Kaiserin Auguste Viktoria und das Schicksal ihrer Kinder waren schlimmer als der Tod / Das Ende des Kaiserreichs

Sie stirbt nur drei Jahre nach dem Untergang der Monarchie, fern von Preußen, fern vom Glanz, während ihre Kinder um ihren Platz in einer neuen Welt ringen. Trug Kaiserin Auguste Victoria Mitschuld am Ende des Kaiserreiches? War sie Opfer des Umsturzes oder Teil des Problems? Und was wurde aus den Kaiserkindern?

Auguste Victoria wurde am 22. Oktober 1858 im Schloss Dolzig in der Lausitz geboren, einem kleinen Ort im heutigen Polen nahe Bad Muskau und Forst. Gemeinsam mit ihren Geschwistern wuchs sie in behüteter Umgebung auf, fern vom Glanz großer Höfe. Am 27. Februar 1881 trat sie in eine andere Welt ein: In Berlin heiratete sie Prinz Wilhelm von Preußen, den Sohn des Kronprinzen Friedrich Wilhelm und der britischen Prinzessin Victoria, einer Tochter von Queen Victoria. Wilhelm war ein Enkel Kaiser Wilhelms I. und der künftige Thronfolger des Deutschen Kaiserreiches.

Als deutsche Kaiserin und preußische Königin verkörperte Auguste Victoria das Idealbild einer monarchischen Ehefrau ihrer Zeit. Sie hielt sich aus der Politik heraus, strebte nicht nach Macht, sondern lebte ein Leben, das von Pflichtgefühl, Frömmigkeit und Wohltätigkeit geprägt war. Traditionell, sittsam und tief religiös widmete sie sich vor allem karitativen Aufgaben, Krankenhäusern, der Armenfürsorge und der Unterstützung verwundeter Soldaten.

Nach dem erstgeborenen Sohn Wilhelm im Jahr 1882 folgten sechs weitere Kinder, jedes mit einer eigenen Geschichte. In den darauffolgenden Jahren erblickten Eitel Friedrich, Adalbert, August Wilhelm, Oskar und schließlich Joachim im Jahr 1890 das Licht der Welt. Den krönenden Abschluss bildete 1892 die Geburt ihrer einzigen Tochter, Victoria Luise. Seit jeher spielte diese Familie eine bedeutende Rolle im emotionalen Gefüge der Nation. In der monarchischen Staatsform rückte das Leben der Herrscherfamilie unweigerlich ins Licht der Öffentlichkeit. Schon die kleinsten königlichen oder kaiserlichen Kinder wurden zu Symbolfiguren, begleitet von den Blicken eines ganzen Volkes. Ihre Fotos verbreiteten sich im ganzen Land; ihre Namen standen für alte preußische Tradition.

Als Auguste Victoria in den 1880er Jahren in das Haus Hohenzollern einheiratet, scheint das Deutsche Kaiserreich gefestigt und stark. Die Wirtschaft boomt, Fabriken rauchen und Deutschland wird vom Agrarland zur führenden Industrienation Europas. Auch Berlin verändert sich: Millionen ziehen nun vom Land in die Stadt auf der Suche nach Arbeit. Doch die Lebensbedingungen der einfachen Arbeiter sind elend, und unter der Oberfläche gärt es. Soziale Spannungen, politische Meinungsverschiedenheiten und die starre Ordnung des Kaiserreiches legten den Grundstein für aufkommende Konflikte. Während sich draußen die Gesellschaft wandelte, wuchs im Inneren der kaiserlichen Familie eine neue Generation heran – in einer Welt, die bald nicht mehr existieren sollte.

Im Haus Hohenzollern war die militärische Tradition allgegenwärtig. Es war üblich, dass jeder männliche Nachkomme bereits im Alter von zehn Jahren in das Erste Garde-Regiment eintrat. So erhielt der Kronprinz an seinem zehnten Geburtstag im Jahr 1892 von seinem Vater voller Stolz die Uniform dieses Regiments und meinte lächelnd: „Endlich habe ich was Vernünftiges anzuziehen.“ Die Kadettenanstalt von Plön bei Kiel war eine wahre Nachwuchsschmiede für das preußische Militär. Hier sollten sie zu Soldaten ausgebildet werden. Der Kaiser ließ ein ehemaliges Lustschloss für seine Kinder herrichten: die Prinzenschule. Sie bekamen eigene kleine Klassen, in denen Disziplin den Alltag der jungen Prinzen bestimmte. Sie waren nicht nur Söhne, sie waren Repräsentanten eines sterbenden Systems, und sie alle mussten sich nach dem Umsturz neu erfinden.

Die Anwesenheit des Kaisers beschränkte sich darauf, dass er im Schritttempo mit dem Hofzug an der kleinen eigenen Bahnstation vorbeifuhr, die die Prinzenschule in Plön damals hatte. Die Prinzen waren dann auf dem Bahnsteig angetreten und erwiderten mit einem militärisch exakten Gruß den Blick ihres Vaters, der seinerseits aus dem fahrenden Zug heraus ebenso förmlich zurückgrüßte. Kaum war dieser kurze Moment vorüber, beschleunigte der Hofzug wieder und setzte seine Reise fort, etwa Richtung Kiel zur Kieler Woche oder zu anderen Terminen, die auf dem Kalender des Kaisers standen.

Nach der Abiturprüfung wurden die jungen Prinzen traditionell dem Ersten Garde-Regiment zu Fuß in Potsdam unterstellt. Doch für den vierten Sohn des Kaisers, August Wilhelm, der schon als Junge liebevoll „Prinz Auwi“ genannt wurde, sollte das Militär nicht der Weg seines Lebens sein. Er, der ein Herz für Kunst, Malerei und Poesie hatte und sich lieber im Verkleiden und Fabulieren übte, unterschied sich deutlich von seinen Brüdern, deren Leben stärker vom militärisch-männlichen Ideal geprägt war. So verlässt Auwi bereits nach einem halben Jahr die Armee, um seinen eigenen Weg zu gehen, und nimmt ein Studium auf.

Währenddessen schlug der Thronfolger Wilhelm einen ganz anderen Weg ein. Als Offizier mit Leib und Seele und dem festen Grundsatz, „lieber weniger, dafür aber energisch zu dienen“, war er das genaue Gegenteil seines Bruders. Trotz eher begrenzter politischer Kenntnisse schreckte Wilhelm nicht davor zurück, seinem kaiserlichen Vater ungefragt Ratschläge zu erteilen, was ihm den Ruf einbrachte, ein wenig aus der Art geschlagen zu sein. Doch der junge Kronprinz, bekannt für seine Wirkung auf die Damenwelt, eroberte nicht nur viele Herzen, sondern fand 1905 in der jungen Herzogin Cecilie zu Mecklenburg seine Auserwählte. Die 18-jährige Cecilie galt als natürliche Schönheit, die mit ihrem Sinn für extravagante Hüte und vor allem mit ihrem tadellosen Stammbaum perfekt in das kaiserliche Bild passte.

Es mutet fast wie eine griechische Tragödie an: Gerade als sich das Schicksal zu wenden schien, nahm es unaufhaltsam seinen Lauf. Im Jahr 1913 strahlte das Deutsche Kaiserreich noch einmal in vollem Glanz: Paraden, Jubelfeiern mit Monarchen aus ganz Europa, das 25-jährige Regierungsjubiläum Wilhelms II., die Jahrhundertfeier der Befreiungskriege gegen Napoleon am Völkerschlachtdenkmal in Leipzig und als Höhepunkt die Hochzeit seiner Tochter Victoria Luise mit dem Herzog Ernst August von Braunschweig. Diese Hochzeit machte Berlin zum glanzvollen Mittelpunkt des europäischen Hochadels, denn auch der britische König Georg V. und der russische Zar Nikolaus II., beide mit dem deutschen Kaiserhaus eng verbunden, waren bei den Feierlichkeiten zugegen – ein Band familiärer Verbundenheit, stärker als jeder politische Zwist.

Doch es war nur ein flüchtiger Glanz vor dem Sturm. Ein Jahr später entzündete ein Attentat in Sarajevo, scheinbar weit entfernt, das Pulverfass. Die Bündnisse griffen wie Zahnräder ineinander, und während der Kaiser plötzlich vor der eigenen Ohnmacht stand, rollte Europa dem Krieg entgegen. Die Lichter gingen aus für ein ganzes Zeitalter.

Am 1. August 1914 unterzeichnete Kaiser Wilhelm II. den Mobilmachungsbefehl. Die Kaisersöhne mussten nun in der preußischen Armee dienen. Kronprinz Wilhelm erhielt das Oberkommando über die 5. Armee an der Westfront. Was sein Vater von seinen Fähigkeiten hielt, ließ er ihn persönlich wissen: „Gratuliere zum Sieg, den du mit Gottes Hilfe so schön gewonnen. Verleihe dir das Eiserne Kreuz zweiter und erster Klasse. Grüße deine braven Truppen mit meinem und des Vaterlandes Dank. Brav gemacht, bin stolz auf dich. Dein treuer Vater Wilhelm.“ Auch die anderen Kaisersöhne zogen in den Krieg: Prinz Eitel Friedrich und Prinz Oskar führten ein Regiment, der dritte Kaisersohn Adalbert wurde Offizier auf einem Schlachtschiff. Nur einer fiel aus der Reihe: Prinz August Wilhelm. Er galt als Schöngeist und wurde eher wie ein Tourist beschrieben, der an den Kriegsschauplätzen unterwegs war, anstatt tatsächlich militärische Verantwortung zu tragen. Seine Tätigkeit im Krieg bestand hauptsächlich darin, Fotos zu machen und melancholische Gedichte zu schreiben.

Als sich im Herbst 1918 das Unheil nicht länger leugnen ließ, als Hunger, Kriegsmüdigkeit und Aufstände das Land erschütterten, brach in Deutschland die Revolution aus. Am 9. November handelte Reichskanzler Prinz Max von Baden eigenmächtig: Er verkündete die Abdankung Wilhelms II. ohne dessen Wissen und Zustimmung – ein verzweifelter Versuch, den Alliierten ein Zeichen des Wandels zu senden. Doch es war ein Trugschluss. Am 28. November beugte sich der einstige Kaiser schließlich dem Unvermeidlichen und unterzeichnete im niederländischen Exil in Amerongen seine Abdankung. Ein Reich war gefallen und mit ihm ein Mann, der geglaubt hatte, vom Gottesgnadentum getragen zu sein.

Nach dem Ende der Monarchie brach für die Kinder des Kaisers eine Welt zusammen. Das höfische Leben, das ihr Lebensmittelpunkt war, verschwand plötzlich. Prinz August Wilhelm war zutiefst erschüttert und suchte in einem Lazarett Schutz. Als er sah, wie das Bild des Kaisers abgehängt wurde, brach er in Tränen aus und konnte die neue Realität kaum begreifen. Auch seine Ehe mit Alexandra zerbrach kurz darauf, weil die arrangierte Verbindung ohne die Monarchie nicht mehr hielt. All das stürzte Prinz Auwi in eine tiefe persönliche Krise. Auch die Ehen von Eitel Friedrich und dem jüngsten Sohn, Prinz Joachim, zerbrachen nach der Revolution. Prinz Joachim beging schließlich Selbstmord.

Prinz August Wilhelms Bruder Wilhelm erlebte nach der Revolution ebenfalls schwierige Zeiten. Er lebte auf der Insel Wieringen in den Niederlanden in recht bescheidenen Verhältnissen in einem kleinen ehemaligen Fischerort und bewohnte dort zwei Zimmer in einem verlassenen Pfarrhaus. Es war der Tiefpunkt seines Lebens. Erst 1923 durfte er nach Deutschland zurückkehren, verbunden mit der Auflage, dass dies möglichst im Geheimen geschah und er politisch nicht hervortrat. Immerhin wurde 1926 die Enteignung der Fürstenfamilien in einer Volksabstimmung abgelehnt, und sie erhielten einen Teil ihres Vermögens zurück.

Kronprinzessin Cecilie lebte auf Schloss Oels, einem der berühmtesten Renaissanceschlösser, das 1885 in den Besitz des Hauses Hohenzollern übergegangen war. In freudiger Erwartung harrte sie dort mit ihren sechs Kindern der Rückkehr ihres Mannes. Auf dem Gut kümmerte sich der Kronprinz intensiv um das Land, das Vieh und die Forstwirtschaft. Schloss Oels war für alle Familienmitglieder der Ort eines stillen, schönen Familienlebens. Natürlich zog es den sportbegeisterten Kronprinzen immer wieder nach Berlin zu Reitturnieren oder Pferderennen, andererseits begann er auch wieder auf der berühmten Amati-Geige zu spielen, die einst Friedrich dem Großen gehört hatte.

Auch Wilhelms Schwester Victoria Luise, die nach der Revolution zunächst nach Österreich geflohen war, fand schließlich in ihrem früheren Herzogtum Braunschweig wieder Anerkennung und wurde dort als hochgeschätzter Gast empfangen.

Auguste Victoria fand in dieser Zeit, als sie zusammen mit Wilhelm II. im Exil in Doorn lebte, nur wenig Trost. In ihrem neuen Haus vermisste sie ihre sieben Kinder und begann mit der Vergangenheit zu hadern – insbesondere mit der Entscheidung, 1918 keine Gewalt gegen die revolutionären Soldaten eingesetzt zu haben. Sie fragte sich, ob der Aufstand vielleicht hätte niedergeschlagen werden können. Die Kaiserin verstarb im April 1921 im Exil. Ihre letzte Sorge galt ihrem Mann, dem ehemaligen Kaiser, den sie nicht allein lassen wollte. Dabei war sie selbst daran beteiligt, dass Wilhelm letztlich seine Krone verlor, da sie eine echte Demokratisierung stets ablehnte. Nach ihrem Tod wurde ihr Leichnam nach Potsdam überführt, und hunderttausende ehemalige Untertanen säumten die Straßen, um Abschied zu nehmen.

Für die Kinder der Kaiserin war der Fall der Monarchie nicht nur das Ende einer Staatsform, es war das Ende ihrer Identität. Sie verloren nicht nur einen Thron, sondern die Zukunft, für die sie ihr ganzes Leben lang erzogen worden waren. Sie waren Preußens Hoffnung, doch was blieb, war eine Vergangenheit, die ihnen nicht mehr gehörte, und eine Zukunft, auf die sie nie vorbereitet waren. Auguste Victoria blieb aus Liebe bis zuletzt an der Seite ihres Mannes, doch aus Überzeugung lehnte sie jede Demokratisierung ab. So wurde sie vielleicht ungewollt zur Mitgestalterin des Untergangs einer Welt, die auch ihre Kinder mit in den Abgrund riss.

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