Daniels Herz sank. Sie waren sich ähnlicher, als er je wusste. Zwei Alleinerziehende, zwei müde Herzen, zwei Menschen, die ertranken, aber so taten, als seien sie stark.
Als Victoria endlich aufwachte, saß Daniel auf dem Stuhl neben ihrem Bett. Ihre Stimme war sanft.
„Warum bist du immer noch hier?“
Daniel zuckte mit den Schultern.
„Du hast mich gebeten.“
Ein kleines, fast schüchternes Lächeln zog ihre Lippen hoch. Etwas, das kein Mitarbeiter je gesehen hatte.
„Du hast mein Leben gerettet“, sagte sie. „Und du hättest es nicht tun müssen.“
Daniel nickte.
„Jeder verdient Hilfe. Auch du.“
Sie sah ihn mit neuen Augen an.
„Du bist nicht wie die anderen.“
Eine Woche später wurde die gesamte Firma in die Haupthalle gerufen. Victoria Hail betrat langsam den Raum, noch erholend, aber Autorität ausstrahlend. Daniel stand hinten, unsicher, warum er eingeladen wurde. Dann hallte ihre Stimme.
„Vor meinem Herzinfarkt kannte ich die Leute, die für mich arbeiten, kaum. Ich sah Zahlen, keine Leben. Das ändert sich heute.“
Sie wandte sich Daniel zu.
„Und es beginnt mit ihm. Dieser Mann brachte mich in Sicherheit, setzte sein eigenes Leben aufs Spiel, während alle anderen erstarrt standen. Er hat mich gerettet und mich an etwas erinnert, das ich vergessen hatte.“
Ihre Augen wurden weich.
„Menschlichkeit.“
Die Mitarbeiter starrten ungläubig. Als sie fortfuhr:
„Von heute an wird Daniel Reed zum Direktor für Mitarbeiterwohlfahrt befördert. Volle Sozialleistungen, Gehaltserhöhung und Studienunterstützung für seine Tochter.“
Ein Applaus brach aus. Daniel stand geschockt, Tränen stachen in seinen Augen. Victoria stieg von der Bühne und flüsterte:
„Du hast mein Leben gerettet. Lass mich deines retten.“
Wochen vergingen. Daniels Leben veränderte sich. Stabilität, Respekt, Zukunft für Lily. Aber auch etwas anderes wuchs. Er und Victoria begannen mehr zu sprechen. Zuerst über Arbeit, dann über das Leben, dann über Dinge, die sie niemandem erzählt hatten. Zwei einsame Menschen fanden endlich jemanden, der sie verstand.
Eines Abends außerhalb des Lagers sagte Victoria:
„Du hast mich einmal in deinen Armen getragen. Damals wusste ich nicht, dass du mich auch aus dem dunkelsten Ort gezogen hast, an dem ich seit Jahren war.“
Daniel lächelte sanft.
„Und du hast mich auch getragen“, antwortete er, „nur auf eine andere Weise.“
Ihre Hände berührten sich und zum ersten Mal seit langem zogen sie sich nicht zurück. Monate später spielten Lily und Victorias Tochter zusammen im Hof des Büros. Victoria wandte sich Daniel zu.
„Lustig, wie ein Herzinfarkt uns zum Leben brachte“, murmelte sie.
Daniel kicherte.
„Das Leben ist eben seltsam.“
Sie sah ihm in die Augen. Keine Macht, keine Angst, nur Wärme.
„Du rettest mich“, flüsterte sie erneut.
„Und ich meine nicht nur mein Herz.“
Daniel nahm ihre Hand.
„Dann lass uns einander retten.“
Und während die Sonne hinter ihnen unterging, begannen zwei zerbrochene Familien, sich zu einer zusammenzufügen.