Es war ein schwerer, süßer Geruch, der sich in die Kleidung setzte. Er schlief kaum. Am nächsten Morgen verließ er das Gasthaus, aber nicht ohne ein Gefühl, daß sich wie kaltes Metall in seiner Brust festsetzte. Auf dem Weg nach Köln schwor er sich zurückzukehren mit Beweisen. In der Zwischenzeit häuften sich die Gerüchte.
Wanderer berichteten von sonderbaren Albträumen nach dem Verzehrste. Ein Händler aus Hildesheim schwor: “Er habe im Hof einen Schuh gesehen, halb im Boden vergraben. Und ein Bauernjunge, der die Schweine der Hartmanns von Fern beobachtete, meinte: “Im Futter habe etwas geglitzert, etwas, das wie eine Gürtelschnalle aussah.” Im Dorf nannte man es bald nur noch das Haus am Rauch.
Niemand sprach es offen aus, aber jeder wußte, daß etwas nicht stimmte. Und während die Landstraße weiter ihre staubigen Wagen trug, während Glocken die Dörfer zum Gebet riefen, klang in den Schatten der Bäume etwas anderes. Ein leises schneidendes Wispern, das klang, als würde jemand Fleisch schneiden.
Und tief unter den Dialen des Gasthauses, wo kein Gast je hinabstieg, begann sich der Steinboden zu verfärben. Matthias Lenz kehrte zurück, nicht mehr allein. In der ersten Frühlingswoche, als die Birken zartes Grün ansetzten und die Landstraße noch vom Winter gezeichnet war, ritt er in Begleitung eines Gendammen aus dem Landratsamt von Haburg sowie des Amtsarztes Dr. Friedrich zum Gasthaus, zum Stillen Tal.
Matthias hatte in Städten und Dörfern Fragen gestellt, Einträge auf Wirztafeln verglichen, Briefe zusammengetragen, die nie aufgegeben worden waren. Aus diesen Splittern war ein Muster geworden, dass den Beamten schließlich nicht mehr als bloßer Zufall erschien. Sie gaben sich nicht als Ermittler zu erkennen.
Der Gendarm, ein breitschultriger Mann namens Johann Wrede, stellte sich als Gehilfe des Amtsarztes vor, der die Räucherkammern der Gegend kontrollieren solle. Man habe in der Nachbarschaft von neuartigen Pökelsalzen gehört. Dr. Aas trug seine Reisetasche wie ein Notariatsprotokoll. Höflich, korrekt, ein wenig steif. Matthias schwieg fast gänzlich und blieb im Hintergrund.
In seinem Blick lag die gespannte Glut eines Mannes, der mehr ahnt, als er beweisen kann. Anna Hartmann empfing die drei mit einem Lächeln, in dem Helligkeit und Vorsicht dicht beieinander lagen. Sie brachte Brot und Wurst auf Zintellern, schenkte einen klaren, duftenden Schnaps ein, den Wilhelm Hartmann als hauseigenen Wacholdergeist pries.
“Ein Schlückchen, bevor wir an die Arbeit gehen”, sagte er. Dr. Ala roch daran und stellte das Glas unberührt beiseite. Erst die Räume, dann die Genüsse. Man begann im Hof. Das Räucherhaus atmete gleichmäßig, als trüge es in seinem Bauch eine langsame, geduldige Glut. Wrede notierte nüüchtern die Maße des Schornsteins, fragte nach Holzarten, nach der Dauer des Räucherns.
Anna antwortete mit fachkundiger Leichtigkeit, redete vom Zusammenspiel aus Buche und Erle, von Salz, Pfeffer und Muskat. Dabei streifte ihr Blick immer wieder Matthias, der zwischen Schweinekuren und Brunnen stand. Die Tiere waren gewaltig, mit glatten Flanken und klugen, ruhelosen Augen. Als Wrede an die Tröge trat, schnupperte er und hob eine Braue. Zwischen feuchten Schalen und Schrot lag etwas Kleines, Metallisches.
Er bückte sich und hielt kurz darauf eine verbogene Klammer in der Hand, wie sie an Reisegeldkatzen zu finden ist. “Reisende verlieren dies und jenes”, sagte Anna rasch. Der Wind treibt allerlei über den Hof. Die Tiere wühlen. Man wundert sich über vieles, wenn man Schweine hält. Dr. Aas nickte, doch seine Augen blieben kühl. Er ließ sich die Pökelfässer zeigen.
Das Salz schimmerte feucht, die Fassreifen waren tadellos, aber an einer Daube knapp über der Fuge, blieb die Spitze seines Taschenmessers in einer rötlichen Rille hängen, die kein gewöhnlicher Speckrand zu erklären schien. Im Schankraum legte Wilhelm das Gästebuch vor. Die Schrift war musterhaft. Saubere Linien, gleiche Tinte, gleichmäßige Bögen.
“Nsere Durchreisenden haben es eilig, Herr Doktor”, sagte er, “drum notiere ich Namen und Ziel oft selbst.” Eine zuvorkommende Sitte, entgegnete Alas und blätterte mit bedächtigem Finger. Nur seltsam, dass sogar in Abständen von vielen Monaten die Strichstärke gleich bleibt.