Der Zuchtkeller der Albrecht-Schwestern — 28 Männer verschwanden im Schwarzwald 1899

Doch jedes Mal, wenn der Weg zum Hang hinter dem Haus führte, lenkte sie ihn unauffällig ab. Dort zwischen den Wurzeln der Fichten ragten schwere Holztüren in den Felsen, zu niedrig und zu massiv, um bloß Vorratsräume zu sein. Als Riedel darauf zusteuerte, sagte sie sanft: “Nur kalte Erde da hinten, erwachtmeister, nichts, was Sie sehen müssten.

” Er bemerkte, wie Friederike bei diesen Worten kurz die Luft anhielt. Am Abend brachen er und Ketter auf, ohne daß sie etwas Verdächtiges fanden. Doch Riedel wußte, daß etwas an diesem Ort nicht stimmte. Es war nicht das, was er gesehen hatte, sondern das, was er nicht sehen durfte. Der Durchbruch in der Affäre Albrecht kam nicht durch planmäßige Ermittlungsarbeit, sondern durch Zufall, Leid und den Überlebenswillen eines einzigen Mannes. Am frühen Morgen des 12.

September 1899 schleppte sich ein halb nackter, schwer verletzter Mann durch die Hauptstraße von Trieberg. Seine Kleidung hing in Fetzen, seine Haut war aufgeschörft, von Dornen und Felsen zerrissen. Er stürzte vor dem Haus des Arztes Heinrich Falkenstein zu Boden und verlor das Bewusstsein. Der Arzt, ein erfahrener Mann mit eiserner Ruhe, ließ ihn sofort hereintragen.

Was er vorfand, ließ selbst ihn erschauern. Tiefe entzündete Wunden an Hand und Fußgelenken, als wären dort über Wochen schwere Eisen angelegt gewesen. Abmagerung bis auf die Knochen, Biss und Kratzspuren, die aussahen, als habe der Mann sich in Panik selbst verletzt. Stundenlang kämpfte Dr. Falkenstein um sein Leben, gab ihm Brühe, reinigte die Wunden, legte Verbände.

Der Mann sprach kaum, brabbelte wirres Zeug in fieberhafter Erregung, doch einzelne Worte wiederholte er immer wieder: “Die Kammern, das Zuchtzimmer, die Schwestern, das Licht, die Schreie.” Falkenstein hielt ihn zunächst für delirierend. Doch als die Worte immer klarer wurden, ließ er den Bezirkswachtmeister rufen. Riedel traf noch am selben Abend ein.

Der Verletzte stellte sich als Samuel Maurer vor, ein 29-jähriger Fallensteller aus Thüringen, der im Frühjahr in den Schwarzwald gekommen war. Seine Stimme war brüchig, aber seine Erinnerung erstaunlich präzise. Er berichtete, daß er Ende August in der Nähe des Albrechthofes unterwegs gewesen sei, um Fallen auszulegen.

Magdalena Albrecht habe ihn angesprochen, freundlich, mit einem Krug Schnaps in der Hand. Sie lud ihn ein, sich am Feuer zu wärmen. Er nahm den Becher, trank, dann Dunkelheit. Als er erwachte, lag er in völliger Finsternis. an Hand und Fußgelenken in Ketten gelegt, auf kaltem Stein. Er war nicht allein.

Um ihn herum hörte er Stimmen, Männerstimmen, manche nur noch ein Keuchen, andere schreiend, bettelnd, flüsternd. Er sah sie nie richtig, doch er wußte, daß sie da waren. Magdalena kam manchmal hinab, trug eine Lampe und sprach von Gottes Plan und reingezüchteten Kindern des Berges. Friederike folgte ihr schweigend, hielt Schalen mit Wasser, Brot und rohem Fleisch.

Maura berichtete von Geburtskammern, in denen Kinder geboren wurden. Kinder, die nie das Tageslicht gesehen hatten. Er sprach von Männern, die verschwanden, von Schreien, die von Stein zu Stein halten. Mehrmals verlor er das Bewusstsein während der Erzählung und Dr. Falkenstein schrieb jedes Wort nieder.

Am dritten Tag nach seiner Ankunft starb Maurer an einer Blutvergiftung, doch seine letzten klaren Sätze waren präzise genug, um Riedel zu überzeugen. Unter dem Haus eine Tür im Fels, zwei eiserne Riegel, hinter der dritten Kammer die Kinder. Riedel zögerte nicht. Noch in derselben Nacht stellte er eine Eingabe an den Landrat, verlangte einen Haftbefehl und Unterstützung durch das Reichsjustizamt.

Doch die Beamten in Freiburg lachten. Zwei Frauen, die Männer fangen und züchten wollten. Das klang wie Spinnerei. Riedel schrieb Berichte wieder und wieder, bis endlich ein höherer Beamter im Innenministerium die Sache ernst nahm. Zwei Wochen vergingen. In dieser Zeit bewachten Riedel und drei Freiwillige aus Willingen den Zugang zum Tal.

Sie wagten sich nicht hinein aus Angst, die Schwestern könnten fliehen. Am 8. Oktober erhielt Riedel endlich Genehmigung und Verstärkung. Sechs Reichsmarchelle aus Karlsruhe. Noch am selben Tag brachen sie auf, schwer bewaffnet, geführt von Hans Ketterer, der sich weigerte, unbewaffnet, auch nur einen Fuß in dieses Tal zu setzen.

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