Die Zwillinge von Ebersberg: die Akte, die Deutschland zu löschen versuchte

Es war eine einzige, betrachtet von beiden Seiten, als wäre das Haus ein Prisma und jeder Besucher nur eine neue Facette. Ich stieg die Treppe hinauf. Jeder Schritt knarrte. Jeder knarrlaut kam wie ein Echo zurück, nur rückwärts. Im letzten Raum waren alle Wände mit zerbrochenen Spiegeln bedeckt. Doch keiner zeigte mein Gesicht. Alle zeigten dasselbe.

Julian und Matthias Ordner, Rücken an Rücken, etwas in den Händen haltend, lesend. Und da verstand ich, sie warteten nicht darauf, gefunden zu werden. Sie warteten auf jemanden, der sich selbst lesen konnte. Die Seite begann sich von allein zu füllen. Meine Hand zitterte, als wären es meine eigenen Bewegungen, doch die Worte waren fremd. Es gibt kein Ende, wenn du die Augen nicht schließt.

Es gibt keine Rückkehr, wenn du nicht weißt, welches du draußen blieb. Die Symmetrie ist bereits aktiviert. Du hast ihr Gestalt gegeben. Du wirst gelesen. Du wirst gespiegelt. Das Haus begann zu summen. Ein tiefer Ton, identisch mit dem von Kassette 17. Die Frequenz 217,8 Hz, dieselbe wie die Gammawelle des Gehirns.

Meine Gedanken rissen auseinander, wie wenn zwei Versionen meiner selbst gleichzeitig sprachen. Ich konnte nicht mehr unterscheiden, welche Stimme die ursprüngliche war. Dann schloss ich die Ritze nicht nach innen, nach außen. Die Wand pulsierte, versiegelte sich. Auf dem Boden blieb nur das schwarze Heft offen auf der letzten Seite. Die Schrift war rot, keine kindliche Klaue mehr.

Es war meine Handschrift. Darin stand: “Danke, dass du unsere Geschichte erzählt hast. Jetzt erzähle sie noch einmal mit deiner Stimme von innen. Diese Geschichte wird nicht gespeichert, sie wird nicht gedruckt, sie wird nicht geteilt. Sie wiederholt sich nur in einem anderen Dorf, in einem anderen Spiegel, in einem anderen Erzähler, vielleicht jetzt in dir.

Denn wenn du das liest, gehörst du bereits zum Spiegel. M.

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