Erst als der Ermittler zurückrief und sagte: “Er ist hier.” Konnte ich endlich aufatmen. Erik wurde in einen abgeschirmten Verhörraum gebracht. Geschlossene Tür, zugezogene Vorhänge, kein Spiegelglas wie in den Filmen, nur ein Tonbandgerät, Papier, Stift und der Anwalt an seiner Seite.
Er saß aufrecht, die Hände gefaltet, der Blick ruhig und fest. Er begann von vorne, von seiner Zeit bei einer polnischen Schmucklergruppe, die illegale Ware nach Frankfurt brachte. Von Daniels Auftreten, gepflegt, höflich, aber mit einem direkten Anliegen, ein persönliches Problem diskret lösen. Er zitierte jedes Wort, jede makabre Anspielung auf Erlösung von einer teuren Ehe.
Dann beschrieb er den Moment, in dem der Auftrag an den Schützen weitergegeben wurde. Als ich später die Aufnahme hörte, fiel mir auf, wie ruhig seine Stimme klang, fast sachlich, als lese er einen Bericht vor. Die Beamten fragten mehrfach nach, prüften Details, verglichen Uhrzeiten und Orte.
Sie ließen ihn jedes Protokoll unterschreiben, seine Stimme und Unterschrift begutachten. Alles wurde lückenlos dokumentiert. Auf Grundlage seiner Aussage beantragten sie die Einsicht in Daniels Bankunterlagen. Das Ergebnis überraschte niemanden mehr. Am Tag nach dem misslungenen Anschlag war eine Überweisung von fast 50.000 € auf ein polnisches Konto erfolgt über eine Onlinebank.
Geldfluss, Telefondaten, Zeitpunkt seines Aufbruchs aus dem Restaurant. Jedes Detail pasß zusammen wie Teile eines Puzzles, dessen Bild niemand mehr sehen wollte. Das Gericht erließ Haftbefehl, keine Kaution, keine Freilassung. Daniel kam in ein Untersuchungsgefängnis am Stadtrand. Während der Anhörung zeigte er eine verdächtige Ruhe, sah nur gelegentlich in eine Ecke des Raums, als könnte er durch die Wand blicken.
Ich wusste genau, an wen er in diesem Moment dachte. Erik wurde derweil in ein sicheres Zeugenschutzquartier außerhalb Frankfurts gebracht. Ein schlichtes Haus, anonym, streng bewacht. Er lebte unter neuem Namen, folgte Anweisungen, hielt Kontakt zur Ermittlungsgruppe nur über verschlüsselte Kanäle. Er nannte weitere Namen, Treffpunkte sogar, daß Daniel kurz vor dem Anschlag nach einer zweiten Option gefragt hatte, falls der Plan an der Bushaltestelle scheiterte.
Als ich erfuhr, daß Erik offiziell in das Zeugenschutzprogramm aufgenommen war, empfand ich Erleichterung und zugleich ein schmerzhaftes Ziehen. I am Herzen. Ein Mann mit einer so befleckten Vergangenheit war derjenige geworden, der für uns Einstand und sein Preis war, fortan als Schatten unter fremdem Namen zu leben. Sophie hörte von seiner Aussage durch mich und den Ermittler.
Zum ersten Mal seit Daniels Verhaftung brach sie in Tränen aus. Wenn er das nicht getan hätte”, sagte sie leise, “würde ich jetzt nicht hier sitzen und Angst haben dürfen.” Ein paar Tage später bat sie mich, einen Brief weiterzuleiten. Weißes Papier, ihre Handschrift sorgfältiger als sonst. Ich las nicht alles, nur einen Abschnitt in der Mitte. Wenn Sie das nicht getan hätten, könnte ich diese Zeilen nicht mehr schreiben.
Egal, was hinter ihnen liegt, ich glaube, sie haben diesmal das Richtige gewählt. Der Mensch ist nicht für immer an seine schlimmsten Fehler gebunden. Die Polizei nahm den Brief entgegen und versprach, ihn über den sicheren Kanal weiterzugeben.
Ich weiß nicht, was Erik dachte, als er ihn las, aber ich bin sicher, er schlief danach mehrere Nächte nicht aus einem anderen Grund als früher. Ich selbst sitze seither abends oft am Dunkeln auf dem Sofa, schaue aus dem Fenster. Der Winter legt sich über Frankfurt, der Himmel schwer. Die ersten Schneeflocken treiben durch das Licht der Straßenlaternen. Ich denke an Daniel in seiner Zelle, an Sophie in Hamburg, wie sie sich jede Nacht in die Decke rollt und an Erik irgendwo außerhalb der Stadt, gefangen zwischen Flucht und Gewissen. In mir ist ein kleines Stück Ruhe, wie ein geöffnetes Fenster in einem stickigen
Raum. Wenigstens hat jemand die Wahrheit ausgesprochen, aber um dieses Fenster liegt immer noch die Mauer aus Dunkelheit. Ich weiß, dass Erik jetzt selbst Zielscheibe ist. Ich weiß, dass Daniel Eye am Gefängnis seine eigenen Geschichten spinnt. Und ich weiß, dass der kommende Prozess alles andere als einfach wird. Die Akten füllten sich.