Das Ehepaar, das Menschenfleisch servierte – Die Geschichte des Gasthauses zum stillen Tal

Zwischen den Jahren 1868 und 1876 war die Landstraße, die Hamburg mit Köln verband, eine der wichtigsten Handelsadern des Neuvereinten Deutschen Reiches. Händler, wandernde Handwerksgesellen und Familien auf der Suche nach einem besseren Leben zogen Woche für Woche über diesen Weg. Die Kutschen rumpelten über Kopfsteinpflaster.

Der Wind trug den Geruch von feuchtem Heu und Pferdeschweiß, und an regnerischen Tagen lag der Schlamm wie eine träge Masse über den Feldern Schleswig-Holsteins. Niemand ahnte, dass sich auf einem bestimmten Streckenabschnitt, dort, wo die Wälder dichter wurden und das Land sich wellig zur Nordheide senkte, etwas Unheimliches ere, dort stand scheinbar friedlich und einladend das Gasthaus zum stillen Tal.

Ein großes Fachwerkhaus aus dunklem Eichenholz, dessen Schornstein unaufhörlich Rauch ausstieß. Der Duft von gebratenem Fleisch hing wie eine Verheißung über dem Hof, begleitet vom zufriedenen Grunzen fetter Schweine im hinteren Teil des Anwesens. Das Gasthaus hatte einen vorzüglichen Ruf.

Seit fastn Jahren pries man dort die kräftigen Mahlzeiten, den sauberen Schlafraum und die Freundlichkeit der Wirtsleute. Wilhelm Hartmann, ein kräftiger Mann um die 40, hatte das Haus eigenhändig errichtet. Seine Frau, Anna Hartmann war eine rundliche Frau mit roten Wangen, deren Lächeln selbst müde Reisende beruhigte. Sie stand stets in der Küche.

Ihr Kleid roch nach Rauch und Pfeffer und die Gäste lobten ihre berühmten Würste, die sie nicht nur im Gasthaus servierte, sondern auch an umliegende Bauernhöfe verkaufte. Anna behauptete, das Geheimnis ihres Erfolgs liege in einer besonderen Mischung aus Kräutern und im Räucherprozess der ganze Tage dauerte. Niemand zweifelte an ihrer Kunst. Die Schweine, die sie im Hinterhof fütterte, waren so wohlgenährt, daß selbst erfahrene Viehzüchter ihre Köpfe schüttelten.

Sie sagte stets: “Sie füttere die Tiere mit den besten Küchenresten und lächelte dabei auf eine Weise, die man nicht recht deuten konnte. Während der Mahlzeiten beobachtete Anna die Gäste mit einer Aufmerksamkeit, die manchen verunsicherte. Sie fragte, ob das Fleisch zart genug sei, ob das Salz gefalle, ob der Geschmack angenehm sei. Wenn jemand ihr Essen besonders lobte, erschien für einen Moment etwas Merkwürdiges in ihrem Blick.

Eine tiefe, beinahe kindliche Zufriedenheit, die nicht zu ihrer mütterlichen Art passte. Das Gasthaus selbst war ein Wunder deutscher Handwerkskunst. Anfangs war es nur eine einfache Herberge gewesen, doch Wilhelm hatte sie nach und nach erweitert. Ein neuer Speisesaal, mehrere Fremdenzimmer, ein tiefer Keller aus Stein, den er Stolz, seinen Vorratsspeicher nannte.

Er behauptete, dort lagere er Wein und geräucheres, doch niemand durfte den Raum betreten. Wenn jemand fragte, lächelte er nur und sagte: “Manche Geheimnisse des Handwerks gehören nicht in fremde Hände.” Anna führte die Küche mit eiserner Präzision. Kein Messer lag je an der falschen Stelle. Kein Topf blieb ungeputzt.

Doch auffällig war die Vielzahl an scharfen Messern und Schneidgeräten mehr, als man für eine einfache Gaststube erwarten würde. Einige schienen von der Art, wie sie Metzger für schwere Arbeit benutzen. Die Gäste liebten die Herzlichkeit des Ehepaars. Wilhelm verlangte nie übertriebene Preise, selbst nicht, wenn Reisende spät in der Nacht anklopften. Anna bereitete stets etwas warmes für jene, die hungrig ankam.

Es war als ob sie Freude daran hätten, den müden und verlorenen der Landstraße ein Zuhause zu bieten. Doch etwas fiel auf. Kaum ein Gast kehrte je zurück. In anderen Gasthäusern sah man dieselben Gesichter immer wieder. Fahrende Händler, Soldaten auf Urlaub, Boten auf regelmäßigen Wegen. Im Gasthaus zum stillen Tal hingegen waren die Besucher fast immer neu.

Wilhelm erklärte, seine Herberge liegen einfach günstig für durchreisende, die nur eine Nacht blieben. Die wenigen Nachbarn, die mehrere Kilometer entfernt lebten, bemerkten manchmal seltsame Dinge. Kutschen kamen spät am Abend an und am nächsten Morgen waren sie verschwunden, noch bevor die Sonne aufging.

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