Die Zwillinge von Ebersberg: die Akte, die Deutschland zu löschen versuchte

Auch die medizinischen Unterlagen zeigten Auffälligkeiten. Bei den Untersuchungen zum Schuleintritt 1992, durchgeführt von der Landarztpraxis in Ebersberg, notierten die Kinderärzte denselben merkwürdigen Befund. Fehlende Reaktion auf akustische Reize ohne klinische Taubheit. Elektroenzephalogramm zeigt ungewöhnliche Synchronität.

Neurologische Nachkontrolle erforderlich, doch es kam nie zu einer Nachkontrolle. Die Praxis wurde kurz darauf wegen Geldmangels geschlossen. In Ebersberg will heute niemand mehr von den Ordnern sprechen. In der Schule sind sämtliche Akten über ihre Schullaufbahn verschwunden. Der jetzige Direktor behauptet, er habe die Namen nie gehört. Es könnte ein Irrtum sein.

Doch in einem Abstellraum unter alten Uniformen fand ich ein loses Blatt. Anwesenheitsliste vom März 1992. Klasse ganz unten. Julian Ordner, Matthias Ordner anwesend. Daneben jedoch kaum lesbar, mit Bleistift hingekritzelt. Nicht nebeneinandersetzen. Sehen Sie sich zu lange an, trennen Sie sich.

Manchmal ist das Unheimlichste nicht das, was fehlt, sondern das, was zu gut zusammenpasst. Die dritte Spur in dieser Geschichte entstand, als ich Lidia Sommer kontaktierte. Eine pensionierte Krankenschwester, die in den 90er Jahren in der örtlichen Klinik arbeitete. Heute lebt sie mit ihrer Tochter in Linz.

Sie empfing mich zögerlich, doch nach einer Stunde Gespräch veränderte sich ihr Blick, als ich die Namen erwähnte. Die Ordner? Ja, ich erinnere mich gut. Niemand wollte sie untersuchen. Warum? Weil sich die Luft veränderte, sobald sie das Sprechzimmer betraten. Das Pulsoxy funktionierte nicht, das Stethoskop frorh regelrecht ein. Das Blutdruckmessgerät zeigte nichts an. “Waren Sie krank?”, fragte ich.

“Nein, das war ja das Problem. Sie waren zu gesund. Protokollgemäß mussten alle Kinder der Gemeinde halbjährlich untersucht werden. Gewicht, Sehen, Hören, Sprache, Motorik. Doch bei den Ordnern war es unmöglich, vollständige Daten zu erheben. Sie setzten sich einander gegenüber. Wurden sie einzeln aufgerufen, reagierten sie nicht, nur gemeinsam.

Und wenn einer blinzelte, tat es der andere ebenso. Wenn der Ältere sprach, schloss der Jüngere die Augen. Fragte man einen nach dem Namen, öffnete der andere den Mund. Es war, als teilten sie einen Körper. Ich fragte Lidia, ob sie je Anzeichen von Gewalt zeigten. Sie überlegte lange, dann sagte sie: “Nein, Gewalt nicht.

” Aber einmal Matthias fiel vor der Klinik hin. Er schlug sich heftig das Knie auf, es blutete. Ich wollte ihn versorgen, doch bevor ich ihn berührte, begann Julian, der draußen auf der Bank saß, aus demselben Knie zu bluten. An derselben Stelle. “Wie?”, fragte ich. Ich schwöre, ich habe es gesehen. Ohne Berührung, ohne Sturz. Die Wunde erschien gleichzeitig. Ich suchte alte Krankenakten.

Es war schwierig. Viele Unterlagen waren digitalisiert und danach vernichtet worden. Doch ich fand eine verbliebene Papierkopie der Wachstumskontrollen. Januar 1993. Allgemeine Untersuchung: Matthias Ordner. Julian Ordner. In der Spalte Bemerkung stand Herzrthmus exakt identisch. Gleiche Sauerstoffsättigung, gleicher Blutdruck. Beide mit 36,7°.

Blutproben, gleiche Struktur, gleiche Gruppe, keine Unterschiede im mitochondrialen DNA Nachweis. Validierung erforderlich. Die Validierung fand nie statt. Die Geschichte nahm eine dunklere Wendung, als ich Silvia Ordner aufsuchte. Tante der Zwillinge und Mutter von Valentina, dem Mädchen, das 1992 starb. Heute lebt sie in einer privaten psychiatrischen Klinik in München, seit Jahren in fast katatakonischem Zustand.

Sie spricht nicht, reagiert kaum. Doch als ich ihr eine alte Aufnahme vorspielte, die Stimme eines Kindes, das einzelne Worte wiederholt, spannte sich ihr Körper plötzlich an. Ihre Augen, die eben noch leer in die Ferne starrten, richteten sich panisch auf mich. Sie versuchte aufzustehen, konnte nicht, näste sich ein.

Die Pflegerinnen sagten: “So etwas hätten sie nie erlebt.” Die Aufnahme stammte aus dem Jahr 1994, erstellt von einem Schulpsychologen. Darauf hört man eine der Zwillingsstimmen, ununterscheidbar, ob Julian oder Matthias. Vier Minuten lang wiederholt das Kind einzelne Worte. Scheinbar zufällig Licht, Kreis, Stein, wir, Schatten, Spiegel, Mund, Erde, Mutter.

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