Benutzen Sie stets dasselbe Fass? Wilhelm lächelte zu entspannt für die Frage. Gewohnheit, Herr Doktor. Ein guter Füllhalter ist selten und treu. Matthias trat dichter heran, als sei er selbst nur ein neugieriger Reisender. Er suchte mit den Augen nach dem Eintrag seines Bruders. Da stand er in kühler Korrektheit. Karl Lenz, Schmiedegeselle nach Köln.
Der Name saß im Papier wie ein Nagel im Holz. Mein Bruder schreibt seinen Familiennamen stets aus”, sagte Matthias in beinahe tonlosem Deutsch. Er liebt keine Kürzel. “Viele Reisende bitten um Diskretion”, antwortete Wilhelm ohne die Wimper zu heben. Nun bat Dr. Aas den Keller zu sehen. Einen Augenblick flackerte in Annas Zügen etwas auf, das kaum länger als ein Hauch wehrte.
Doch sie nickte und führte den Weg, den Schlüsselbund an die Schürze gepresst. Auf der steinernen Treppe roch es nach kalter Erde und Metall. Das Licht der Laterne zitterte an den Wänden entlang. Der Keller war geräumig und sauberer, als man es erwartete. An Haken hingen Schinken und Würste. Fässer standen in ordentlichen Reihen.
Die Luft war schwer von Rauch, Salz und einem warmen, süßlichen Unterton. Wrede trat zu einem hölzernen Kasten, der halb hinter Säcken stand. “Darf ich?”, fragte er, ohne auf Antwort zu warten, und hob den Deckel. Darin lagen Bündel von Papieren, sorgfältig mit Bindfäden zusammengehalten. “Rchnungen und Korrespondenzen”, sagte Anna schnell.
Bestellungen von Gasthäusern, Fahrhäusern, Bürgern. Unsere Wurst findet weite Wege, doch die oberen Bündel waren keine Rechnungen. Es waren Briefe, unverschickt, ungeöffnet, Adressen nach Köln, Achen, Düsseldorf, darunter einer, den Matthias erkannte, noch ehe er ihn in Händen hielt.
Die Schrift seines Bruders, der Ton seiner Wendung. Liebster Matthias, ich bin gut angekommen im Gasthaus der Hartmanns. Der Rest verschwand hinter den Schlägen seines Herzens. Wilhelm hob die Hände in einer Geste, die zwischen Beschwichtigung und Müdigkeit schwankte. Reisende geben uns Briefe mit. Die Postkutsche verpasst die Sammlung und dann sind sie länger bei uns als beabsichtigt.
Man kennt das auf der Landstraße. Man kennt viel, sagte Wrede und seine Stimme war plötzlich fest. Doch selten kennt man so viele Briefe auf einmal. Währenddessen hatte der Doktor mit behandschuten Fingern eine der Schlachtbänke betrachtet. Die Schneidben waren frisch, die Messer blitzten, so scharf geschliffen, dass sie das Laternenlicht in hauchdünne Fäden schnitten.
Zwischen den Brettern fanden sich feine Reste, kaum sichtbar, eine Spur, die nach Eisen schmeckte, als der Doktor sie mit einer Glasfeder aufnahm. “Wir werden Proben nehmen”, sagte er sachlich. Die Ordnung verlangt es. Anna atmete hörbar ein, dann lächelte sie wieder. Doch es war das Lächeln eines Menschen, der bewusst eine Maske aufsetzt. Nehmen Sie, was Sie brauchen.
Unser Handwerk fürchtet kein Licht. Ihre Stimme klang glatt, aber ihre Hände waren zu ruhig. Matthias Blick fiel auf einen niedrigen Durchgang, der mit Säcken versperrt war. Darunter schimmerte Holz. “Was ist dort, alter Vorrat?” sagte Wilhelm schnell. Die Ecke neigt zur Feuchtigkeit.
Wrede trat hinzu, zog die Säcke beiseite. Hinter ihnen kam eine Truhe zum Vorschein, schwer, mit Eisen beschlagen. Das Schloss war nicht neu, aber blank. Wilhelm griff nach seinem Schlüsselbund, doch Alas Hand lag plötzlich auf seinem Handgelenk. Lassen Sie mich. Das Schloss gab nach einigen Atemzügen unter dem blanken Metallwerkzeug des Gendarmen nach.
Der Deckel hob sich langsam, als sei die Luft darin dichter. Darunter lagen Dinge, die keinen Platz in einem Gasthauskeller haben. Taschenbücher mit Initialen, Medaillons mit Haarlocken, Kinderpfeifen aus Holz, ein zusammengefalteter feingesäumter Schal, dessen Duft von Lavendel den Rauch überlagerte.
Und mittendrin ein kleines Lederi, in dem ein Schriftstück steckte, ein Leerbrief für einen Schmiedegesellen namens Konrad Lenz. Niemand sprach. In der Stille knackte nur die Laterne. Matthias legte die Finger auf das Etui, als könne er durch das Leder hindurch die Hand seines Bruders erreichen. Dann hob Dr. Aas den Blick. Frau Hartmann. Herr Hartmann, die Behörden werden das Haus vorübergehend unter Aufsicht stellen, bis zur Klärung.