Die Verteidigung von Sevastopol während des Zweiten Weltkriegs gehört zu den eindrucksvollsten militärischen Leistungen in der Geschichte moderner Kriegsführung. Vom Oktober 1941 bis zum Juli 1942 widerstand die Stadt einem der massivsten Angriffe der deutschen Wehrmacht. Diese Geschichte ist nicht nur eine Chronik militärischer Operationen, sondern auch ein Zeugnis menschlicher Ausdauer strategischer Bedeutung.

und der brutalen Realität des totalen Krieges. Um zu verstehen, warum Sevastopol so lange durchhalten konnte, müssen wir zunächst die strategische Bedeutung dieser Stadt begreifen. Sevastopol war nicht einfach irgendeine Stadt auf der Krim. Es war der Hauptstützpunkt der sowjetischen Schwarzmeerflotte, eine Festungsstadt mit jahrhundertelanger militärischer Tradition.
Bereits im Krimkrieg von bis hatte die Stadt eine legendäre Belagerung überstanden. Die Befestigungen waren im Laufe der Jahrzehnte kontinuierlich ausgebaut worden. Die geographische Lage spielte eine entscheidende Rolle. Die Stadt liegt auf der südwestlichen Spitze der Krim, umgeben von schroffen Klippen und dem schwarzen Meer.
Diese natürliche Festung war durch eine Reihe von Verteidigungslinien geschützt. Die äußere Verteidigungslinie erstreckte sich über 35 km und umfasste Betonbunker, Artilleriestellungen, Panzergräben und Minenfelder. Dahinter lagen weitere Verteidigungslinien, jede einzelne stark befestigt. Als die Operation Barbarossa am Juni 1941 begann, war die Krim zunächst nicht das Hauptziel der deutschen Offensive.
Die Wehrmacht konzentrierte sich auf drei Hauptstoßrichtungen: Leningrad im Norden, Moskau in der Mitte und die Ukraine im Süden. Doch bereits im September 1941 wurde deutlich, dass die Krim von großer strategischer Bedeutung war. Von hier aus konnten sowjetische Bomber die rumänischen Ölfelder bei Ployeshti angreifen, die für die deutsche Kriegsmaschinerie lebenswichtig waren.
Die elfte deutsche Armee unter Generaloberst Erich von Mannstein erhielt den Befehl, die Krim zu erobern. Mannstein war einer der brillantesten Strategen der Wehrmacht, bekannt für seine operativen Fähigkeiten. Seine Armee bestand aus sieben deutschen und zwei rumänischen Divisionen. Unterstützt wurde er durch massive Luftwaffenverbände, darunter das achte Fliegerchor unter Wolfram von Richthofen.
Der Angriff auf die Krim begann am 24. September 1941. Die deutschen Truppen durchbrachen die sowjetischen Verteidigungslinien am Perekopismus der schmalen Landbrücke, die die Krim mit dem Festland verbindet. Trotz erbitter sowjetischer Gegenwehr gelang es den Deutschen nach mehrwöchigen Kämpfen die Krim zu betreten.
Bis Ende Oktober 1941 hatten sie den größten Teil der Halbinsel erobert. Doch Sebastopol war eine andere Geschichte. Die Stadt war nicht nur besser befestigt als jede andere Position auf der Krim, sondern auch entschlossen verteidigt. Die Primoskaja Armee unter Generalmajor Ivan Petrov sowie Teile der Schwarzmehrerflotte unter Admiral Philip Oktia Briski bildeten die Verteidiger.
Insgesamt verfügten sie über etwa 160.000 Mann, obwohl diese Zahl im Laufe der Belagerung schwankte. Der erste deutsche Angriff auf Sevastopol begann am 30. Oktober 1941. Die Deutschen erwarteten die Stadt innerhalb weniger Tage einzunehmen. Sie wurden jedoch von der Intensität des sowjetischen Widerstands überrascht.
Jeder Bunker, jede Artilleriestellung mußte einzeln erobert werden. Die sowjetischen Verteidiger kämpften mit einer Verbissenheit, die selbsterfahrene deutsche Soldaten beeindruckte. Ein entscheidender Faktor für den langen Widerstand war die sowjetische Schwarzmeerflotte. Obwohl die Luftwaffe die Luftüberlegenheit hatte, gelang es den sowjetischen Schiffen Nachschub und Verstärkungen in die belagerte Stadt zu bringen.
Bei Nacht liefen Zerstörer, U-Boote und schnelle Transporter den Hafen an. Sie brachten Munition, Lebensmittel, Medikamente und frische Truppen. Auf dem Rückweg nahmen sie Verwundete und Zivilisten mit. Diese Versorgungslinien waren die Lebensadern der Festung. Die Deutschen versuchten verzweifelt, diese Nachschubwege zu unterbrechen.
Die Luftwaffe flog Tag und Nacht Angriffe gegen den Hafen und die sowjetischen Schiffe. Viele Schiffe wurden versenkt, doch die Sowjets setzten ihre riskanten Versorgungsfahrten fort. Die Besatzungen wussten, dass die Stadt ohne ihren Einsatz nicht überleben konnte. Im November 1941 starteten die Deutschen ihren zweiten großen Angriff.
Diesmal setzten sie noch mehr Truppen und schwere Artillerie ein. Die Kämpfe erreichten eine neue Intensität. Deutsche Stukas bombardierten die Verteidigungsstellungen, während schwere Artillerie die Bunker unter Beschuss nahm. Die sowjetischen Verteidiger antworteten mit ihren eigenen Geschützen, darunter massive Küstenbatterien mit Kalibern von bis zu 305 mm.
Die Schlacht entwickelte sich zu einem zermürbenden Stellungskrieg. Deutsche Soldaten kämpften sich Meter um Meter vor. Die Sowjets starteten ständig Gegenangriffe, um verlorenes Terrain zurückzuerobern. Die Verluste auf beiden Seiten waren entsetzlich. Ganze Einheiten wurden aufgerieben. Die medizinischen Einrichtungen waren überlastet.
Die Stadt selbst verwandelte sich in eine Trümmerlandschaft. Im Dezember1 änderte sich die strategische Situation dramatisch. Die deutsche Offensive vor Moskau war gescheitert. Die Sowjets starteten eine Gegenoffensive, die die Wehrmacht zurückdrängte. Hitler befahl die Offensive gegen Sevastopol vorübergehend einzustellen.
Mahnstein musste Truppen abziehen, um andere Frontabschnitte zu stabilisieren. Diese Atempause kam den Verteidigern von Sevastopol zugute. Sie nutzten die Zeit, um ihre Stellungen zu verstärken und Verwundete zu evakuieren. Die Schwarzmeerflotte brachte frische Einheiten in die Stadt. Die sowjetische Führung erkannte, dass Sebastopol nicht nur militärisch wichtig war, sondern auch einen enormen symbolischen Wert hatte.
Die Stadt wurde zum Symbol sowjetischen Widerstands. Doch die Deutschen hatten die Stadt noch nicht aufgegeben. Mahnstein plante einen dritten entscheidenden Angriff für das Frühjahr 1942. Diesmal sollte nichts dem Zufall überlassen werden. Hitler genehmigte die Entsendung massiverstärkungen. Die größten Geschütze der deutschen Armee wurden herangeschafft, darunter die berüchtigte Dora, ein Eisenbahngeschütz mit einem Kaliber von 800 mm, das größte jemals gebaute Kanonenrohr.
Die Vorbereitungen für die finale Offensive dauerten Monate. Die Deutschen sammelten über 200.000 Mann, 700 Panzer, 2000 Artilleriegeschütze und 600 Flugzeuge. Es war eine der konzentriertesten Angriffskräfte, die die Wehrmacht je zusammengezogen hatte. Mahnstein wste, daß dieser Angriff gelingen mußte. Ein erneutes Scheitern würde katastrophale Folgen haben. Am 2.
Juni 1942 begann die Operation Störfang, der Deckname für den finalen Angriff auf Sebastopol. Die Schlacht begann mit dem massivsten Bombardement, das bis dahin an der Ostfront stattgefunden hatte. Tausende von Artilleriegeschützen feuerten gleichzeitig. Die riesige Dora feuerte ihre zweieinhalb Tonnen schweren Granaten ab.
Jede Explosion erzeugte einen Krater von 10 m Durchmesser und 8 m Tiefe. Die Luftwaffe flog über 1000 Einsätze pro Tag. Stuker Sturzkampfbomber griffen im Minutentakt an. Die Verteidigungsstellungen verschwanden unter einem Hagel aus Stahl und Feuer. Doch auch unter diesem infernalischen Bombardement gaben die sowjetischen Verteidiger nicht auf.
Sie kämpften aus den Trümmern ihrer Bunker, aus Kellern und selbstgegrabenen Schützenlöchern. Die deutsche Infanterie griff an, unterstützt von Panzern und Sturmgeschützen. Die Kämpfe waren von unvorstellbarer Brutalität. Einzelne Bunker wechselten mehrfach den Besitzer. Sowjetische Soldaten kämpften bis zur letzten Patrone und griffen dann mit Bayonetten und Sparten an.
Deutsche Pioniere mussten Bunker mit Flammenwerfern und Sprengladungen einzeln ausschalten. Trotz ihrer Tapferkeit wurden die sowjetischen Verteidiger langsam zurückgedrängt. Die deutschen Truppen eroberten eine Verteidigungslinie nach der anderen. Die äußeren Befestigungen fielen bis Mitte Juni 1942. Die Deutschen drangen in die Außenbezirke der Stadt vor.
Die Kämpfe verlagerten sich in die Straßen von Sevastopol selbst. Der Häuserkampf war noch blutiger als die Schlacht um die Bunkerlinien. Jedes Gebäude wurde zur Festung. Sowjetische Verteidiger verschanzten sich in Kellern und Dachböden. Deutsche Sturmtrups mussten jedes Haus erobern. Oft in mörderischen Nahkämpfen. Die Stadt brannte.
Tausende Zivilisten waren in den Trümmern gefangen. Ende Juni 1942 war die Lage der Verteidiger hoffnungslos geworden. Die Versorgungswege waren weitgehend unterbrochen. Munition und Lebensmittel gingen zur Neige, die verwundeten Zahlen waren astronomisch. Die sowjetische Führung befahl die Evakuierung der wichtigsten Kommande per U-Boot und Flugzeug.
Die einfachen Soldaten blieben zurück. Am 1. Juli 1942 eroberten deutsche Truppen den Hafen. Die letzten sowjetischen Verteidiger zogen sich auf die Chersones Halbinsel zurück, die südlichste Spitze der Krim. Dort kämpften sie noch bis zum 4. Juli 1942. Dann endete der organisierte Widerstand. Zehntausende sowjetische Soldaten gerieten in Gefangenschaft.
Viele andere waren gefallen oder in den Trümmern der Stadt umgekommen. Die Schlacht um Sevastopol hatte 250 Tage gedauert. Die deutschen Verluste waren erschreckend hoch. Über 75 000 Mann tot, verwundet oder vermisst. Die sowjetischen Verluste waren noch höher, möglicherweise über 200.000 Mann. Die Stadt selbst war vollständig zerstört.
Von den ursprünglich Einwohnern waren nur wenige tausend übrig. Warum also hielt Sevastopol so lange durch? Die Antwort liegt in einer Kombination von Faktoren. Erstens, die außergewöhnlichen Befestigungen. Die jahrzehntelange Arbeit an den Verteidigungsanlagen zahlte sich aus. Jeder Bunker war eine kleine Festung.

Zweitens, die Versorgung über See. Ohne die Schwarzmehrflotte hätte die Stadt nicht überleben können. Drittens, die Motivation der Verteidiger. Sie wussten, dass sie für ihre Heimat kämpften und waren bereit, dafür zu sterben. Viertens spielte die Führung eine Rolle. Obwohl Admiral Oktia Briski und General Petrov ihre Streitigkeiten hatten, organisierten sie eine effektive Verteidigung.
Die sowjetischen Kommandeure lernten schnell und passten ihre Taktiken an. Fünftens zwang die Geographie die Deutschen frontal anzugreifen. Es gab keine Möglichkeit für Umgehungsmanöver. Jede Position musste im direkten Angriff genommen werden. Die Bedeutung von Sevastopol ging weit über die militärische Ebene hinaus.
Die lange Verteidigung band deutsche Truppen, die anderswo dringend gebraucht wurden. Während Sevastopol fiel, bereiteten die Sowjets ihre Sommeroffensive vor. Die Deutschen hatten wertvolle Zeit und Ressourcen verloren. Die Schlacht zeigte auch, dass die sowjetische Armee bereit war, unvorstellbare Opfer zu bringen.
Für die Propaganda beider Seiten wurde Sevastopol zum Symbol. Die Deutschen feierten die Eroberung als großen Sieg. Mannstein wurde zum Feldmarschall befördert, doch der Preis war hoch gewesen. Die Wehrmacht hatte Verluste erlitten, die sie sich nicht leisten konnte. Die Sowjets stilisierten die Verteidigung zum Heldenepos.
Die Verteidiger wurden als Helden gefeiert und die Stadt erhielt später den Titel Heldenstadt. Im Jahr 1944 kehrten die Rollen sich um. Im Frühjahr starteten die Sowjets ihre Offensive zur Befreiung der Krim. Die deutschen Truppen, die 1942 Svastopol erobert hatten, wurden nun selbst eingekesselt. Die rote Armee eroberte die Stadt am 9.
Mai 1944 zurück, genau 240 Tage bevor Berlin fiel. Die Geschichte von Sevastopol ist eine Geschichte extremer menschlicher Erfahrungen. Sie zeigt die Schrecken des modernen Krieges in ihrer ganzen Brutalität, aber sie zeigt auch, wozu Menschen fähig sind, wenn sie für etwas kämpfen, das ihnen heilig ist. Die Verteidiger von Sevastopol wußten, daß sie wahrscheinlich sterben würden.
Viele taten es, aber sie erkauften ihrer Nation Zeit und sie bewiesen, dass selbst die mächtigste Kriegsmaschine gestoppt werden kann. Heute ist Sebastopol wieder eine lebendige Stadt. Die Wunden des Krieges sind verheilt, zumindest äußerlich. Doch die Erinnerung bleibt. Denkmähläller erinnern an die Gefallenen.
Museen erzählen die Geschichte der Belagerung. Veteranen, solange sie noch lebten, erzählten ihre Erlebnisse. Ihre Geschichten sind Teil des kollektiven Gedächtnisses, eine Mahnung an die Kosten des Krieges und ein Tribut an jene, die ihr Leben gaben. Die Schlacht um Sevastopol bleibt ein faszinierendes Studienobjekt für Militärhistoriker.
Sie zeigt die Bedeutung von Befestigungen Logistik und Moral. Sie demonstriert die Grenzen auch überlegener Feuerkraft und sie erinnert uns daran, daß hinter jeder militärischen Statistik menschliche Tragödien stehen. Jede Zahl in den Verlusten war ein Mensch mit Hoffnungen, Träumen und Menschen, die ihn liebten.
Die Verteidigung von Sevastopol war mehr als eine militärische Operation. Sie war ein Wendepunkt im großenländischen Krieg, wie der Zweite Weltkrieg in Russland genannt wird. Sie zeigte der Welt, daß die Sowjetunion bereit war, jeden Preis für die Verteidigung ihrer Heimat zu zahlen. Diese Entschlossenheit sollte letztendlich den Ausgang des Krieges mitbestimmen.