Wanderer berichten, dass dort die Luft stiller ist als anderswo, als hielte der Wald den Atem an. Ein Historiker schrieb in sein Notizbuch, nachdem er den Ort besucht hatte: “Vielleicht betet dort niemand mehr, aber vielleicht hört Gott noch immer zu.” Mit dem neuen Jahrhundert begann die Geschichte der Görings still und unaufhaltsam in die deutsche Kultur einzusickern, nicht mehr als ein bloßes Kapitel aus alten Gerichtsakten, sondern als Symbol, als Metapher für den gefährlichsten menschlichen Wunsch, den nach reiner Wahrheit. In den Theatern der 20er Jahre nach
2000, als das Land sich mit den Themen Schuld, Erinnerung und Identität beschäftigte, tauchte die Familie Göring immer wieder auf. In Stuttgart inszenierte das Staatstheater das Stück Blut und Glaube, geschrieben von der Dramatikerin Annelise Wörner. Es zeigte Elisabeth nicht als Monster, sondern als tragische Prophetin, gefangen zwischen göttlicher Vision und menschlicher Blindheit.
In einer Szene stand sie im Dunkeln und sprach: “Ich habe nur geglaubt, aber der Glaube selbst hat mich verschlungen.” Die Kritiker nannten es eines der mutigsten Stücke des Jahrzehnts, weil es nicht verurteilte, sondern fragte: Wie viel Warn steckt in Überzeugung? Wie viel Abgrund in Reinheit? Bald folgten Filme, Gedichte, Installationen.
In der Berliner Kunsthalle zeigte man die Ausstellung Reine Schatten, eine Serie großformatiger Fotografien, die das verlassene Tal der Göringsklinge zeigten. Nebel, Bäume, zerbrochene Steine. Auf jedem Bild stand in feiner Schrift ein Zitat aus den alten Verhören. Das bekannteste Gott befahl mir reinzubleiben.
Der Filmregisseur Lukas Märten drehte im Jahr 202 Spielfilm Die Stille der Alp basierend auf den historischen Ereignissen. Er drehte an Originalschauplätzen im Winter unter grauem Himmel und ließ den Schnee unberührt fallen als Symbol für das, was die Menschen Reinheit nennen. Kalt, lautlos, tödlich. Der Film gewann internationale Preise. In einer Szene sagte der Schauspieler, der Landrat Kompner spielte: “Das Schlimmste ist nicht, dass sie glaubte.
Das Schlimmste ist, dass niemand widersprach.” Philosophen griffen diese Worte auf. In Essays und Vorträgen wurde der Fall Göring zu einem moralischen Gleichnis, das über Religion hinauswies. Der Ethiker Hans Dieter Kohl schrieb: “Die Geschichte lehrt uns nicht, dass Glaube gefährlich ist. Sie lehrt, dass Schweigen tödlich ist.
” Die Reinheit, die Elisabeth suchte, war nur der Spiegel einer Gesellschaft, die sich für Markellos hielt. An der Akademie der bildenden Künste in München widmete man im Jahr 203 eine Seminarreihe dem Thema Reinheit und Schuld im deutschen Denken. Studenten stellten Installationen aus Erde, Glas und Metall her, Materialien, die an den kalten Boden der Alp erinnerten.
Eine Studentin baute ein Modell des Räucherhauses, aber aus Milchglas, durch das ein schwaches Licht fiel. Sie nannte es Beichtstuhl der Erde. Gleichzeitig begannen Filmemacher, Autoren und Journalisten die Parallelen zwischen der Legende und den dunklen Kapiteln der deutschen Geschichte zu ziehen. In Dokumentarfilmen wurde gefragt, ob die Sehnsucht nach Reinheit, nach dem Unverfälschten, nach der reinen Ordnung, nicht auch im kollektiven Bewusstsein fortlebe, ob in Religion, in Politik oder in Ideologien.
Eine Kommentatorin sagte im Kulturmagazin des Südwestrundfunks: “Die Görings sind keine Fußnote. Sie sind ein leises Echo auf alles, was Deutschland im 20. Jahrhundert getan hat, um rein zu werden und dabei die Seele verloren hat.” So wurde aus der Geschichte der Familie, die einst in einem vergessenen Tal lebte, eine nationale Allegorie. Die Reinheit, die sie suchten, wurde zur Metapher für alle Versuche des Menschen die Welt zu ordnen, indem er das Unreine vernichtet und am Ende nur sich selbst zerstört.
Auch in der Literatur fand der Stoff ein neues Zuhause. Dichter verwendeten das Motiv der Klinge, der Schlucht, in der das Licht nie ganz durchdringt als Sinnbild für das menschliche Bewusstsein. Ein Gedicht von Nora Feldhaus, das im Jahr 2035 veröffentlicht wurde, trägt den Titel Elisabeth spricht.