Das Ziel war eine Frau I am roten Mantel zu genau dieser Zeit an genau dieser Haltestelle. Ich brauchte keine Erklärung. Sophie starrte auf die beiden Zeilen. Ihr Gesicht wurde aschfall. Dann kam das letzte Puzzleteil.
Daniel hat vor zwei Monaten eine Lebensversicherung für Frau Sophie abgeschlossen sagte der Ermittler. Wert 1 2 Millionen Euro. Alleiniger begünstigter ihr Ehemann. Er mußte den Rest gar nicht aussprechen. Wäre Sophie zufällig an dieser Bushaltestelle gestorben, hätte Daniel seine Schulden begleichen und Deutschland verlassen können. In der Akte fanden sich auch Hinweise auf seine Internetrecherchen über Geldtransfers in die Schweiz.
Sophie saß da, die Luft aus der Brust gewichen. Sie weinte nicht laut, sie sah nur auf ihre Hände, die Lippen weiß vor Anspannung. Stunden später, als wir das Präsidium verließen, hatte sie noch keinen vollständigen Satz gesprochen. Ich legte meinen Arm um ihre Schultern. Ich hatte recht gehabt mit Daniel.
Doch der Preis dafür war, dass ihre Ehe an einem Morgen in Trümmern lag. Daniel wurde vorgeladen. Ich war nicht beim Verhör dabei, aber der Ermittler erzählte, er bestritt alles, sprach von einer Intrige, behauptete, jemand habe sein Handy und seine Konten missbraucht. Auf die Fragen, warum er die Versicherung abgeschlossen hatte, warum er sich genau in jenem Gebiet aufgehalten und das Restaurant zum fraglichen Zeitpunkt verlassen hatte, brachte er keine einzige widerspruchsfreie Antwort. Wir haben die technischen Beweise”, sagte der
Ermittler. “Aber für eine sichere Anklage brauchen wir jemanden, der Daniel persönlich über die Anwerbung eines Auftragskillers sprechen gehört hat. Bislang gibt es nur einen Namen, Erik Krause.” Ich begriff sofort: “Eik war nicht nur derjenige, der seine Schuld begleichen wollte, er war das fehlende Schloss, das alles zusammenhielt. Wenn er bestätigen konnte, was Daniel gesagt hatte, würde das ganze Lügengebäude einstürzen.
In der Nacht, als Daniel verhaftet wurde, war es noch dunkel, kurz vor Morgengrauen. Die Polizei klopfte an die Wohnungstür. Nachbarn späten hinter Gardinen hervor. Sophie rief mich später an, ihre Stimme wie aus weiter Ferne. Sie haben ihm Handschellen angelegt.
Mama, er hat sich nicht gewehrt, nur gesagt, ich habe niemanden getötet und mich dabei angesehen. Als ich ankam, führten sie ihn gerade zum Wagen. Einen Moment drehte er sich um, ließ den Blick über die Menge schweifen und blieb an mir hängen. Dieser Blick war nicht der eines unschuldig verfolgten, sondern der eines Mannes, der genau wusste, wer den Vorhang heruntergerissen hatte.
In seinen Augen lag ein harter bitterer Ausdruck, als wollte er sagen: “Sie haben alles zerstört.” Nachdem sie ihn abtransportiert hatten, sank Sophie faß zusammen. Die Wohnung schien plötzlich größer, leerer, kälter. Jedes Möbelstück erinnerte an ihr gemeinsames Leben und bekam eine neue, düstere Bedeutung. Der Esstisch war kein Ort des Beisammenseins mehr, sondern der Berechnung.
Das Bett kein Ort der Nähe, sondern des Verschweigens. Ich blieb bei ihr, kochte etwas, zwang sie zu essen, hörte ihr zu, wie sie von Kleinigkeiten erzählte, die jetzt eh am Rückblick ein anderes Licht bekamen. In mir mischten sich Erleichterungen, weil Daniel Sophie nie wieder etwas antun konnte und eine merkwürdige Art von Mitleid.
Ein Mann, der alle Chancen gehabt hätte, ein anständiges Leben zu führen, hatte sich entschieden, seine eigene Frau zum Ziel zu machen, für ein paar hundertusend Euro und den Traum von einem neuen Leben in der Schweiz. Einige Tage später, spät in der Nacht, vibrierte mein Handy. Eine unbekannte Nummer, nur Ziffern.
Kein Name. Die Nachricht war kurz. Ich habe getan, was ich konnte. Aber sie wissen noch nicht alles. Wir werden uns wiedersehen. Darunter zwei vertraute Buchstaben. EK: Ich starrte lange auf die Nachricht. Wenn das, was gerade geschehen war, nur ein Teil der Geschichte war, wo lag dann der Rest? In Eriks Kopf oder tief in jenem Netzwerk, in dem Daniel nur ein winziges Zahnrad gewesen war? In jener Nacht hatte ich gerade das Licht gelöscht, als das Handy auf dem Nachttisch aufleuchtete.