Das Ehepaar, das Menschenfleisch servierte – Die Geschichte des Gasthauses zum stillen Tal

“Führen Sie sie ins Haus zurück”, befahl Wrede. Sperren sie getrennt voneinander in Ihre Kammern. Wir durchsuchen den Rest des Grundstücks. Das Haus, das einst so einladend gewirkt hatte, verwandelte sich an diesem Tag in ein Labyrinth aus Schweigen und Entsetzen.

Unter den Dielen des Vorratsraums fanden die Männer eine zweite Kammer, verborgen durch eine lose Bohle. In ihr standen mehrere Tonkrüge, gefüllt mit einer zähen rötlichen Flüssigkeit. Alaß prüfte den Inhalt, dann stellte er die Gefäße schweigend beiseite. Niemand fragte, was er darin vermutete. In der Küche war alles makellos, zu makellos. Auf dem großen Eichentisch lagen Messer in Reih und Glied, jedes mit einem Schimmer, als sei es eben erst geschliffen worden. Neben den Schneidbrettern standen kleine Tonbehälter mit Beschriftungen in Annas

feiner Handschrift. Muskaten, Majoran, Pfeffer, Blutkraut. Nur Letzteres schien keinem bekannten Gewürz zu entsprechen. In der Ecke des Raumes fanden sie ein Notizbuch. Es war mit Fettflecken übersäht, die Seiten aus dünnem Papier, dicht beschrieben, in kleiner ordentlicher Schrift. Alas blätterte und sein Gesicht veränderte sich mit jedem Satz.

Zwischen harmlosen Rezepten für Wurst, Pasteten und Räucherschinken fanden sich Bemerkungen, die das Blut gefrieren ließen. Fleisch von kräftigen Männern besitzt festere Struktur, bestens geeignet für herzhafte Wurst. Ältere Damen geben weicheres Fett, nützlich für Schmalz. Kinder süßlich, zu zart für Räucherung, jedoch gute Brühe.

Ein Glaswacholdergeist erleichtert den Übergang. Kein Zittern, wenn das Herz noch schlägt. Alas schloss das Buch. Einen Moment lang war nur das Knacken des Feuers zu hören, das noch im Herd brannte. Dann legte er das Notizbuch behutsam auf den Tisch und sagte: “Wir brauchen mehr Männer und einen Wagen.” Währenddessen begann Matthias im Hof auf und abzugehen. Sein Gesicht war bleich, die Hände zitterten.

Jedes Mal, wenn er den Blick über den Boden schweifen ließ, schien er zu hoffen, keine weiteren Spuren zu finden und gleichzeitig zu wissen, dass er sie finden würde. Am Nachmittag kehrte ein Boote mit zwei weiteren Beamten zurück. Sie trugen Kisten, Decken, Laternen. Der Himmel färbte sich violett und das Haus stand im Zwielicht wie ein alter, müder Körper, der endlich seine Wunden offen legte.

Im Keller, hinter der Wand aus Fässern, fanden sie eine zweite Tür. Sie war kleiner, kaum auffällig, aber aus massivem Holz. Als sie geöffnet wurde, schlug ihnen ein Geruch entgegen, der selbst die erfahrensten Männer zurückweichen ließ. Ein Gemisch aus Rauch, Eisen, altem Blut und etwas Süßlichem, das keiner benennen wollte.

In diesem Raum stand ein großer Tisch aus schwerem Holz gefertigt mit Eisenschrauben an den Seiten. An der Wand hingen Haken, einige leer, andere mit alten rostigen Ketten. Auf einem kleinen Regal lagen Lappen, Eimer, eine Schöpfkelle. Die Luft war feucht, als wäre sie von Atem erfüllt. “Das ist eine Schlachtkammer”, murmelte einer der Männer.

“Nein”, antwortete Aas. Das ist etwas anderes. In einer Ecke entdeckten sie ein zweites Buch, dicker als das erste, in Leder gebunden. Der Einband war abgegriffen und auf der ersten Seite stand nur ein Wort: Ernte. Darunter Datumseinträge beginnt im Jahr 1868. Jeder Eintrag trug einen Namen oder ein Kürzel und dahinter eine knappe Bemerkung.

HB kräftig, bitter, gute Würze. W F mager, wenig Fett, für Pastete ungeeignet. KL, jung, sauber, feine Textur. Matthias las diese Buchstaben, als würde jedes Wort mit einer Klinge in seine Haut geschnitten. Kell, flüsterte er, Konrad Lz. Alas nahm ihm das Buch aus der Hand. Es reicht, sagte er, doch seine Stimme brach.

Als die Nacht hereinbrach, saßen die Männer im Schankraum, während draußen Regen gegen die Scheiben prasselte. Anna Hartmann hatte den größten Teil des Tages geschwiegen, bis man sie in die Küche geführt hatte. Sie weigerte sich, Wasser oder Brot anzunehmen. Nur einmal, als der Pfarrer sie ansprach, lächelte sie leicht und sagte: “Ich wollte nur, dass Sie den Geschmack nie vergessen.” Wilhelm hingegen schwieg völlig.

Related Posts

Our Privacy policy

https://worldnews24hr.com - © 2025 News