Louis de Funès: Das verlassene Haus des größten Komikers Frankreichs und sein verborgenes Erbe

Lellier, Frankreich – Es ist seltsam, wie ein Haus, das einst von Lachen erfüllt war, zu einem Ort der Stille werden kann. Louis de Funès, der Mann, der Frankreich über Jahrzehnte mit seinem unverwechselbaren Humor begeisterte, verbrachte seine letzten Jahre auf dem Château de Clermont, einem Herrenhaus aus dem 17. Jahrhundert, hoch über der Loir, fernab der öffentlichen Bühne. Hier pflegte er seinen Garten, widmete sich der Arbeit und trat schließlich seinen letzten Atemzug an – hinter Mauern, die heute fast vergessen sind.
Louis Germain de Funès de Galarza wurde am 31. Juli 1914 in Courbevoie, einem Vorort von Paris, geboren. Seine Eltern waren spanische Einwanderer, die sich in ihrem neuen Land schwer einlebten. Louis wuchs schmächtig, schüchtern und oft verspottet auf, kaum das Bild eines zukünftigen Comedy-Genies. Doch genau diese Unsicherheiten formten seine spätere körperliche Ausdruckskraft, die ihn weltberühmt machen sollte. Schon früh entwickelte er ein scharfes Auge für die Marotten, Ängste und Scheinheiligkeiten der Menschen – Elemente, die seine Rollen später prägen würden.
Seine Karriere begann nicht sofort im Rampenlicht. Während des Zweiten Weltkriegs wurde er als untauglich für den Wehrdienst erklärt und verdiente seinen Lebensunterhalt, indem er in verrauchten Pariser Bars Klavier spielte. Ruhm und Geld blieben ihm zunächst verwehrt, doch seine Fähigkeit, Menschen zu imitieren und zum Lachen zu bringen, war unbestreitbar. Eine zufällige Begegnung mit dem Schauspieler Daniel Gélin 1945 brachte ihm seine erste Filmrolle ein – ein kleiner Schritt, der den Grundstein für eine unvergleichliche Karriere legte.
Fast zwei Jahrzehnte blieb Louis de Funès ein Nebendarsteller, mal Kellner, mal Ladenbesitzer, stets eine komische Erscheinung, die die Szenen für sich einnahm. Kritiker hielten ihn für zu nervös, zu vulgär, zu populär – doch das Publikum erkannte etwas Echtes in ihm. Anfang der 1960er Jahre war Frankreich bereit für seine Komik. Mit „Pouic-Pouic“ 1963 und bald darauf „Le Gendarme de Saint-Tropez“ begann eine Serie von Kassenschlagern, die seinesgleichen suchte. Innerhalb weniger Monate im Jahr 1964 drehte er gleich drei Blockbuster – eine Leistung, die selbst Stars wie Belmondo oder Delon nicht erreichten.

Sein Erfolg lag in der Authentizität seiner Figuren. De Funès verkörperte den kleinlichen Chef, den neurotischen Vater, den bürokratischen Tyrannen – Menschen, die wir ablehnen, denen wir aber trotzdem ähneln. Biograf Bertrand Dikl nannte ihn den Polichinell des modernen Frankreichs: halb Tyrann, halb Kind, voller Widersprüche und doch liebenswert. Ironischerweise machte ihn seine Bescheidenheit, die nie nach Ruhm strebte, zur Legende – ein Komiker, dessen Filme vier Generationen von Franzosen vereinen.
Das verborgene Leben auf dem Château de Clermont
Mitte der 1970er Jahre hatte Louis de Funès alles: Ruhm, Reichtum und die Bürde der eigenen Perfektion. Nach zwei Herzinfarkten 1975 zogen sich er und seine Familie auf das Château de Clermont zurück, ein Anwesen, das er Jahre zuvor mit den Einnahmen aus „La Grande Vadrouille“ gekauft hatte. Auf 40 Hektar Parkland, umgeben von Rosen, Weinbergen und Wäldern, wurde der Komiker zum Gärtner. Stundenlang schnitt er Bäume, pflanzte Tulpen und fütterte Enten, oft allein, die Hände hinter dem Rücken, in Gedanken versunken.
Das Haus bot ihm Rückzug, aber keine vollständige Ruhe. Besucher waren selten, die Medien unerwünscht. Nur seine Frau Jean und seine beiden Söhne Patrick und Olivier durften seine private Welt betreten. Jean war eine streng kontrollierende Ehefrau, die jeden Aspekt seiner Karriere regelte – von Verträgen über Drehbücher bis hin zur Auswahl der Schauspielpartnerinnen. Während Louis in Arbeit, Religion und später in eine geheime Liebesaffäre mit der Radiosprecherin Macha Béranger flüchtete, hielt Jean die Ordnung aufrecht.
Die Beziehung zu Macha, diskret und leidenschaftlich, blieb der Öffentlichkeit über zehn Jahre verborgen. Louis mietete für ihre Treffen kleine Suiten in Pariser Hotels, ein geheimer Rückzugsort fernab der Kameras. Diese Affäre spiegelte die Komplexität seines Lebens: ein Mann, der öffentlich Freude brachte, privat aber zwischen Liebe, Schuld und innerer Einsamkeit zerrissen war.
Die letzten Jahre und der Tod einer Legende
Anfang der 1980er Jahre war Louis de Funès zugleich eine lebende Legende und ein gebrechlicher Mann. Jeder Lacher auf dem Set hatte seinen Preis: ein Engegefühl in der Brust, zitternde Hände, Atemnot. Er weigerte sich dennoch, aufzuhören. „Solange die Menschen lachen, kann ich nicht sterben“, sagte er einst. Doch das Schicksal war unerbittlich. Im Januar 1983 brach er während eines Aufenthalts im Skigebiet Les Arcs zusammen. Zurück auf dem Château de Clermont starb er am 27. Januar 1983 an einem Herzinfarkt im Alter von 68 Jahren.
Frankreich war geschockt. Die Beerdigung war bewusst schlicht, in der Dorfkirche von Lellier, mit nur wenigen Freunden und Dorfbewohnern. Jean lehnte staatliche Ehrungen ab – ihr Wunsch war Privatheit, Bescheidenheit und Stille. Louis de Funès wurde auf dem Friedhof von Lellier begraben, mit Blick auf das Tal der Loire. Auf seinem Grabstein stehen nur Name und Lebensdaten.
Ein Vermächtnis voller Geheimnisse
Trotz eines Lebens, das Millionen zum Lachen brachte, hinterließ Louis de Funès kein bedeutendes finanzielles Erbe. Anders als viele Kollegen verzichtete er auf Tantiemen und Gewinnbeteiligungen, bestand auf direkten Zahlungen. Das machte ihn zwar zu Lebzeiten finanziell unabhängig, doch nach seinem Tod profitierte niemand davon. Sein Vermögen bestand aus Sachwerten wie dem Château de Clermont, nicht aus flüssigen Mitteln. Nach seinem Tod erbte Jean einen Teil, konnte aber das riesige Anwesen kaum erhalten. 1986 wurde es schließlich an eine Organisation verkauft, die Menschen mit Behinderungen unterstützt.
Heute ist das Château de Clermont teils Künstlerresidenz, teils historisches Denkmal. Die einstigen Gärten verwilderten, der Weinberg verstummte, und der Park wurde Schauplatz von Streitigkeiten um Landrechte. Die Komplexität seines Lebens spiegelt sich in diesem Verfall: brillant, chaotisch, stets in Bewegung – und am Ende besiegt von den eigenen Widersprüchen.
Doch Louis de Funès lebt weiter. Seine Filme werden noch immer jährlich im französischen Fernsehen gezeigt, Millionen lachen über die Gesten, die Stimme und den unnachahmlichen Ausdruck des Komikers. Sein größtes Vermächtnis ist das Lachen selbst: es vereint Generationen, verbindet Großeltern mit Enkeln und lässt das Echo seiner Kunst durch die Zeit hallen.
Das Château mag den Besitzer gewechselt haben, sein materielles Vermögen ist verschwunden, doch der Geist von Louis de Funès bleibt lebendig – mal friedlich, mal unruhig – wie der Humor, der ihn unsterblich machte.