Nachbarn nach diesem seltsamen Verhalten antwortete sie nur: Spiegel zeigen manchmal mehr, als man sehen möchte. Im Frühjahr 1917, als der erste Weltkrieg auch in Freiburg deutliche Spuren hinterließ und viele junge Männer an der Front standen, lernte Anna den Handelsvertreter Karl Heinrich Berger kennen. Karl, geboren 1884 in Stuttgart, war aufgrund einer Kriegsverletzung am rechten Bein vom Militärdienst befreit und arbeitete als Vertreter für verschiedene Textilhändler in Süddeutschland. Seine Geschäfte führten ihn regelmäßig nach Freiburg, wo er in dem bescheidenen Gasthof zum
goldenen Hirsch in der Nähe der Schusterstraße übernachtete. Karl war ein großer, schlanker Mann mit ernsten grauen Augen und einem gepflegten dunklen Schnurrbart. Nachbarn beschrieben ihn als höflich, aber distanziert. Jemand, der mehr beobachtete, als redete. Wie er Anna kennenlernte, blieb immer ein Rätsel.
Einige behaupteten, er sei zufällig in Friedrichs Urmacherwerkstatt gekommen, um eine beschädigte Taschenuhr reparieren zu lassen. Andere meinten, Anna und Karl seien sich auf dem Marktplatz begegnet, als Anna dort Gemüse für den väterlichen Haushalt kaufte. Was jedoch alle Nachbarn übereinstimmend berichteten, war die merkwürdige Geschwindigkeit, mit der sich die Beziehung zwischen Anna und Karl entwickelte.
Bereits nach wenigen Wochen ihrer Bekanntschaft kündigte Friedrich Weinhart überraschend die Verlobung seiner Tochter an. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer durch die Schusterstraße, denn niemand hatte auch nur ansatzweise romantische Annäherungen zwischen den beiden bemerkt. Frau Kellner, die Bäckerin, erinnerte sich Jahre später an ein Gespräch mit Anna, kurz vor der offiziellen Verlobungsankündigung.
Ich fragte sie, ob sie glücklich sei mit diesem Karl. Sie sah mich mit diesen großen dunklen Augen an und sagte: “Glücklich sein ist nicht wichtig, Frau Kellner. Wichtig ist, dass manche Türen geschlossen bleiben und andere geöffnet werden. Ich verstand damals nicht, was sie meinte und ich verstehe es bis heute nicht.
Die Hochzeit zwischen Anna Weinhart und Karl Berger fand am 23. Juni 1918 in der Herzjes Jesuukirche statt. Es war eine bemerkenswert schlichte Zeremonie für eine Familie, die zu den angesehenen Bürgern der Stadt gehörte. Nur eine Handvoll Gäste war anwesend. Friedrich Wein wenige Nachbarn, Karls Geschäftspartner und ein entfernter Onkel von Anna, der eigens aus Konstanz angereist war.
Anna trug ein einfaches graues Kleid, nicht das Übliche weiß, was in der Nachbarschaft für viel Gesprächsstoff sorgte. Frau Müller, die die Zeremonie beobachtet hatte, beschrieb Annas Verhalten während der Trauung als eigenartig gefasst. Sie sah nicht aus wie eine glückliche Braut, eher wie jemand, der sich einem unvermeidlichen Schicksal fügt.
Als der Pfarrer sie fragte, ob sie Karl zum Mannen nehmen wolle, zögerte sie lange. Ich zählte in Gedanken bis 20zig, bevor sie mit kaum hörbarer Stimme ja sagte. Nach der Hochzeit zog Karl in das Haus der Weihnachts ein.
Friedrich überließ dem jungen Ehepaar den zweiten Stock und zog sich in ein kleines Zimmer im ersten Stock zurück, direkt über seiner Werkstatt. Diese neue Wohnaufteilung führte zu einer noch bedrückenderen Atmosphäre im Haus. Karl war aufgrund seiner Geschäftstätigkeit häufig wochenlang unterwegs und wenn er zu Hause war, sprach er kaum mit seinem Schwiegervater. Die beiden Männer begegneten sich meist schweigend auf der Treppe oder bei den gemeinsamen Mahlzeiten, die Anna in eiserner Routine zubereitete.
Anna selbst schien durch die Heirat nicht glücklicher oder entspannter geworden zu sein. Im Gegenteil, Nachbarn bemerkten, dass sich ihre ohnehin schon eigenartigen Gewohnheiten noch verstärkten. Sie begannen täglich zur gleichen Zeit, kurz nach den Mittagsleuten der Kirchenglocken, alle Fensterläden des Hauses zu schließen und erst am späten Nachmittag wieder zu öffnen.
Während dieser Stunden war das Haus völlig dunkel und still, als wäre es unbewohnt. Auf neugierige Nachfragen erklärte Anna stets: “Sie leide unter empfindlichen Augen und könne das helle Tageslicht nicht ertragen.” Diese Erklärung wirkte jedoch wenig überzeugend, da Anna an bewölkten Tagen oder im Winter, wenn das Licht ohnehin gedämpft war, dieselbe Routine befolgte.
Frau Kellner beobachtete, dass Anna während dieser dunklen Stunden oft durch die Räume wandelte, dabei leise vor sich hinmurmelte. oder mit jemandem zu sprechen schien, obwohl sie allein im Haus war. Der Postbote Johann Gründler, ein aufmerksamer Mann Ende 40, der seine Route seit 15 Jahren unverändert ging, bemerkte eine weitere Besonderheit im Haushaltberger.
Anna erhielt regelmäßig Briefe, die in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlich waren. Sie trugen keinen Absender, kamen in unregelmäßigen Abständen, manchmal wöchentlich, manchmal monatelang gar nicht. Und Anna reagierte auf sie mit einer Mischung aus Furcht und faszinierender Neugier. Gründler beobachtete das gleiche Ritual bei jeder Briefzustellung.
Anna öffnete die Tür bereits, bevor er klopfen konnte, als hätte sie seine Schritte schon von weitem gehört. Sie riss den Umschlag hastig auf, noch während sie in der Türschwelle stand und las den Inhalt mit wechselnden Gesichtsausdrücken. Manchmal Erleichterung, manchmal Entsetzen, oft beides gleichzeitig. Dann ging sie ohne ein Wort in den kleinen Innenhof hinter dem Haus und verbrannte den Brief in einem eisernen Becken, das offenbar ausschließlich diesem Zweck diente.
Sie verbrannte die Briefe sofort und vollständig, berichtete Gründler später der Polizei. Nicht nur das Papier, sondern sie wartete, bis auch die letzte Asche verweht war. Dann kehrte sie ins Haus zurück und schloß alle Türen ab, auch die zum Innenhof, obwohl dort außer einem verwilderten Garten nichts war. TKim. Diese mysteriösen Briefe wurden zu einem Gesprächsthema in der Nachbarschaft. verschiedene Theorien kursierten.
Einige vermuteten, dass Anna eine Geliebte ihres häufig abwesenden Ehemannes war und die Briefe von einer eifersüchtigen Nebenbulerin stammten. Andere glaubten, dass Anna in obskure geschäftliche Machenschaften ihres Mannes verwickelt war. Die wagsigsten Spekulationen gingen dahin, daß Anna einer geheimen religiösen Sekte angehörte und die Briefe okkulte Anweisungen enthielten.
Die Wahrheit sollte sich als weitaus beunruhigender erweisen, als es jede dieser Vermutungen war. Friedrich Weinhart verstarb im Winter 1920 an einer Lungenentzündung, die er sich während einer kalten Arbeitswoche in seiner ungeheizten Werkstatt zugezogen hatte. Sein Tod war nicht völlig unerwartet.
Er hatte seit Margaretes Tod vor über 10 Jahren kontinuierlich an Gewicht verloren und war zunehmend kränklich geworden. Doch seine letzten Worte, die Anna dem Totengräber gegenüber erwähnte, warfen Fragen auf. Er sagte immer wieder: “Die Briefe müssen aufhören.” Anna, versprich mir, dass die Briefe aufhören. Ich verstand nicht, was er meinte. Nach Friedrichs Tod erbte Anna das gesamte Haus samt der inzwischen kaum noch rentablen Urmacherwerkstatt.
Karl, der zu diesem Zeitpunkt gerade von einer längeren Geschäftsreise zurückgekehrt war, schlug vor, die Werkstatt zu verkaufen und den Erlös für Renovierungsarbeiten am Haus zu verwenden. Anna widersprach vehement, so heftig, wie Nachbarn sie nie zuvor erlebt hatten. Sie schrie, dass niemand den Keller unter der Werkstatt betreten dürfe. Berichtete Herr Zimmermann, der zu diesem Zeitpunkt bereits die Verwaltung des Hauses übernommen hatte.
Sie sagte, ihr Vater habe ihr eingeschärft, daß der Keller versiegelt bleiben müsse. Als Karl fragte, warum, antwortete sie nur, weil manche Dinge besser in der Dunkelheit bleiben. Die Werkstatt wurde daraufhin nicht verkauft, sondern einfach geschlossen. Karl ließ die Räume im Erdgeschoss mit schweren Holzplatten vernageln und Anna bestand darauf, dass auch der Zugang zum Keller mit Brettern verschlossen und zusätzlich mit einem schweren Eisenschloss gesichert wurde.
Den Schlüssel zu diesem Schloss bewahrte Anna an einer Kette um ihren Hals auf, unter ihrer Kleidung verborgen. Die mysteriösen Briefe hörten nach Friedrichs Tod keineswegs auf. Im Gegenteil, sie kamen nun häufiger und schienen Anna noch mehr zu verstören. Johann Gründler bemerkte, dass die Briefe nach 1920 ein anderes Format hatten. Größer, schwerer und das Papier wirkte teurer.
Auch trugen einige von ihnen jetzt Wachssiegel in verschiedenen Farben. Schwarz, dunkelrot, manchmal ein tiefes Violett. Anna reagierte auf diese neuen Briefe mit wachsender Nervosität. Frau Kellner beobachtete, wie Anna zunehmend abgemagert und blasser wurde. “Sie aß kaum noch etwas”, erinnerte sich die Bäckerin.
Wenn sie morgens ihr Brot holte, sah sie aus, als hätte sie die ganze Nacht nicht geschlafen. Ihre Augen wurden immer größer in dem schmaler werdenden Gesicht. Karl schien die Veränderung seiner Frau nicht zu bemerken oder bewußt zu ignorieren. Seine Geschäftsreisen wurden länger und häufiger. Nachbarn begannen zu vermuten, dass die Ehe nicht glücklich verlief.
Gelegentlich hörte man abends Stimmen aus dem Haus. Nicht laut oder aggressiv, aber eindringlich und anhaltend. Es klang, als würde jemand beharrlich auf etwas bestehen, während eine andere Stimme mit leiser Verzweiflung antwortete. Im Frühjahr 1923 ereignete sich ein Vorfall, der die Nachbarn erstmals ernsthaft beunruhigte.
Frau Müller wurde gegen drei Uhr morgens von Geräuschen aus dem Haus der Bergers geweckt. Sie beschrieb es als das Geräusch schwerer Gegenstände, die über Holzfußböden geschleift werden, gefolgt von rhythmischem Hämmern oder Klopfen. Die Geräusche dauerten fast zwei Stunden an und Frau Müller beobachtete schwachen Lichtschein hinter den Fenstern im Erdgeschoss, dort, wo die verschlossene Werkstatt lag.
Am nächsten Morgen fragte sie Anna vorsichtig nach den nächtlichen Aktivitäten. Anna leugnete zunächst etwas gehört zu haben, aber als Frau Müller beharrte, wurde Anna plötzlich sehr blass und murmelte. Manchmal müssen alte Dinge neu geordnet werden. Manchmal ist es nicht möglich, sie ruhen zu lassen. Wenige Wochen später, am 18.
Juni 1923 verstarb Karl Berger unerwartet in seinem eigenen Bett. Die offizielle Todesursache wurde als akutes Herzversagen dokumentiert, aber die Umstände seines Todes warfen Fragen auf, die nie zufriedenstellend beantwortet wurden. Anna fand Karls Leichnam am Morgen und alarmierte sofort den Arzt und die Nachbarn. Dr.
Hermann Kellner, ein entfernter Verwandter der Bäckersfrau, der erst kürzlich seine medizinische Ausbildung abgeschlossen hatte, untersuchte den Verstorbenen und stellte fest, dass Karl offenbar friedlich in seinem Schlaf gestorben war. Sein Gesichtsausdruck war entspannt. Es gab keine Anzeichen eines Kampfes oder von Schmerzen. Dennoch bemerkte Dr. Kellner einige ungewöhnliche Details, die er in seinen privaten Aufzeichnungen festhielt.

Der Verstorbene riecht eigenartig süßlich, ähnlich dem Duft, den ich gelegentlich in der Nähe des Hauses wahrgenommen habe. Seine Fingernägel sind ungewöhnlich verfärbt, nicht bläulich, wie es bei Herzversagen typisch wäre, sondern gelblich grün. Die Witwe reagiert auf den Tod merkwürdig gefasst, fast erleichtert.
Annas Reaktion auf Karls Tod war in der Tat bemerkenswert. Während andere Witwen in der Nachbarschaft bei ähnlichen Verlusten wochenlang getrauert und geweint hatten, zeigte Anna kaum Emotionen. Sie organisierte die Beerdigung mit geschäftsmäßiger Effizienz, empfing Kondolenzbesucher höflich, aber distanziert und kehrte bereits am Tag nach der Beisetzung zu ihrer gewohnten Routine zurück.
“Es war, als wäre eine große Last von ihren Schultern genommen worden”, berichtete Frau Kellner. Ich erwartete, daß sie zusammenbrechen würde, aber stattdessen wirkte sie zum ersten Mal seit Jahren entspannt. Sie lächelte sogar, als sie am Tag nach der Beerdigung ihr Brot kaufte. Diese scheinbare Gelassenheit sollte jedoch nicht lange anhalten.
Bereits eine Woche nach Karls Beerdigung begannen neue noch beunruhigendere Ereignisse im Haus in der Schusterstraße 47. Die mysteriösen Briefe, die während Karls letzter Lebenswochen seltener geworden waren, kamen nun mit neuer Intensität. Johann Gründler berichtete, dass er manchmal zwei oder drei Briefe gleichzeitig zustellen musste.
Alle adressiert an Anna, alle ohne Absender, alle mit den charakteristischen Wachssiegeln. Anna reagierte auf diese neuen Briefe völlig anders als früher. Statt sie sofort zu verbrennen, trug sie sie ungeöffnet ins Haus und kam erst Stunden später in den Innenhof, um sie zu vernichten.
Manchmal vergaß sie das Verbrennen ganz und Gründler sah am nächsten Tag noch die Umschläge auf dem Küchentisch liegen, wenn er weitere Briefe brachte. Die Veränderung in Annas Verhalten war dramatisch. Sie begannen wir zu sprechen, wenn Nachbarn sie ansprachen. Ihre Antworten ergaben oft keinen Sinn oder bezogen sich auf Dinge, die niemals geschehen waren.
Frau Müller berichtete von einem Gespräch, das sie zutiefst verstörte. Ich fragte Anna, wie es ihr ginge und sie antwortete: “Die Uhren in der Werkstatt gehen wieder, Frau Müller. Vater hat sie repariert, obwohl er tot ist. Sie zeigen alle eine andere Zeit an, aber alle ticken im gleichen Rhythmus.
Als ich sagte, dass die Werkstatt doch verschlossen sei, lächelte sie und sagte: “Schlösser halten nur die Lebenden fern.” Und gleichzeitig begannen Nachbarn von seltsamen Geräuschen aus dem Haus zu berichten. Das rhythmische Klopfen und Hämmern, das Frau Müller schon einmal gehört hatte, wurde zu einem nächtlichen Dauerzustand. Zwischen Mitternacht und 4 Uhr morgens drang ein konstantes leises Hämmern aus dem Erdgeschoss, dort, wo die verschlossene Werkstatt lag.
Herr Zimmermann, der als Hausverwalter einen Schlüssel zum Gebäude besaß, wagte sich eines Nachts ins Haus, um die Quelle der Geräusche zu ermitteln. Was er erlebte, beschrieb er später als die verstörendste Nacht meines Lebens. Ich ging leise die Treppe hinauf zu Annas Wohnung.
Ihr Licht brannte und ich hörte sie sprechen, aber sie führte ein Gespräch mit mehreren Personen. Manchmal antwortete sie auf Fragen, die ich nicht hören konnte. Manchmal lachte sie über etwas, das jemand gesagt haben musste, aber sie war allein in der Wohnung. Zimmermann klopfte vorsichtig an Annas Tür, aber das Gespräch ging weiter, als hätte sie ihn nicht gehört.
Als er schließlich ihren Namen rief, wurde es plötzlich völlig still. Nach mehreren Minuten öffnete Anna die Tür einen Spalt und sah ihn mit glasigen, weit aufgerissenen Augen an. “Herr Zimmermann”, sagte sie mit einer Stimme, die er kaum wieder erkannte. Sie sollten nachts nicht hier sein. Nachts gehört das Haus nicht mehr den Lebenden. Die nächtlichen Geräusche aus der verschlossenen Werkstatt wurden intensiver und regelmäßiger.
Nachbarn berichteten nicht nur von Hämmern und Klopfen, sondern auch von Geräuschen, die klangen wie das Ticken vieler Uhren, aber nicht synchron, sondern in einem chaotischen, beunruhigenden Rhythmus. Manchmal schien es, als würden schwere Möbel verschoben oder Metallgegenstände über den Boden geschleift.
Frau Kellner, deren Haus direkt gegenüber lag, begann ein Tagebuch über die nächtlichen Ereignisse zu führen. 3. August 1923 Hämmern von 1.15 bis 3 Uhr Licht in der Werkstatt, obwohl die Fenster vernagelt sind. 7. August. Mehrere Uhren ticken gleichzeitig, aber alle unterschiedlich schnell. Klingt wie ein Herz, das unregelmäßig schlägt. 12. August.
Anna stand eine Stunde lang regungslos im Innenhof. Sie trug ihr Nachthemd und starrte zu den Fenstern der Werkstatt hoch. Als ich sie ansprach, reagierte sie nicht. Der Höhepunkt dieser beunruhigenden Entwicklung ereignete sich in der Nacht des 15. August 1923 gegen 2 Uhr morgens wurden mehrere Nachbarn von einem durchdringenden Schrei geweckt.
Nicht einem Schrei der Angst, sondern einem Schrei der Wut oder Verzweiflung. Der Schrei kam eindeutig aus dem Haus der Bergers und dauerte mehrere Sekunden an. Frau Müller, Frau Kellner und Herr Zimmermann trafen sich auf der Straße, alle in hastiger Nachtkleidung und beschlossen gemeinsam nachzusehen. Als sie das Haus betraten, fanden sie die Tür zu Annas Wohnung weit offen.
Anna saß in ihrem Nachthemd mitten im Wohnzimmer auf dem Boden, umgeben von zerrissenen Papieren und brennenden Kerzen. Sie weinte und lachte gleichzeitig, berichtete Frau Müller. In ihrer Hand hielt sie mehrere der mysteriösen Briefe und sie sprach mit jemandem, den wir nicht sehen konnten. Sie sagte Dinge wie: “Ich kann nicht mehr zahlen und die Zeit ist abgelaufen” und Karl wusste nicht, was er getan hat.
Als die Nachbarn versuchten, Anna zu beruhigen und aufzuhelfen, reagierte sie mit panischer Furcht. Sie wich zurück und schrie: “Nicht berühren. Sie haben mich schon berührt. Ich gehöre jetzt ihnen.” Es dauerte über eine Stunde, bis Anna sich so weit beruhigt hatte, dass sie in ihr Bett gebracht werden konnte.
Am nächsten Morgen erinnerte sich Anna anscheinend an nichts von dem nächtlichen Vorfall. Als Frau Kellner sie darauf ansprach, behauptete Anna, sie habe die ganze Nacht tief geschlafen und von einem schönen Garten geträumt, in dem alle Uhren zur richtigen Zeit gingen. Diese Episode markierte einen Wendepunkt.
Die mysteriösen nächtlichen Aktivitäten hörten so plötzlich auf, wie sie begonnen hatten. Das Hämmern verstummte, die Uhren hörten auf zu ticken und Anna schien zu ihrer früheren ruhigen Routine zurückzukehren. Oberflächlich betrachtet normalisierte sich ihr Leben. Sie kaufte wieder regelmäßig ihr Brot, besuchte die Sonntagsmesse und grüßte die Nachbarn höflich. Doch aufmerksame Beobachter bemerkten subtile Veränderungen.
Anna hatte begonnen, alle ihre Fenster mit schwarzem Stoff zu verhängen. Von außen war das Haus tagsüber völlig dunkel, auch wenn man wusste, dass sich Anna drinnen bewegte. Sie verließ das Haus nur noch für die notwendigsten Besorgungen und kehrte immer hastig zurück, als verfolge sie jemand. Die mysteriösen Briefe kamen weiterhin, aber in größeren Abständen.
Anna reagierte auf sie jetzt mit einer Art resignier Akzeptanz. Sie öffnete sie nicht mehr hastig an der Tür, sondern trug sie ins Haus und las sie offenbar mehrmals, bevor sie sie verbrannte. Johann Gründler bemerkte, dass Anna nach der Lektüre dieser Briefe oft tagelang nicht das Haus verließ. Im Winter 194 begann Anna seltsame Einkäufe zu machen.
Sie bestellte bei verschiedenen Geschäften in der Stadt große Mengen von Materialien, die für eine alleinlebende Frau ungewöhnlich waren. Schwere Eisennägel, dicke Holzbretter, mehrere Säcke Kalk und merkwürdigerweise eine beträchtliche Menge Bienenwachs. Als der Eisenhändler fragte, wofür sie die Materialien benötige, antwortete Anna: “Für Reparaturen, die schon lange überfällig sind.
Diese Materialien wurden alle in den Keller des Hauses geliefert, in jenen Keller unter der ehemaligen Werkstatt, den Anna so vehement vor Berührung geschützt hatte. Die Lieferungen erfolgten immer zu ungewöhnlichen Zeiten, früh am Morgen oder später am Abend, wenn die Straße Menschen leer war.
Anna bestand darauf, die Materialien persönlich in Empfang zu nehmen und lehnte jede Hilfe beim Transport ab. Nachbarn begannen erneut, nächtliche Geräusche zu hören, aber diese waren anders als die früheren. Statt des rhythmischen Hämmerns hörten sie jetzt das Geräusch von schwerem Graben und gelegentliches Schaben von Metall auf Stein. Diese Geräusche kamen eindeutig aus dem Keller und dauerten oft die ganze Nacht an.
Frau Müller berichtete von einem besonders verstörenden Erlebnis. Ich konnte nicht schlafen und stand am Fenster. Gegen 4 Uhr morgens sah ich Anna im Innenhof. Sie trug schwere Eimer und schüttete deren Inhalt in ein großes Metallbecken. Was sie ausschüttete, sah aus wie Erde, aber es roch süßlich und chemisch. Sie wiederholte das Zwölf, ehe sie ins Haus zurückkehrte.
Die Aktivitäten in dem Haus erreichten im Sommer 192 einen neuen Höhepunkt. Anna bestellte bei einem Friedhofsgärtner eine große Menge besondere Erde für schwierige Wachstumsbedingungen, wie sie es ausdrückte. Der Gärtner, verwundert über diese ungewöhnliche Bestellung, fragte nach dem Verwendungszweck.
Anna antwortete: “Ich möchte etwas Pflanzen, das schon einmal gewachsen ist und wieder wachsen soll. Diese kryptischen Äußerungen und die fortgesetzten nächtlichen Aktivitäten führten dazu, daß sich die Nachbarn zunehmend unwohl fühlten. Einige überlegten, die Polizei zu informieren, aber da Anna scheinbar niemandem schadete und nur in ihrem eigenen Haus seltsame Dinge tat, sahen sie keine rechtliche Grundlage für ein Eingreifen.
sollte sich im Herbst 1925 ändern, als ein Ereignis eintrat, das die gesamte Nachbarschaft in Aufruhr versetzte. Am 23. Oktober 1925, einem nebligen Donnerstagabend wurde der Handwerker Heinrich Weckesser, der in der Nähe wohnte und gelegentlich kleinere Reparaturen für die Nachbahn erledigte, von Anna um Hilfe gebeten.
Er sollte eine defekte Wasserleitung in ihrem Keller reparieren. Was er dort erlebte, beschrieb er später als das verstörendste in dreig Jahren handwerklicher Tätigkeit. Wegesser berichtete, als ich in den Keller hinabstieg, erwartete ich einen normalen Reparaturauftrag. Stattdessen fand ich einen Raum vor, der völlig verändert war.
Überall waren Gruben in den Boden gegraben. Tiefe, ordentlich ausgehobene Gruben wie Gräber. An den Wänden standen Dutzende von Uhren. Alle tickend, aber alle in unterschiedlichem Rhythmus. Der Lärm war ohrenbetäubend. Als Weckgesser Anna nach der Bedeutung dieser Gruben fragte, antwortete sie: “Mein Vater war Urmacher, Herr Wegesser.
Zeit ist ein kostbares Gut und manchmal muss man sie pflanzen, damit sie wächst.” Diese Antwort war so verwirrend und beunruhigend, dass Weckesser beschloss, die Reparatur so schnell wie möglich zu beenden und das Haus zu verlassen. Noch verstörender war jedoch, was Weckesser in einer der Gruben entdeckte. In einer der tieferen Gruben lagen seltsame Gegenstände, berichtete er der Polizei.
Kleidungsstücke, persönliche Sachen, die aussahen, als hätten sie verschiedenen Menschen gehört. Und es roch. Es roch nach etwas, dass ich nicht identifizieren konnte, aber es machte mir übel. Weckessers Bericht führte dazu, dass Herr Zimmermann als Hausverwalter eine offizielle Inspektion des Kellers beantragte.
Anna widersprach wehement, aber rechtlich hatte sie keine Grundlage für eine Verweigerung. Am 15. Mai fand die Inspektion statt, durchgeführt von Zimmermann, einem Polizeibeamten und dem Bezirksrichter. Was sie im Keller fanden, übertraf alle Erwartungen. Der Raum war tatsächlich voller Gruben, 16 an der Zahl, alle etwa 2 m lang, 1 Meter breit und unterschiedlich tief.
Einige waren leer, andere mit einer merkwürdigen Mischung aus Erde, Kalk und anderen Substanzen gefüllt. An den Wänden standen nicht nur Uhren, sondern auch Regale voller Gläser mit unidentifierbaren Inhalten. In einer Ecke des Kellers fanden sie einen kleinen Altar, aufgebaut aus Urmacherwerkzeugen und alten Uhrenteilen. Darauf lagen mehrere der mysteriösen Briefe, die Anna erhalten hatte, sowie ein Tagebuch in ihrer Handschrift.
Die Einträge in diesem Tagebuch warfen ein völlig neues Licht auf Annas Verhalten der letzten Jahre. Die ersten Einträge stammten aus der Zeit kurz nach Karls Tod und waren noch relativ klar und verständlich. Juni 1923. Die Briefe sind wiedergekommen. Sie fordern mehr als Karl bezahlen konnte. Sie sagen, Schulden gehen auf die Erben über.
Ich verstehe nicht, was Karl getan hat. Die späteren Einträge wurden zunehmend wir und beunruhigender. August 1925. Vater spricht zu mir aus der Werkstatt. Er sagt: “Die Zeit läuft rückwärts, wenn man sie richtig pflanzt. Die Uhren wissen, wie es geht.” Und schließlich März 1926. Sie sind fast fertig. Bald werden alle zur richtigen Zeit erwachen.
Die Gruben sind bereit und die Zeit ist reif geworden. Und das Tagebuch enthielt auch detaillierte Beschreibungen von Ritualen und Prozeduren, die Anna offenbar regelmäßig im Keller durchgeführt hatte. Sie beschrieb das Pflanzen von Zeitkapseln in den Gruben, das Füttern der wartenden Uhren und die Kommunion mit den Zeitwächtern.

Die meisten dieser Beschreibungen ergaben keinen Sinn, aber sie zeigten deutlich, daß Anna in einer vollständig von der Realität gelösten Welt lebte. Aufgrund dieser Entdeckungen wurde Anna in die städtische Nervenheilanstalt eingewiesen. Die Diagnose lautete schwere Warnvorstellungen mit halluzinatorischen Elementen. Anna widersprach der Einweisung nicht, schien sogar erleichtert zu sein.
Ihre letzten Worte vor der Abreise ins Sanatorium waren: Endlich kann ich schlafen, die Uhren werden warten müssen. Anna verbrachte fast ein Jahr in der Nervenheilanstalt. Während dieser Zeit verhielt sie sich mustergültig, ruhig, höflich und scheinbar völlig normal. Sie sprach nie über die Ereignisse in ihrem Haus oder über die mysteriösen Briefe.
Die behandelnden Ärzte kamen zu dem Schluss, dass sie unter einer vorübergehenden psychischen Störung gelitten hatte, die durch die Einsamkeit und den Verlust ihres Ehemannes ausgelöst worden war. Im Frühjahr 1927 wurde Anna als geheilt entlassen. Sie kehrte in ihr Haus zurück, das während ihrer Abwesenheit gründlich gereinigt und renoviert worden war.
Der Keller war zugeschüttet, die Uhren entfernt und die gesamte Wohnung neu gestrichen worden. Anna schien dankbar für diese Veränderungen und nahm ihre alte Routine wieder auf. tägliche Besuche beim Bäcker, sonntagliche Kirchgänge und ein ruhiges, unauffälliges Leben. Für etwa sechs Monate verlief alles normal. Anna wirkte entspannt und ausgeglichen, sprach freundlich mit den Nachbarn und schien ihre früheren Warnvorstellungen völlig überwunden zu haben. Die mysteriösen Briefe kamen nicht mehr und nachts war das Haus völlig still.
Dann im Oktober 1927 begannen erneut seltsame Ereignisse. Es fing harmlos an. Anna verpasste einen ihrer regelmäßigen Bäckereibesuche. Dann zwei, dann eine Woche. Als Frau Kellner beunruhigt nachfragte, erklärte Anna, sie fühle sich nicht wohl und bevorzuge es zu Hause zu bleiben.
Ihre Erklärung klang plausibel, aber ihr Verhalten war merkwürdig. Sie sprach sehr leise, schaute ständig über die Schulter und schien nervös und angespannt. Die Nachbarn bemerken, dass Anna wieder begonnen hatte, ihre Fenster zu verhängen. Diesmal nicht nur mit schwarzem Stoff, sondern mit mehreren Schichten verschiedener Materialien, sodass absolut kein Licht mehr in das Haus dringen konnte.
Das Gebäude wirkte auch tagsüber wie unbewohnt. Gleichzeitig begann Johann Gründler wieder mysteriöse Briefe für Anna zu erhalten. Diese neuen Briefe unterschieden sich von den früheren. Sie waren größer, trugen aufwendige Wachssiegel und rochen intensiv nach der charakteristischen süßlichen Substanz. Anna reagierte auf diese Briefe mit sichtbarer Furcht, aber auch mit einer Art zwanghafter Faszination.
In den ersten Oktobertagen wurden die nächtlichen Geräusche aus dem Haus wieder hörbar, aber sie waren anders als früher, leiser, heimlicher, als würde jemand versuchen, nicht entdeckt zu werden. Frau Müller berichtete von schleichenden Schritten und dem gelegentlichen Scharren von Metall auf Holz. Am 10. Oktober erhielt Anna einen besonders großen Brief mit einem schwarzen Wachssiegel.
Johann Gründler bemerkte, dass sie beim Anblick dieses Briefes so heftig zu zittern begann, daß sie ihn mehrmals fallen ließ, bevor sie ihn ins Haus tragen konnte. Das war das letzte Mal, dass jemand Anna lebendig sah. Die Entdeckung von Annas Verschwinden und die anschließenden Ermittlungen warfen mehr Fragen auf, als sie beantworteten. Die Polizei unter der Leitung von Kommissar Heinrich Weber begann eine systematische Untersuchung, die Schritt für Schritt ein Puzzle aus Geheimnissen, Täuschungen und möglicherweise Verbrechen zusammensetzte. Die Durchsuchung der Wohnung ergab keine
klaren Hinweise auf Annas Verbleib, aber mehrere Details deuteten darauf hin, daß ihr Verschwinden geplant gewesen war. Sämtliche schwarze Kleidungsstücke fehlten aus ihrem Schrank, während bunte und helle Kleider unberührt hingen.
Ihre wenigen Wertsachen waren zurückgelassen worden, aber ihre warmen Unterwäsche und ihre festen Schuhe waren verschwunden. In der Küche fanden die Ermittler Vorräte für mehrere Tage, als hätte Anna eine Reise geplant. Ein kleiner Rucksack, den Nachbarn früher in ihrer Wohnung gesehen hatten, war verschwunden. Diese Details deuteten darauf hin, daß Anna bewusst und vorbereitet das Haus verlassen hatte.
Die Untersuchung des Kellers, der nach Annas Einweisung zugeschüttet worden war, brachte eine verstörende Überraschung. Jemand hatte den Keller wieder ausgegraben, heimlich, vermutlich in den Wochen vor Annas verschwinden. Die Erde war frisch bewegt und in einer Ecke fanden die Ermittler eine kleine leere Grube, die offenbar erst kürzlich gegraben worden war.
Neben der Grube lag ein eiserner Kasten, verschlossen mit einem Vorhängeschloss. Als die Polizei das Schloss aufbrach, fanden sie eine Sammlung von etwa 30 Briefen, alle in verschiedenen Handschriften geschrieben, alle an Anna adressiert, aber ohne Datum oder eindeutige Unterschrift. Diese Briefe enthielten Forderungen nach Geld, Drohungen gegen Anna und kryptische Anweisungen für Treffen an verschiedenen Orten. Ein Brief war besonders aufschlussreich.
Ihre Schuld ist größer geworden, Frau Berger. Ihr verstorbener Mann hat mehr genommen, als er zurückgeben konnte. Wir haben geduldig gewartet, aber unsere Geduld hat Grenzen. Sie wissen, wo das Gold versteckt ist, und Sie werden es uns geben. Der Platz am alten Steinkreuz, Samstag nach Mitternacht. Kommen Sie allein oder es wird Konsequenzen geben. Dieser Brief war auf den 12.
Oktober 1927 datiert, zwei Tage vor Annas verschwinden. Die Ermittlungen deckten auch Details aus Karls Geschäftstätigkeit auf, die ein völlig anderes Licht auf die mysteriösen Ereignisse warfen. Karl war nicht nur Handelsvertreter gewesen, sondern hatte auch private Geldverleiheschäfte betrieben und zwar in einem Umfang und mit Methoden, die an der Grenze zur Kriminalität lagen.
In einem Banktresor fanden die Ermittler Karls geheime Geschäftsunterlagen. Diese Dokumente zeigten ein Netzwerk von Kreditgeschäften mit Personen aus der gesamten Schwarzwaldion. Karl hatte Geld an verzweifelte Menschen verliehen, oft zu Wucherzinsen und als Sicherheit nicht nur materielle Güter, sondern auch Dienstleistungen und zukünftige Verpflichtungen akzeptiert.
Besonders beunruhigend waren die Verträge mit mehreren Männern, die als Geschäftspartner bezeichnet wurden, aber offenbar als Geldeintreiber und Einschüchterer arbeiteten. Diese Männer hatten von Karl nicht nur Geld erhalten, sondern auch detaillierte Informationen über die Lebensumstände seiner Schuldner, einschließlich ihrer Familien, Wohnorte und täglichen Routinen.
Einer dieser Geschäftspartner war Wilhelm Steiner, der bereits in den ersten Ermittlungen als verdächtig aufgefallen war. Die Verträge mit Steiner zeigten, dass dieser nicht nur als Geldeintreiber gearbeitet, sondern auch eigene Kredite bei Karl aufgenommen hatte. Kredite, die er offenbar nie zurückgezahlt hatte. Die Polizei rekonstruierte die wahrscheinlichen Ereignisse.
Karl hatte ein Netzwerk von Kreditgeschäften aufgebaut, das nach seinem Tod zusammengebrochen war. Seine Partner waren auf ihrem Geld sitzen geblieben und hatten Anna als Karls Erbin für seine Schulden verantwortlich gemacht. Die mysteriösen Briefe waren Teil einer systematischen Kampagne gewesen, um Anna zur Zahlung zu zwingen oder sie zu wichtigen Informationen über versteckte Vermögenswerte zu bewegen.
Als Anna nicht zahlen konnte oder wollte, hatten sie sie möglicherweise entführt oder zur Flucht genötigt. Der Brief mit dem Termin am alten Steinkreuz deutete auf ein geplantes Treffen hin, bei dem Anna entweder das geforderte Gold übergeben oder die Konsequenzen tragen sollte.
Die Polizei suchte nach dem erwähnten alten Steinkreuz und fand es auf einer kleinen Lichtung etwa 3 km außerhalb von Freiburg. Es handelte sich um ein mittelalterliches Steinkreuz, das an einer Kreuzung von Waldwegen stand und früher als Wegmarkierung und Gedenkort gedient hatte. An diesem Ort fanden die Ermittler deutliche Spuren menschlicher Aktivität, den Boden von vielen Füßen zertreten, Reste eines kürzlich gelöschten Feuers und verschiedene persönliche Gegenstände, die offenbar hastig verloren oder weggeworfen worden waren. Unter diesen Gegenständen befand sich ein kleiner goldener Ring, den Nachbarn
als Annas Ehering identifizierten. Die Spuren führten von dem Steinkreuz weg in den tiefen Wald, wo sie sich verloren. Eine intensive Suche mit Spürhunden ergab weitere verstörende Hinweise. In einer steilen Schlucht, etwa eine Stunde Fußmarsch vom Steinkreuz entfernt, fanden sich Reste von schwarzer Kleidung und das goldene Medaillon, das Anna von ihrer Mutter geerbt hatte.
Diese Gegenstände lagen in einer schwer zugänglichen Höhle, die nur Kriechen zu erreichen war. Die Kleidungsreste waren mit einer eigenartigen, wachsartigen Substanz bedeckt, die den charakteristischen süßlichen Geruch verströmte, der den Nachbarn aus Annas Haus bekannt war. Trotz intensiver Fahndung konnten Wilhelm Steiner und seine Komplizen nie gefasßt werden.
Ihre Spuren verloren sich im Winter 1922 vollständig, als wären sie von der Erde verschluckt worden. Einige Monate später erreichte die Polizei ein anonymer Brief, in dem behauptet wurde, dass mehrere der gesuchten Männer bei einem Unfall in den Bergen ums Leben gekommen sein. Diese Behauptung konnte jedoch nie verifiziert werden.
Der Fall Anna Berger wurde 1929 offiziell zu den ungelösten Akten gelegt. Kommissar Weber fasste in seinem Abschlussbericht zusammen, es ist anzunehmen, dass Anna Berger Opfer eines geplanten Verbrechens wurde, das im Zusammenhang mit den illegalen Geschäftspraktiken ihres verstorbenen Ehemannes steht.
Die Täter haben systematisch vorgegangen und große Anstrengungen unternommen, ihre Spuren zu verwischen. Das Haus in der Schusterstraße 47 blieb über zwei Jahre lang leer stehen. Nachbarn berichteten von seltsamen Phänomenen, Lichter, die in den verlassenen Räumen flackerten, obwohl der Strom abgestellt war und nächtliche Geräusche, die an Annas Zeit erinnerten.
Mehrere Interessenten zogen ihre Kaufangebote zurück, nachdem sie das Haus besichtigt hatten. 1930 kaufte schließlich eine Familie aus München das Anwesen zu einem deutlich reduzierten Preis. Sie ließen umfangreiche Renovierungsarbeiten durchführen und entdeckten dabei weitere verstörende Details.
In den Wänden fanden sich Hohlräume mit persönlichen Gegenständen verschiedener Personen. Nicht nur von Anna, sondern auch von Menschen, die niemand identifizieren konnte. In einem dieser Hohlräume fand sich ein letzter Brief, nicht an Anna adressiert, sondern von ihr geschrieben. Der Brief war nie abgeschickt worden und trug kein Datum, aber die zittrige Handschrift deutete darauf hin, dass er in ihren letzten Tagen entstanden war.
Anna schrieb: “Wer auch immer dies findet, ich habe versucht stark zu bleiben, aber sie geben mir keine Ruhe.” Karl hatte mehr Geheimnisse, als ich wußte. Die Schuld ist größer als alles Geld der Welt. Ich kann nicht mehr unterscheiden, was wahr ist und was nur in meinem Kopf existiert. Wenn ich verschwinde, sucht nicht nach mir. Manche Türen sollten verschlossen bleiben.
Dieser Brief war das letzte direkte Zeugnis von Anna Berger. Die Familie lebte drei Jahre in dem renovierten Haus, verkaufte es aber3 unter mysteriösen Umständen und verließ Freiburg. Sie gaben als Grund unüberwindbare Schwierigkeiten mit der Wohnatmosphäre an. Seitdem wechselte das Anwesen mehrmals den Besitzer und jedesmal verließen die Bewohner es nach kurzer Zeit unter ähnlichen Umständen.
In den Polizeiarchiven wurde der Fall 1935 zu den ungelösten Akten gelegt. Ein Verkt des damaligen Polizeichefs besagte: “Der Fall Berger zeigt die Grenzen polizeilicher Ermittlungsarbeit auf, wenn die Täter systematisch und mit großer Sorgfalt vorgehen.
Es ist anzunehmen, dass ähnliche Fälle in der Vergangenheit nicht als Verbrechen erkannt wurden. Während des Zweiten Weltkriegs gingen viele Akten verloren, darunter auch Teile der Unterlagen zum Fall Anna Berger. Was erhalten blieb, wurde 195 in die Archive der Stadt Freiburg überführt. Ein junger Historiker, der 1963 eine Dissertation über Kriminalität in der Weimarer Republik schrieb, stieß auf die verbliebenen Dokumente und begann, den Fall zu rekonstruieren.
Seine Nachforschungen führten zu weiteren beunruhigenden Entdeckungen. In den Kirchenbüchern verschiedener Gemeinden der Region fand der Hinweise auf ähnliche Fälle von verschwundenen Frauen in den Jahren 1924 bis 1930. Alle diese Frauen hatten eines gemeinsam. Ihre verstorbenen Ehemänner hatten Geschäfte mit Personen gemacht, die später nicht mehr auffindbaren.
Die Parallelen waren so auffällig, dass der Historiker von einer systematischen Verbrechersie ausging. Seine Forschungsergebnisse wollte er 1964 in einem wissenschaftlichen Artikel veröffentlichen. Bevor dies geschehen konnte, verschwanden jedoch sowohl seine Aufzeichnungen als auch er selbst spurlos aus seinem Büro in der Universität.
Kollegen berichteten, er habe in den letzten Wochen vor seinem Verschwinden von mysteriösen Anrufen und Briefen erzählt, die ihn zur Aufgabe seiner Forschungen drängen wollten. Der letzte bekannte Hinweis auf den Fall Anna Berger stammt aus dem Jahr 1967. Ein Bauarbeiter, der an der Erneuerung des Fundaments eines Hauses in der Nähe der Schusterstraße arbeitete, fand in etwa 2 m Tiefe ein kleines metallenes Kästchen.
Darin befanden sich persönliche Gegenstände einer Frau, ein Ring, ein paar Ohrringe und ein kleines Foto, das eine junge Anna Berger zeigte. Auf der Rückseite des Fotos stand in der bekannten zittrigen Handschrift: “Für die, die nach der Wahrheit suchen, sie liegt tiefer als ihr denkt.” Das Kästchen wurde den Behörden übergeben, verschwand jedoch aus ungeklärten Gründen aus dem Polizeidepot, bevor es gründlich untersucht werden konnte.
Der Bauarbeiter, der es gefunden hatte, zog wenige Wochen später aus Freiburg weg und war für weitere Befragungen nicht erreichbar. Heute fast ein Jahrhundert später steht an der Stelle von Annas Haus ein modernes Bürogebäude. Die Schusterstraße wurde umbenannt und trägt nun den Namen eines lokalen Politikers. Nur wenige Bewohner von Freiburg kennen noch die Geschichte von Anna Berger und die, die sie kennen, sprechen ungern darüber.
Gelegentlich berichten jedoch Anwohner der Gegend von merkwürdigen Ereignissen, einem süßlichen Geruch, der an windstillen Abenden durch die Straßen zieht, oder von einer Frauengestalt in schwarzer Kleidung, die in den frühen Morgenstunden zwischen den Häusern wandelt. Diese Berichte werden meist als städtische Legenden abgetan, aber diejenigen, die sie machen, beschreiben alle die gleiche tiefe Unruhe, die sie beim Anblick dieser Erscheinung empfinden.
Die Wahrheit über Anna Bergers Schicksal bleibt im Dunkel der Geschichte verborgen. Was bleibt ist die Gewissheit, dass in den scheinbar ruhigen Straßen einer deutschen Provinzstadt einstreignisse stattfanden, die die Grenzen zwischen Realität und Albtraum verwischten. Und manchmal in den stillen Stunden zwischen Tag und Nacht scheint es, als würde die Vergangenheit noch immer ihre Schatten werfen.
Schatten, die tiefer reichen als die Lebenden zu graben wagen.