Hinter dem Rampenlicht beginnt die Wahrheit
Matthias Reim ist für viele der Klang einer Epoche: „Verdammt, ich lieb’ dich“ schrieb sich 1990 in die Popgeschichte ein – und in Millionen Biografien. Doch je greller die Scheinwerfer, desto dunkler oft die Schatten. Hinter den Hits verbirgt sich die Geschichte eines Mannes, der Schmerz in Melodien verwandelt, der stürzt, wieder aufsteht und die Liebe trotz allem nicht aufgibt. Diese Geschichte ist kein Skandalbericht. Es ist die Chronik einer Widerstandskraft, die eine Ehe trägt – und eines Vaters, der lernt, mit einem nicht heilenden Herzen zu leben.
Die Ikone mit den Narben
Geboren 1957 in Korbach, wird Reim zum Prototyp des emotionalen Schlagersängers: warme Stimme, direkte Texte, eingängige Refrains. Doch sein eigentlicher Werkstoff ist nicht Ruhm, sondern Erfahrung. Immer wieder erzählt er von Verlust, Zweifel, Hoffnung – nicht als Pose, sondern als Protokoll.
Der größte Schmerz: Sohn Bastian
Nichts prägte ihn stärker als das Schicksal seines 1987 geborenen Sohnes Bastian aus der Ehe mit Miriam Reim. Spastische Lähmung, Kliniknächte, Blaulicht – und die Ohnmacht eines Vaters, der nicht retten kann, was er am meisten liebt. Reim widmet seinem Sohn das Lied „Bastian – Blaulicht in der Nacht“. Jedes Mal, wenn er es singt, durchlebt er die alte Szene neu: Hoffnung neben Verzweiflung. Seine heutige Ehefrau Christin Stark beschreibt, wie der unerschütterliche Bühnenmensch still wird, wenn er von Bastian spricht. Keine Inszenierung, sagt sie, sondern eine Wunde, die bleibt.
Die späte Entdeckung: Tochter Claudia
Ein anderes Kapitel beginnt 2015, als Claudia – 1973 geboren – an seine Tür klopft. Ein Kind, das er als Jugendlicher gezeugt und nie gekannt hat. Wieder ist es nicht die Schlagzeile, die zählt, sondern der Moment: eine Umarmung, die vier Jahrzehnte überbrückt, und die Erkenntnis, dass Versäumtes nicht nachholbar ist, aber Gegenwart neu geschrieben werden kann.
Beziehungen als Weg – keine Zielgerade
Reims Liebesbiografie kennt Brüche: die Ehe mit Miriam scheitert auch an den Belastungen, die Bastians Krankheit mit sich bringt. Die Verbindung mit Margo Scheuermeyer (Mutter von Julian) endet ebenfalls. Die große, öffentlich vielbeachtete Liebe zur Sängerin Michelle (Mutter von Marie) wird zum Lernstück über Ruhm und Differenzen. 2004 folgt die Ehe mit Sarah Stanek (Mutter von Romeo und Romi), die 2013 endet – Reim spricht später offen davon, dass Liebe manchmal leise verblasst. Diese Offenheit ist sein Stil: kein Schönreden, sondern Eingestehen.
Finanzkrise, Stolpern, Standhalten
Anfang der 2000er gerät er in eine existenzielle Schieflage. Schulden, Fehlentscheidungen, die Nähe zum Bankrott. Er sagt, er habe gedacht, alles zu verlieren. Doch Alben wie „Morgenrot“ (2001) und „Unendlich“ (2013) markieren die Rückkehr – wirtschaftlich, künstlerisch, seelisch. Reim, der Produzent und Musiker, kämpft sich hoch, nicht mit Pathos, sondern mit Arbeit.
Zuhause am Bodensee: Ein Ort zum Atmen
Heute lebt das Paar in einer Villa nahe Stockach am Bodensee. Ein privates Tonstudio, viel Licht, Blick in die Ruhe. Reim fährt pragmatisch – ein Renault –, sammelt Gitarren, die mehr Erinnerung als Sachwert sind. Mallorca, Ibiza, Immobilien – vieles gab er in der Krise auf. Was blieb, ist das Nötige und das, was ihn weiter klingen lässt.
Gesundheit: Tempo drosseln, Präsenz erhöhen
Mit den Jahren verändern sich Körper und Kräfte. Keine großen Diagnosen, aber die Summe aus Tourdruck, Lebenskurven, Gelenken, die sich melden. Reim reduziert Alkohol, achtet auf Ernährung, schläft bewusster, praktiziert sanftes Yoga, streift als Wanderer durch die Bodenseeregion. Es ist das Bild eines Mannes, der nicht stehen bleibt – nur leiser atmet.
Vatersein zwischen Bühne und Küche
Sieben Kinder, sieben Beziehungen, die gepflegt werden wollen: Claudia (1973), Bastian (1987), Julian (1986), Marie-Louise (2000), Romeo (2004), Romi (2008) und Zoe (2022). Reim betont, er wolle nie, dass seine Kinder glauben, die Karriere stehe über ihnen. Was er verpasst, versucht er heimzubringen – kleine Geschenke, gemeinsame Zeit, Aufmerksamkeit. Mit Zoe erlebt er späte Vatersfreude – nicht als Jugendlicher, sondern als gereifter Mann.
Christin Stark: Ehe als Teamleistung
2020 heiraten Matthias Reim und Christin Stark. Zwei Künstler, 32 Jahre Altersdifferenz, ein dichtes Leben. Was draußen „Sensation“ heißt, ist drinnen Arbeit: Termine, Touren, Kinderbetreuung, Abwesenheiten. Christin spricht offen darüber, dass sie den Star mit der Welt teilt – und manchmal einfach „ihren“ Matthias will. Es gibt Abende, an denen er erschöpft auf dem Sofa einschläft; morgens schreibt er dann ein kleines Lied als Entschuldigung. Solche Gesten sind das unspektakuläre, aber tragende Fundament dieser Beziehung.
Die verborgene Wahrheit der Ehe: Rituale statt Romantisierung
Das „Geheimnis“ ist kein Skandal, sondern eine Routine: Ein Wochenende im Monat, nur sie beide, ein Spaziergang um den See. Keine Telefone, keine Notizen. Träume, Ängste, manchmal Schweigen. Die Ehe bleibt nicht, weil sie perfekt ist, sondern weil sie gepflegt wird. Reim sagt, Liebe sei ein Weg durch Stürme – kein Dauerhimmel. Und er gibt zu: Mit Christins Energie Schritt zu halten, fordert ihn heraus. Aber genau diese Reibung hält wach, im Kopf und im Herzen.
Kunst aus Kummer
Wenn Reim nachts wachliegt und schreibt, ist das kein Poseurmoment, sondern Selbstmedizin. „Wenn du gehst“, „Tattoo“ – Lieder, die aus Verlust und Furcht geboren sind, aber Trost verteilen. Der alte Schmerz um Bastian bleibt, wird aber Musik; die Angst, zu scheitern, wird Rhythmus; und die Liebe, die nicht immer leicht ist, wird zum Refrain, der trägt.
Erfolg, Zahlen, Vermächtnis
Schätzungen taxieren sein Vermögen im einstelligen Millionenbereich; über 5,6 Millionen verkaufte Alben, Preise wie Bravo Otto und Goldene Stimmgabel pflastern den Weg. Doch sein eigentliches Vermächtnis misst man anders: an Söhnen und Töchtern, an einer Partnerin, die bleibt, an Songs, die Zuhörerinnen und Zuhörer durch ihre eigenen Nächte bringen.
Schlussbild: Ein Mann, der weiter singt
Am Ende steht kein „Happy End“, sondern etwas Wertvolleres: ein Gleichgewicht. Ein Künstler, der weiß, was er der Bühne verdankt – und was sie kostet. Ein Vater, der Fehler nicht verleugnet, sondern Nähe nachholt. Ein Ehemann, der mit einer Jüngeren nicht Jugend mimt, sondern Gegenwart gestaltet. Die verborgene Wahrheit hinter dieser Ehe ist schlicht: Sie lebt, weil beide sie täglich wählen – gegen Müdigkeit, gegen Termine, gegen alte Narben. Und weil aus Schmerz Lieder werden, die bleiben.