Sie sagte: “Auf der einen Seite steht Daniel, der Mann, dem ich vertraut habe, den ich gewählt habe. Auf der anderen Seite Schulden, Drohbriefe, Versicherungen, eine Kugel. Ich weiß nicht mehr, woran ich glauben soll.” Ich sagte nicht, ich hab’s dir ja gesagt. Ich sah sie nur an und sprach langsam: “Vert nicht den Worten. Schau auf das, was er tut. auf das, wofür er Geld ausgibt und vor allem halte dich selbst in Sicherheit.
Inzwischen arbeitete die Polizei weiter. Sie wertete Daniels Anrufe, Nachrichten und Bewegungsdaten aus. Vorläufig wusste ich, in den Stunden vor der Schießerei hatte er mehrfach Kontakt zu Nummern aus einem Netzwerk, das mit Waffenhandel zu tun hatte. Einige Nachrichten waren gelöscht worden, wurden aber wiederhergestellt.
Nach außen blieb Daniel makellos, ordentlich gekleidet, pünktlich bei der Arbeit, ein freundliches Nicken für die Nachbarn, Gespräche über Fußball und das Wetter, wie jeder andere deutsche Mann. Doch für mich war er nicht mehr der perfekte Schwiegersohn. Der Lack begann abzuplatzen und darunter kam ein Mann zum Vorschein, der an den Rand gedrängt war und genug Gründe hatte, etwas entsetzliches zu tun.
Und irgendwo da draußen in den Schatten zwischen diesen Welten, war der einzige, der beide Seiten kannte, Erik Krause, immer noch verschwunden. An jenem Morgen ging ich wie gewöhnlich hinunter, um den Briefkasten zu lehren. Zwischen Stromrechnungen und Supermarktprospekten lag ein einfacher weißer Umschlag, die Sorte, die man in jedem Schreibwarengeschäft bekommt.
In der linken oberen Ecke standen mein Name und meine Adresse, ordentlich gedruckt. Die rechte Ecke war leer, kein Absender. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Ich öffnete den Umschlag noch auf dem Treppenabsatz, die Finger leicht zitternd, darin lag nur ein gefaltetes Blatt Papier. Handschrift kräftig, leicht geneigt, die Schrift eines Menschen, der in Eile schreibt, weil er nicht gesehen werden will.
Vor einigen Jahren haben sie auf der Autobahn angehalten und mir das Leben gerettet. Jetzt ist es an der Zeit, daß ich es ihnen zurückzahle. Darunter zwei Buchstaben. EK, ich lasmal, dann noch einmal. Die Autobahn, der Unfall. Der junge Mann auf der A6, Regen, splitterndes Glas, Sirenengeheul.
Er hatte meine Hand festgehalten und gefragt, ob er sterben werde. Alles zu 2016. Ek. Ich sprach es leise aus. E wie Erik, K wie Krause. Der Name, den der Ermittler genannt hatte, als er von dem Unfall sprach: “Ich setzte mich auf die Treppenstufe, das Papier noch in der Hand.
Wenn Eka tatsächlich Erik Krause war, dann war der Verfasser dieses Briefes derselbe junge Mann von damals und der Kellner, der mir ins Ohr geflüstert hatte. Kein Zufall, kein Hirngespinst mehr.” Ich rief sofort den Ermittler an. “Ich habe einen Brief bekommen”, sagte ich. Ich glaube, er stammt von dem Mann aus dem Unfall auf der A6 und von dem, der mich I am Restaurant gewarnt hat. Im Polizeipräsidium legte ich Umschlag und Brief auf den Tisch.
Der Beamte zog Handschuhe an, nahm die Blätter vorsichtig auf, lass sie und kniff die Augen zusammen. “Wir werden die Handschrift analysieren lassen und mit alten Akten abgleichen”, sagte er. “Aber der Inhalt ist sehr eindeutig.” Kurze Zeit später kam er mit einem vertrauten Aktenordner zurück. Beim Unfall gab es tatsächlich einen Überlebenden namens Erik Krause.
Damals stand er ihr am Verdacht, illegale Transporte organisiert zu haben. Danach verschwand er aus allen größeren Ermittlungsverfahren. Der Vorname Erik passt zum E. Der Nachname Krause zum K. Ich kann es nicht zu 100% bestätigen, aber die Wahrscheinlichkeit ist hoch. Ich blickte auf das kleine Blatt, dachte an Erik wie an eine merkwürdige Verbindung.
Auf der einen Seite Männer wie Daniel, die Unterwelt, Waffen, Geld, auf der anderen seine Hand, die das Weinglas berührte, um Sophie zu retten. “Er gehört in ihre Welt”, sagte ich leise, “aber er verdankt mir sein Leben und er hat eingegriffen, um das meiner Tochter zu retten.” Der Ermittler nickte: “Eben deshalb brauchen wir ihn.