Das Ehepaar, das Menschenfleisch servierte – Die Geschichte des Gasthauses zum stillen Tal

In der Nacht, als er in der kleinen Kammer lag, hörte er etwas, das ihn aus dem Halbschlaf riiss. Ein langgezogenes dumpfes Scharen, gefolgt von einem Geräusch, das an klirrendes Eisen erinnerte. Dann wieder Stille. Der Wind heulte um die Giebel und doch hatte das Klirren etwas allzu gleichmäßiges, fast rhythmisches.

Vollmer lauschte, bis ihm die Müdigkeit die Lieder schloss. Am nächsten Morgen bot Anna ihm Wurst und Brot an. Der Duft war stark, würzig und er schmeckte tatsächlich hervorragend, aber er bemerkte etwas, das ihm missfiel. Als er die erste Scheibe schnitt, blickte Anna ihn aufmerksam an.

zu aufmerksam, als hinge für sie alles an seinem Urteil. “Ist das Fleisch zu fest?”, fragte sie, “Oder fehlt ein Hauchmuskat?” “Im Gegenteil,” antwortete Volmer, “Es ist ungewöhnlich zart.” Da lächelte sie und das Lächeln hatte etwas von Erleichterung, fast wie nach einer Prüfung. Vollmer verließ das Gasthaus am selben Tag, doch sein Verdacht ließ ihn nicht los.

In der Stadt Osnerbrück traf er später auf zwei andere Reisende, die sagten sie hätten ebenfalls im Gasthaus zum stillen Tal übernachtet und seien froh gewesen, weiterzukommen. Einer berichtete von einem Albtraum, in dem er im Keller gestanden habe, umgeben von Rauch und den Schatten vieler Menschen, die keine Gesichter hatten. Der andere erinnerte sich an den Geschmack der Wurst und daran, dass Anna nach dem Essen gefragt habe, ob jemand wüsse, wann er wieder nach Hause komme.

Unterdessen begann sich in den Dörfern der Umgebung eine flüsternde Angst zu verbreiten. Ein Kutscher erzählte, er habe nachts auf der Straße am Gasthaus Licht gesehen, das über den Boden zu wandern schien, als trüge jemand eine Laterne hin und her. Und immer sei es um dieselbe Stunde gewesen, kurz nach Mitternacht.

Die wenigen Nachbarn, die es gab, bemerkten, daß Anna in den letzten Monaten häufiger kleine Körbe mit Waren verteilte. Sie brachte Würste, Schmalz, Räucherfleisch. “Ein Geschenk für treue Kunden”, sagte sie. Doch manche behaupteten, sie habe mit merkwürdiger Intensität auf die Gesichter derjenigen gestarrt, die kosteten und ungeduldig gefragt, wie das Fleisch schmecke.

Wenn jemand den Kopf schüttelte, weil es zu süß sei, verdunkelten sich ihre Züge für einen Moment. Eines Abends, als die Sonne rot über den Hügeln sank, kam ein junger Mann in das Gasthaus, kaum 19 Jahre alt, ein Schmiedegeseller aus Bremen, Konrad Lenz. Er trug wenig bei sich, außer einem Werkzeugbeutel und einem Brief an seinen Bruder in Köln, den er auf der Reise aufgeben wollte.

Anna empfing ihn wie einen verlorenen Sohn, servierte Suppe und warmes Brot und Wilhelm schenkte den klaren Schnaps aus, damit der Wegstaub sich legt. Konrad schrieb an diesem Abend noch an seinem Brief, indem erwähnte, wie freundlich die Wirtsleute sein und wie köstlich das Essen schmecke. Den Brief sollte er am nächsten Tag in Münster aufgeben, doch er kam nie dort an.

Wochen später würde dieser Brief in einem Holzkasten gefunden werden, zwischen vergilbten Papieren zusammen mit Dutzenden anderer, alle ungesendet. Die Spur von Konrad Lenz war der Anfang vom Ende, denn diesmal gab es jemanden, der nach ihm suchte. Sein älterer Bruder Matthias Lenz, ein Mann von kräftiger Statur und unbeugsam Willen.

Als nach Wochen kein Schreiben kam, machte er sich selbst auf den Weg. Er zog dieselbe Straße entlang, hielt an denselben Gasthäusern, fragte dieselben Fragen und überall erhielt er dieselbe Antwort. Der junge Schmied sei fröhlich, höflich, unbeschwert gewesen. Sein letzter bekannter Aufenthaltsort, das Gasthaus der Hartmanns.

Als Matthias dort eintraf, war es ein milder Frühlingsabend. Wilhelm begrüßte ihn freundlich, reichte die Hand, bot. Ihr Bruder? Ach ja, ein tüchtiger Bursche. Er hat gut gegessen, gut geschlafen und ist weitergezogen. Sicher hat er längst Arbeit gefunden.

Doch in Annas Blick lag für einen flüchtigen Moment etwas, das Matthias nicht deuten konnte. Eine Mischung aus Nervosität und etwas, dass er als Erinnerung deutete. Sie sprach über Konrad, als kenne sie ihn besser als sie sollte. erwähnte, wie er seinen Löffel gehalten, wie er gelächelt hatte, als er das Fleisch probierte. Matthias blieb eine Nacht. Er sah, wie Wilhelm die Tiere fütterte, wie Anna im Rauchhaus hantierte, wie der Wind in kurzen Stößen die Luft vom Hof her trug.

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