Deutschland 1923. Die Hyperinflation hat die Währung zerstört. Ein Leib Brot kostet 200 Milliarden Mark. Familien verbrennen Geld in ihren Öfen, weil es billiger ist als Feuerholz. Dann 1929: Die Weltwirtschaftskrise trifft ein. Banken brechen zusammen, Fabriken schließen. Bis 1933 sind 6 Millionen Deutsche arbeitslos, rund 30% der Erwerbsbevölkerung. Familien hungern.

Das ist das Deutschland, das Adolf Hitler übernimmt, als er im Januar 1933 an die Macht kommt. Ein Land, das innerhalb einer Generation zweimal wirtschaftlich zerstört wurde. Und doch sieht es nur 6 Jahre später, 1939, ganz anders aus. Deutschland überfällt Polen mit 3 Millionen Soldaten, 3000 Panzern, 4000 Flugzeugen, einer der modernsten Streitkräfte der Welt.
In diesen sechs Jahren hat dieses angeblich bankrotte Land eine gigantische Kriegsmaschine aufgebaut. Die Antwort dreht sich um eine Scheinfirma, einen Finanzzauberer und ein Schneeballsystem im Maßstab einer ganzen Nation: die Mefo-Wechsel, ein Schattenbanksystem, das die nationalsozialistische Aufrüstung finanzierte und sie gleichzeitig vor der Welt verbarg.
1939 werden diese Wechsel fällig, und Deutschland hat nicht das Geld, um sie zu bezahlen. Die Antwort des Regimes ist einfach und brutal: Es nimmt sich, was es braucht, aus anderen Ländern. Die NS-Wirtschaft beruhte nicht nur auf Ideologie, sie beruhte auf einem finanziellen Betrug, der ständige Expansion brauchte, um zu überleben. So finanzierte Hitler den Zweiten Weltkrieg und deshalb machte der drohende wirtschaftliche Zusammenbruch den Krieg aus Sicht des Regimes fast unausweichlich.
Bevor wir einsteigen, stell dir Folgendes vor. Es ist Januar 1939. Du bist der ranghöchste Ökonom Deutschlands. Du weißt, dass die Wirtschaft kurz vor dem Zusammenbruch steht. Du weißt, dass Hitlers einzige Lösung der Krieg ist. Meldest du dich zu Wort und riskierst dein Leben, oder schweigst du und siehst zu, wie es passiert? Genau vor dieser Wahl standen reale Menschen. Am Ende dieses Videos wirst du verstehen, warum jede Option schlecht war. Wenn du Geschichte magst, die zum Nachdenken anregt, abonniere den Kanal.
Fangen wir mit den beiden Krisen an, die all das überhaupt erst möglich gemacht haben. Um zu begreifen, wie verzweifelt die Lage Deutschlands war, muss man beide Katastrophen sehen. Zuerst die Hyperinflation von 1923. Im November 1923, auf dem Höhepunkt der Weimarer Hyperinflation, ist ein einziger US-Dollar mehr als 4 Billionen Mark wert. Arbeiter verlangen, zweimal am Tag bezahlt zu werden, mittags und am Ende der Schicht, weil ihr Morgenlohn am Abend bereits wertlos ist. Restaurants ändern ihre Preise, während die Gäste noch essen. Kellner steigen alle halbe Stunde auf die Tische, um neue Menüpreise auszurufen. Lebensversicherungen, in die Familien jahrzehntelang eingezahlt haben, werden zu Summen fällig, für die man nicht einmal eine einzige Briefmarke kaufen kann.
Das ist nicht einfach eine Rezession, es ist ein wirtschaftlicher Weltuntergang. Das deutsche Bürgertum, seine Ersparnisse, Renten, Anlagen werden praktisch über Nacht ausgelöscht. Deutschland erholt sich langsam, die Währung stabilisiert sich, das Leben beginnt sich wieder normal anzufühlen und dann kommt 1929, die Weltwirtschaftskrise.
Amerikanische Banken kündigen ihre Kredite. Deutsche Unternehmen brechen zusammen. Die Arbeitslosigkeit explodiert. Bis 1932 sind etwa 6 Millionen Deutsche ohne Arbeit, ungefähr 30% der Erwerbsbevölkerung. Familien versteigern ihre Möbel auf der Straße, um Lebensmittel zu kaufen. Ingenieure und Lehrer betteln um Jobs als Hilfsarbeiter.
Die Weimarer Regierung ist gelähmt. Politische Gewalt wird zum Alltag. Kommunistische und nationalsozialistische Schlägertrupps verwandeln Städte in Kriegszonen. Deutschland ist innerhalb von 14 Jahren zweimal wirtschaftlich zerstört worden. Das ist die Ausgangslage, die Hitler im Januar 1933 an die Macht bringt. Er verspricht, die deutsche Größe wiederherzustellen, das Militär aufzubauen und den Versailler Vertrag zu zerreißen. Es gibt nur ein Problem:
Deutschland ist pleite. Der Versailler Vertrag begrenzt die Armee auf 100.000 Soldaten: keine Panzer, keine Flugzeuge, keine U-Boote, keine schwere Artillerie und kein Geld, um all das überhaupt zu bauen. Hitler muss massiv aufrüsten und das zunächst im Geheimen. Er muss es schnell tun, ohne eine neue Hyperinflation auszulösen und ohne ausländischen Regierungen zu zeigen, was wirklich passiert, bevor es zu spät ist.
Hier kommt Hjalmar Schacht ins Spiel, der Mann, der das möglich machen wird. Hjalmar Schacht, Jahrgang 1877, Banker, Ökonom, Finanzgenie. Er hat Deutschland gewissermaßen schon einmal gerettet. 1923 hilft Schacht als Währungskommissar, die Hyperinflation zu beenden, indem er eine neue Währung einführt, die Rentenmark, gedeckt durch Land und Industrievermögen.
Es funktioniert, die Währung stabilisiert sich und Schacht wird zur Legende. Am 17. März 1933 ernennt Hitler Schacht zum Präsidenten der Reichsbank, der Zentralbank Deutschlands. Im August 1934 wird Schacht außerdem Wirtschaftsminister. Sein Auftrag: Eine massive Aufrüstung finanzieren, ohne dass jemand es merkt, ohne eine galoppierende Inflation auszulösen und ohne das wahre Ausmaß dessen offenzulegen, was Deutschland tut.
Schacht versteht das Problem genau, und er hat einen Plan. Deutschland muss Panzer, Flugzeuge, Schiffe, Waffen bauen. Das bedeutet, Stahlkonzerne, Rüstungsfirmen und Chemiewerke zu bezahlen. Würde die Reichsbank das Geld einfach drucken, geschähen zwei Dinge. Erstens, die Inflation würde erneut explodieren. Die Deutschen würden das nicht hinnehmen. Sie erinnern sich noch an 1923. Zweitens würden die Zahlungen im offiziellen Haushalt und in den Bilanzen der Reichsbank auftauchen. Ausländische Regierungen sähen die Zahlen, merkten, dass Deutschland sich rasant aufrüstet und könnten versuchen, es zu stoppen, bevor Hitler bereit ist.
Hitler braucht Geld, das unsichtbar ist oder zumindest schwer erkennbar. Geld, das in den offiziellen Rechnungen nicht klar erscheint. Schacht schafft es. 1934 hilft Schacht bei der Gründung einer neuen Firma: Metallurgische Forschungsgesellschaft mit beschränkter Haftung, kurz Mefo. Auf dem Papier ist Mefo ein Forschungskonsortium. Vier große deutsche Unternehmen – Siemens, Krupp, Rheinmetall und Gutehoffnungshütte – halten Anteile. Das offizielle Kapital beträgt lediglich eine Million Reichsmark. In Wirklichkeit tut Mefo nichts. Es ist eine Hülle, eine Scheinfirma mit Briefkopf und Bankkonto. Aber Mefo soll gleich das größte Aufrüstungsprogramm der Geschichte finanzieren.
So funktioniert das System: Stell dir vor, du bist 1935 ein deutscher Rüstungsunternehmer. Der Staat bestellt 1000 Panzer bei dir. Doch statt dich in Reichsmark zu bezahlen, zahlt er mit Mefo-Wechseln, Schuldscheinen, die diese Scheinfirma ausstellt. Es sind Zahlungsversprechen. Mefo verpflichtet sich, in 5 Jahren diesen Betrag zu zahlen.
Du willst aber nicht 5 Jahre warten. Du brauchst jetzt Bargeld, um deine Arbeiter zu bezahlen und Stahl zu kaufen. Also gehst du mit den Mefo-Wechseln zu einer privaten deutschen Bank. Die Bank weiß, dass der Staat hinter Mefo steht und dass die Reichsbank diese Wechsel rediskontieren wird. Sie zahlt dich in bar aus, in echten Reichsmark, vielleicht mit einem kleinen Abschlag.
Du bist zufrieden, du bist bezahlt worden. Die Produktion läuft weiter. Nun hält die Privatbank die Mefo-Wechsel. Sie kann diese zur Reichsbank bringen. Die Reichsbank nutzt ihr Recht zur Geldschöpfung und wandelt die Wechsel in Bargeld um. Der entscheidende Punkt: Formal sind Mefo-Wechsel Verbindlichkeiten eines privaten Unternehmens, nicht der Reichsbank oder des deutschen Staates.
Ein großer Teil dieser Schattenverschuldung läuft außerhalb des normalen Staatshaushalts und verschleiert so die tatsächlichen Aufrüstungskosten gegenüber der deutschen Öffentlichkeit, ebenso wie gegenüber dem Ausland. Zwischen 1934 und 1938 gibt Deutschland rund 12 Milliarden Reichsmark in Mefo-Wechseln aus – mehr als die gesamte offizielle Staatsverschuldung von 1932.
Auf dem Papier wirkt Deutschland weiterhin fragil, aber beherrschbar. In Wirklichkeit hat das Regime heimlich einen riesigen Berg versteckter Verbindlichkeiten auf eine ohnehin schwache Wirtschaft gehäuft und alles in Waffen gesteckt. Bis 1936 hat Deutschland nahezu alle militärischen Beschränkungen des Versailler Vertrags gebrochen.
Es verfügt über Panzer, Flugzeuge, U-Boote, eine moderne Armee. Die Alliierten greifen nicht entschlossen ein, auch weil sie nicht erkennen, wie weit die Aufrüstung bereits fortgeschritten ist und wie viel davon außerhalb der Bücher finanziert wird. Doch es gibt einen Haken: Mefo-Wechsel haben eine Laufzeit von 5 Jahren.
Die erste große Tranche wird 1934 ausgegeben. Sie wird 1939 fällig. Zu diesem Zeitpunkt hat Deutschland keine 12 Milliarden Reichsmark frei herumliegen, um diese versteckte Schuldenlast zu tilgen. Die Uhr tickt. Und hier wird der Vergleich mit einem Schneeballsystem treffend. Ein Schneeballsystem, ein Ponzi-Schema, funktioniert so:
Man verspricht Investoren hohe Renditen und zahlt die frühen Anleger mit dem Geld neuer Anleger. Das System funktioniert nur, solange ständig neues Geld zufließt. Hört der Zufluss auf, bricht die Struktur zusammen. Die Aufrüstungswirtschaft des Dritten Reiches funktioniert ähnlich. Mefo-Wechsel sind Versprechen, später zu zahlen.
Der Plan ist, sie mit zukünftigen Steuereinnahmen und Wirtschaftswachstum zu bedienen. Doch 1938 ist die deutsche Wirtschaft nicht mehr in der Lage, genügend Überschüsse zu erwirtschaften, um alle Versprechen zu erfüllen. Das Regime braucht neues Geld, und zwar in großen Mengen. Woher bekommt man 12 Milliarden Reichsmark, wenn die eigene Wirtschaft sie nicht schnell genug erzeugen kann? Man holt sie sich aus der Wirtschaft anderer, man nimmt sie sich.
Von diesem Zeitpunkt an verschmelzen deutsche Außenpolitik und wirtschaftliches Überleben. September 1938, das Münchner Abkommen: Deutschland annektiert das Sudetenland von der Tschechoslowakei. März 1939: Deutschland besetzt den Rest der Tschechoslowakei und damit auch die Škoda-Werke, eine der modernsten Waffenfabriken Europas. Hinzu kommen Goldreserven und industrielle Ressourcen. Deutschland eignet sich alles an. September 1939: Deutschland überfällt Polen. Polen liefert Agrarproduktion, Rohstoffe und Millionen Menschen, die zur Zwangsarbeit herangezogen werden können. Deutschland eignet sich alles an. Die NS-Wirtschaft ist nicht nur moralisch verwerflich.
Strukturell ist sie darauf angelegt, Eroberung zu benötigen. Der Historiker Adam Tooze argumentiert in The Wages of Destruction, dass das Wirtschaftsmodell des Regimes von Anfang an auf Expansion und Plünderung angewiesen war, um über Wasser zu bleiben. Hjalmar Schacht erkennt die Gefahr. Schon 1937 warnt er Hitler, dass die Wirtschaft überhitzt, dass die Ausgaben untragbar sind, dass ein Zusammenbruch droht.
Hitler ignoriert ihn. Am 7. Januar 1939, nur wenige Monate bevor die ersten Mefo-Wechsel fällig werden, legt Schacht dem Reichsbankdirektorium einen verzweifelten Bericht vor. Der Bericht fordert eine drastische Reduzierung der Rüstungsausgaben und die Rückkehr zu einem ausgeglichenen Haushalt als einzige Möglichkeit, Inflation und Finanzkrise zu verhindern.
Hitlers Antwort am 20. Januar 1939 ist schlicht: Er entlässt Schacht als Präsidenten der Reichsbank. Schacht hat die Maschine gebaut und die Zeitbombe im Inneren. Hitlers Lösung besteht darin, die Bombe daran zu hindern, zu explodieren, indem er sie ständig füttert: mit Österreich, mit der Tschechoslowakei, mit Polen und später mit Frankreich und der Sowjetunion.
Aus Sicht des Regimes ist der Krieg nicht nur ein ideologisches Projekt, er ist eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Die Mefo-Wechsel sind nur eine Säule der NS-Finanzierung. Bis 1939 hat das Regime mehrere weitere entwickelt, jede einzelne noch düsterer als die vorherige. Wenn Deutschland ein Land erobert, übernimmt es nicht nur die politische Kontrolle, es plündert systematisch:
Goldreserven, Devisen, Industrieanlagen, Rohstoffe, Kunstwerke – alles wird beschlagnahmt und nach Deutschland gebracht. In Frankreich zwingt das Besatzungsregime den französischen Staat, enorme Besatzungskosten zu zahlen: Hunderte Millionen Franc pro Tag. Frankreich finanziert buchstäblich seine eigene Besatzung.
Im Osten, insbesondere in der Sowjetunion, planen deutsche Stellen, Getreide, Öl und Mineralien in riesigem Umfang zu beschlagnahmen, um die deutsche Kriegsmaschine zu versorgen, selbst wenn dies Massentod durch Hunger für die lokale Bevölkerung bedeutet. Hinzu kommt die Zwangsarbeit. Millionen Kriegsgefangene, deportierte Zivilisten und Häftlinge aus Konzentrationslagern werden zur Zwangsarbeit auf deutschen Feldern, in Bergwerken und Fabriken eingesetzt.
Unternehmen wie IG Farben, Krupp und Siemens nutzen diese Arbeitskraft in großem Umfang, um Stahl, Chemikalien, Waffen und Fahrzeuge zu produzieren. Und das Regime bestiehlt nicht nur seine Feinde, es bestiehlt auch die eigene Bevölkerung. Nehmen wir das Volkswagenprogramm. Normalen Deutschen wird gesagt: Zahlt in einen Sparplan der Deutschen Arbeitsfront ein und ihr bekommt irgendwann einen KdF-Wagen, das Auto für jedermann.
Hunderte Millionen Reichsmark werden eingezahlt. Während der gesamten NS-Zeit erhält kein einziger ziviler Sparer sein Auto. Das Ersparte wird auf Rüstungsproduktion umgestellt. Die Sparer verlieren alles und werden erst Jahrzehnte später entschädigt. Oder die Auslandskredite: In den 1920er und frühen 1930er Jahren leiht sich Deutschland große Summen von Großbritannien, Frankreich und den USA, um Reparationen zu bezahlen.
Hitler stellt die Reparationszahlungen 1933 ein, kassiert das Geld. Ein Teil dieser ausländischen Mittel fließt in den Aufbau jener Armee, die später genau diese Länder angreifen wird. Hinzu kommt die Enteignung jüdischen Eigentums. Unternehmen, Bankkonten, Häuser, Kunstsammlungen werden vom Staat beschlagnahmt oder zwangsverkauft, was zur Finanzierung beitrug. Bis 1939 stützt sich die NS-Wirtschaft auf Mefo-Wechsel, Schattenbuchführung, Plünderung eroberter Gebiete, Zwangsarbeit und offenen Diebstahl.
Keine dieser Säulen ist dauerhaft tragfähig. Bis 1939 franzt das System bereits aus. Die ersten Mefo-Wechsel werden fällig. Deutschland kann sie ohne neue Beute nicht bezahlen. Die Wirtschaft überhitzt, Engpässe treten auf. Der Inflationsdruck kehrt zurück. Schachts Warnungen sind ignoriert worden, und er hat keine Macht mehr.
Statt das Tempo zu drosseln, beschleunigt das Regime, denn abbremsen würde wirtschaftliche Krise, Arbeitslosigkeit, politische Instabilität und damit das mögliche Ende der NS-Herrschaft bedeuten. Das ist der Punkt, den viele beim Dritten Reich übersehen. Der Krieg ist nicht nur das Ergebnis von Hitlers Ideologie, er ist in die ökonomische Architektur des Regimes eingebaut.
Die NS-Wirtschaft ist so angelegt, dass sie Expansion braucht. Ohne Eroberung bricht sie unter der Last ihrer eigenen Versprechen zusammen. Als Deutschland 1941 die Sowjetunion überfällt, geht es nicht nur um Lebensraum und Rassenideologie. Es geht auch um Öl aus dem Kaukasus, Getreide aus der Ukraine und Rohstoffe aus dem Osten, um die Ressourcen, von denen das Regime glaubt, dass es sie braucht, um das System am Laufen zu halten. Der Krieg ist die Wirtschaft. Die Wirtschaft ist der Krieg. Und als Deutschland 1943 und 1944 beginnt, Gebiete zu verlieren, zerfällt das gesamte Modell. Keine neue Beute, keine neuen Ressourcen, nur noch steigende Verluste, Luftangriffe und zusammenbrechende Produktion. Das Schneeballsystem beginnt zu kollabieren und mit ihm das Regime selbst.