Das Brummen von Kassette 17 ließ mich nicht los. Ich gab es einem Tontechniker für Spektralanalyse. Ergebnis: Kein Störgeräusch, sondern ein gleichbleibendes Wellenmuster. Frequenz 217,8 Hz. Genau dieselbe Frequenz wie eine bestimmte Hirnwelle, die sogenannte Gammawelle. “Das ist kein Rauschen,” erklärte der Techniker. “das ist ein neuronaler Impuls.
” “Was bedeutet das?”, fragte ich, “dass jemand oder etwas ein Signal sendet, das Gehirnströme beeinflussen kann.” Ich hörte die Aufnahme erneut, diesmal mit Spezialkopfhörern, schloß die Augen und plötzlich war die Stimme nicht mehr außerhalb, sondern in meinem Kopf. Keine Distanz, kein Echo, als wären es nicht fremde Erinnerungen, sondern meine eigenen.
Die letzten 3 Sekunden der Kassette bestanden nur aus einem Atemzug. Doch dann hatte ich das Gefühl, er war nicht außerhalb, sondern bereits in mir. Ich erzählte Emilia davon. Sie bat mich, ihr die Datei zu schicken. Sie wolle sie mit einem Neuroforscher in Wien analysieren. Drei Tage später verlor ich jeden Kontakt zu ihr. Stattdessen erhielt ich eine einzige E-Mail von ihrer Adresse.
Es gibt nichts mehr zu erforschen. Die Namen sind zurück. Sie haben das Band gehört. Wir sehen uns bald. signiert mit drei Buchstaben Cas. Es gibt Häuser, die nicht mehr stehen dürften. Ich kehrte noch einmal ins alte Ordnerhaus zurück, diesmal bei Sonnenuntergang. Ich war nicht allein. Ein Tontechniker namens Karl begleitete mich.
Ebenso eine junge Anthropologin aus München, Theresa, die sich als Führerin anbot. Wir redeten kaum auf dem Weg dorthin. Das Band hatte uns mehr zugesetzt, als wir zugeben wollten. Wir betraten das Haus kurz vor der Dunkelheit. Es wirkte noch baufälliger als beim ersten Mal. Die Wände schwitzten Feuchtigkeit. Die Luft war unbeweglich, schwer, elektrisch.
Es fühlte sich an, als hielte die Atmosphäre den Atem an. Karl baute ein hochsensibles Aufnahmegerät auf. Theresa untersuchte die Wände mit einer UV Lampe. Ich stieg in den Keller hinab. Er war tiefer, als ich ihn in Erinnerung hatte. Drei Stufen Beton, sieben aus morschem Holz, niedrige Decke, nackte Wände, der Geruch von eingeschlossener Erde.
Dort stand noch immer die Kiste mit den Kassetten, aber auch etwas Neues. Ein Regal voller Schulhefte, alle mit den Namen der Ordner beschriftet. Zeichnungen, Tests, Formulare, viele durchgestrichen, andere voller jener seltsamen Symbole. In einem blauen Heft ohne Namen fand ich etwas anderes.
Einen Brief mit kindlich sauberer Schrift ohne Adressat. Mama weiß nicht, dass wir nicht mehr träumen. Dass, was wir sehen, kein Traum ist, sondern die andere Seite. Wenn wir dort schlafen, schlafen sie hier, tiefer unten. Sie sagten uns, dass wir nicht einzigartig sind. Es gibt noch mehr wie uns, aber getrennt.
Nur wir sind der ganze Spiegel. Ich rief nach Karl. “Und was sagt die Aufnahme?”, fragte ich. Sein Gesicht war bleich. Das Gerät schaltete sich nach 3 Minuten ab. Kein Fehler, kein Stromausfall. einfach weg und die Datei leer. Der Speicher ist unbeschädigt, aber es gibt keine Spur, dass wir je aufgenommen hätten.
In diesem Moment rief Theresa von oben: “Ich habe etwas gefunden.” Unter der Tapete im Erdgeschoss entdeckte sie eine Nische. Darin lag eine kleine Metallkiste mit Industrieklebeband verschlossen. Wir öffneten sie. Dokumente, falsche Pässe, gefälschte Geburtsurkunden, eine Landkarte mit markierten Städten.
Das Erschreckendste war jedoch ein Formular mit dem Briefkopf des Jugendamtes. Umsiedlung unbegleiteter Minderjähriger. Fall vor 7. Doppelte Registrierung Ordner Julian Ordner Matthias in roter Schrift: Nicht trennen, nicht an fremde Familien vermitteln. Ständige Aufsicht. Karl verließ uns sofort. Er klagte über stechende Kopfschmerzen und Druck auf den Ohren. Theresa und ich blieben.
Mit der UV-Lampe sah sie an den Wänden Wörter aufleuchten, unsichtbar im normalen Licht. Immer wieder derselbe Satz. Öffne nur, wenn sie schauen. Was soll das heißen? Fragte ich. Keine Antwort, nur Theresas leises Flüstern. Vielleicht meinen Sie die Zwillinge. Noch in derselben Nacht kehrten wir nach München zurück.