In der oft gnadenlosen Welt der Politik wird nur selten Platz für Herz, Zweifel und Menschlichkeit eingeräumt. Doch genau hier, im Schatten des politischen Scheinwerferlichts, entfaltet sich das tief bewegende Porträt eines Mannes, der mehr war als nur Vizekanzler: Robert Habeck – der Philosoph, Schriftsteller, Familienvater und gescheiterte Kanzlerkandidat.
Geboren am 2. September 1969 in Lübeck, aufgewachsen in Heikendorf als Sohn einer Apothekenfamilie, war Habeck von Anfang an ein Denker, kein typischer Karrierist. Bevor er Politik machte, übersetzte er mit seiner Frau Andrea Paluch englische Lyrik, schrieb Romane und philosophierte über Ästhetik. Seine Promotion in Philosophie im Jahr 2000 hätte der Beginn einer akademischen Laufbahn sein können – oder eines Lebens als Biobauer in Dänemark. Ja, fast wäre Robert Habeck 1998 allem entflohen: dem Stress, der Unsicherheit, den Zweifeln. Ein Freund bot ihm einen Platz auf einem Hof in Svendborg an – und er schrieb sogar einen Businessplan. Doch Andrea sagte Nein. Und Deutschland bekam einen Politiker, der Idealismus und Literatur zu vereinen versuchte.
Sein politischer Aufstieg war rasant. Von 2012 bis 2018 diente er als Minister in Schleswig-Holstein, später führte er gemeinsam mit Annalena Baerbock die Grünen bei der Bundestagswahl 2021 zu einem historischen Ergebnis von 14,8 %. Als Vizekanzler in der Ampelkoalition steuerte Habeck das Land durch die Energiekrise nach dem russischen Angriff auf die Ukraine, modernisierte Teile der Wirtschaft und wurde – zumindest kurzfristig – zum Hoffnungsträger einer neuen politischen Generation.
Doch dann kam der 23. Februar 2025 – der Tag, der alles veränderte.
Als Kanzlerkandidat der Grünen setzte Robert alles auf eine Karte. Er wollte zeigen, dass Politik nicht laut, sondern klug sein kann. Doch seine ruhige Art, sein literarischer Duktus, seine intellektuelle Herangehensweise traf auf eine Gesellschaft, die nach einfachen Antworten schrie. Kritiker warfen ihm vor, die Sorgen der Arbeiterklasse zu ignorieren. Während CDU, AfD und SPD mit markigen Parolen punkteten, sackten die Grünen auf beschämende 11 % ab – ein Debakel, das Habeck in eine persönliche Krise stürzte.
Noch am Wahlabend verlor er seinen Wahlkreis Flensburg – und das Vertrauen in sich selbst. Obwohl er über die Landesliste im Bundestag blieb, trat er als Parteivorsitzender zurück. In einem Interview sagte er später: „Ich habe das Gefühl, denen, die an mich geglaubt haben, nicht gerecht geworden zu sein.“
Andrea Paluch berichtete später, Robert habe sich nach der Bekanntgabe der Wahlergebnisse still aufs Sofa gesetzt, über die Flensburger Bucht geblickt – und geweint. „Er weinte nicht, weil er verloren hatte. Er weinte, weil er glaubte, nicht genug getan zu haben“, sagte sie. In den Tagen danach schrieb er einen langen Brief an seine vier Söhne – Jakob, Oscar, Konrad und Anton. Er wurde nie abgeschickt. Es war sein stiller Versuch, Reue auszudrücken – für die Jahre, in denen die Politik ihn von seiner Familie ferngehalten hatte.
Doch nicht nur die Wahlniederlage quälte ihn. Während des Wahlkampfs wurde Habeck – gemeinsam mit Andrea – des Plagiats in der Doktorarbeit beschuldigt. Die Medien stürzten sich gierig auf den Skandal. Später wurden sie rehabilitiert, doch das Misstrauen nagte weiter. Andrea sagte dazu: „Er zweifelte an seiner Ehrlichkeit. Er hatte Angst, als gescheiterter Politiker in Erinnerung zu bleiben, nicht als jemand, der es wenigstens versucht hat.“
In dieser Zeit begann Robert Tagebuch zu schreiben. Über Verantwortung. Über Vergebung. Über Schmerz. Und er kehrte zurück zu dem, was ihn immer gerettet hatte: die Literatur. Zusammen mit Andrea begann er ein neues Buch zu schreiben, das 2026 erscheinen soll – ein autobiografischer Bericht über das Scheitern, aber auch über das Weitermachen.
Heute lebt Robert langsamer. Er fährt keinen Porsche, sondern einen Volvo-Hybrid und einen gebrauchten Golf. Sein Vermögen – rund 2,5 Millionen Euro – stammt überwiegend aus seinen Büchern und einem einfachen Politikergehalt. Luxus? Uninteressant. Sein größter Schatz ist die Bibliothek in Flensburg: Originale von Storm, Andersen, Yates.
Die Familie bewohnt ein 200-Quadratmeter-Haus mit Blick auf die Flensburger Förde. Im Sommer zieht es sie nach Dänemark, ins Ferienhaus in Svendborg – jenen Ort, der beinahe zum Wendepunkt seines Lebens geworden wäre. Der alte Businessplan für den Bauernhof liegt noch immer in einer Kiste. Und manchmal, wenn er allein ist, nimmt Robert ihn heraus – nicht, um zu bedauern, sondern um sich zu erinnern, wie nahe er dem Aufgeben war.
Robert Habecks Geschichte ist keine klassische Erfolgsgeschichte. Es ist die Geschichte eines Mannes, der versuchte, in einer Welt voller Lärm leise zu bleiben. Der glaubte, dass man mit Büchern, Ideen und Herz eine Nation bewegen kann. Und der erkannte, dass man dabei auch scheitern darf – wenn man nicht vergisst, warum man angefangen hat.
Denn letztlich ist Robert Habeck nicht der gescheiterte Kanzlerkandidat. Er ist der Philosoph in der Politik. Der Träumer, der Kämpfer, der Vater. Und vielleicht gerade deshalb ein Vorbild für eine neue Generation, die sich nach Sinn und Aufrichtigkeit sehnt – mehr als nach bloßem Machtgewinn.
Sein Weg ist noch nicht zu Ende. Doch eines ist sicher: Er wird ihn gehen – mit Stift in der Hand und dem Meer im Blick.