In dieser Nacht träumte sie von sieben Männern, die im Kreis standen, schweigend mit leeren Augen. In der Mitte lag das Kind. Einer hob es hoch, doch es war nicht Maria. Es war etwas anderes, etwas altes, das aus der Dunkelheit geboren war. Sie wachte schreiend auf. Georg stand neben dem Bett, das Gesicht bleich, die Augen weit geöffnet. “Was hast du geträumt?”, fragte er. Sie schwieg.
Er beugte sich über sie, flüsterte. Er hat es mir gesagt, der Gärtner. Er war es. Elisabeth verstand sofort. Er sprach von Peter Schenk, dem Mann, der verschwunden war. Er ist tot, Georg, sagte sie ruhig. Tot? Er lachte leise. Nein, nicht für mich, nicht für sie. Er deutete auf das schlafende Kind.
Von da an wagte Elisabeth nicht mehr nachts zu schlafen, wenn Georg im Haus war. Der August brachte schwüle Hitze über das Tal von Hohenfeld. Die Luft stand still und das Summen der Insekten vermischte sich mit dem Flüstern der Knechte, die sich nicht mehr trauten, nach Sonnenuntergang über den Hof zu gehen. Georg hatte sich vollständig in sich selbst zurückgezogen. Tagsüber sah man ihn kaum.
Nachts jedoch brannte Licht in seinem Arbeitszimmer oder in der alten Kapelle. am Rande des Gutes. Manche behaupteten, sie hätten ihn dort auf den Knien gesehen, vor der Statue des Erzengels Michael, flüsternd und weinend. Andere schworen, sie hätten ihn lachen hören, wie ein Kind, das ein Geheimnis entdeckt hatte. Elisabeth lebte wie in einem fremden Haus.
Sie sprach kaum noch mit den Bediensteten, hielt sich von Georg fern und verbrachte jede wache Stunde mit Maria. Das Kind begann zu sprechen, aber ihre ersten Worte waren ungewöhnlich. Eines Morgens, als Elisabeth ihr Brot brach, sagte Maria mit klarer Stimme: “Mama, der Mann im Keller will nicht schlafen.” Elisabeth erstarrte.
Welcher Mann, mein Schatz? Das Kind lächelte nur. Der mit dem Hut. Er redet mit Papa. Elisabeth rannte in den Keller, doch dort war nichts außer alten Fässern und Werkzeug. Trotzdem schwor sie, sie habe Schritte gehört, langsam, schwer, als folgten sie ihr. In dieser Nacht betete sie wieder, das erste Mal seit Jahren. Heilige Maria, Mutter Gottes, beschütze mein Kind. Georg kam spät nach Hause.
Seine Kleidung roch nach Wachs und Erde. Er legte die Hände auf den Tisch, sah seine Frau an und sagte mit ruhiger Stimme: “Ich weiß, daß du Angst hast. Aber du verstehst nicht. Ich tue das für uns. Was tust du, Georg? Ich bringe Ordnung in das Chaos. Ich hole zurück, was mir gehört.
Was dir gehört? Sie deutete auf das Kind. Das ist kein Besitz, das ist deine Tochter. Er schwieg einen Moment, dann sagte er, sie ist nicht von mir. Elisabeth schlooss die Augen. Sie wusste, dieser Satz war das Ende. In den folgenden Tagen verschlechterte sich Georgs Zustand rapide. Er sprach von Visionen, in denen die sieben Männer zurückkehrten.
“Sie kommen, um das Kind zu holen”, murmelte er. “Sie wollen ihren Anteil.” Er befahl den Knechten, nachts Wachen aufzustellen, doch keiner wagte, sich dem Herrenhaus zu nähern. Eines Abends, kurz vor Mitternacht, wachte Elisabeth vom Geräusch eines Schreis auf. Sie sprang auf, nahm Maria aus dem Bett und eilte zum Flur. Unten im Salon sah sie ihren Mann.
Er stand vor dem Kamin, das schwarze Buch in der Hand, und rief: “Ich habe euch erlöst. Ihr schuldet mir Dank. Dann schleuderte er das Buch ins Feuer. Die Flammen loderten auf, als seien sie aus Öl. Elisabeth schrie: “Nein!” Doch er drehte sich zu ihr um. In seinen Augen war kein Verstand mehr, nur Lehre.
“Er ist fort”, sagte er. “Der Gärtner ist fort, aber er war hier. Ich habe ihn gesehen.” Er trat näher, streckte die Hand nach Maria aus. Gib sie mir. Ich muß wissen, ob sie Du wirst sie nie wieder berühren sagte Elisabeth, und ihre Stimme war fester als je zuvor. Er blieb stehen und für einen Moment sah es aus, als würde er weinen. Dann lachte er leise.
Dann gehörst du zu ihnen? Er verließ den Raum und sie hörte, wie sich die Tür des Arbeitszimmers schloss. In jener Nacht schlief Elisabeth kein einziges Mal ein. Am Morgen war Georg verschwunden. Niemand wußte wohin. Seine Pferde standen noch im Stall. Seine Kleidung hing Schrank.