Die Zwillinge von Ebersberg: die Akte, die Deutschland zu löschen versuchte

Ihr voller Name: Ceilia Ordner, geborene Barage. Ihr jetziger Aufenthaltsort. Unklar. Laut Melderegister lebte sie in einem kleinen Ort in Tirol. Ich fuhr hin. Das Dorf hieß offiziell St. Paul im Tal, doch auf modernen Karten war es nicht verzeichnet. Die Leute erinnerten sich an sie, aber niemand nannte ihren Namen. Nur die stumme Mutter.

Sie wohnte in einem Lehmus ohne Strom. Sie öffnete die Tür nicht, schob nur Zettel darunter hindurch. Ich schrieb: “Ich will nichts Böses. Ich will nur verstehen, was geschehen ist.” Am nächsten Tag lag ihre Antwort bereit mit zittriger kindlicher Schrift: “Es ist nicht geschehen. Es geschieht. Es geschieht immer.

” Ich insistierte, fragte, warum sie gegangen war, warum sie alles verlassen hatte. Ihre zweite Nachricht: Man kann keinen Spiegel erziehen, man kann ihn nur putzen. Ein dritter Zettel. Sie wurden nicht geboren. Sie spiegelten sich. Zurück im Hotel schlief ich schlecht. Ich träumte von einem Raum ohne Türen. Darin stand ich selbst, doch der andere atmete nicht, blinzelte nicht.

Er kopierte jede meiner Bewegung. Am Ende sprach er: “Nicht mit meiner Stimme, sondern mit der Zwillinge. Wenn du dich zuerst nicht mehr bewegst, nehmen wir den Rest.” Am Morgen erhielt ich einen Anruf von einer unterdrückten Nummer. Die Stimme war metallisch, verzerrt. “Du hast die zehnte Seite gefunden.

Wer spricht?” “Das spielt keine Rolle. Hör zu. Es gibt eine Seite, die nicht in den Heften ist. Sie war nie da. Aber wenn du sie schreibst, kommen sie. Wer? Die anderen du. Dann legte die Stimme auf. Stunden später startete mein Laptop von selbst. Auf dem Desktop erschien ein neuer Ordner. 10. Spiegel.

Darin ein Dokument mit einer einzigen Phrase 216 mal wiederholt. Schreibe die Rückseite. Ich untersuchte den Ursprung der Datei. Kein Netzanschluss, kein externer Zugriff. Laut Protokoll war sie am siebze Oktober 1992 erstellt worden. Das war genau das Jahr, in dem die Ordnerzwillinge offiziell verschwanden.

Ich kehrte zurück dorthin, wo alles begonnen hatte, ins Ordnerhaus in Ebersberg, allein mit eingeschaltetem Recorder. Auf dem Boden fand ich ein neues Heft, ein schwarzes, unversehrt. Es enthielt nur eine Seite mit Bleistift beschriftet. Jetzt musst du schreiben, denn der Spiegel endet nicht dort, wo das Bild beginnt.

In dem Hinterzimmer, wo wir die Metallkiste entdeckt hatten, bemerkte ich eine neue Spur, eine senkrechte Ritze in der Wand, schmal wie Papier. Ich berührte sie. Der Stein warm, pulsierend, wie Haut. Als ich einige Schritte zurückrat, erkannte ich die Form. zwei Figuren, die einander gegenüber standen. Zwischen ihnen die dunkle Ritze, die einen Schatten auf mich warf, obwohl hinter mir keine Lichtquelle war.

Ich wagte, nicht zurückzukehren. Stattdessen saß ich bis zum Morgen vor dem Haus, während die Ritze unbeweglich blieb, selbst als die Sonne aufging. Es war keine Schattenlinie, es war Abwesenheit. Später in meiner Wohnung schlug ich das schwarze Heft erneut auf. Die Seite war nicht mehr leer. Neue Zeilen erschienen in meiner Handschrift, doch ich hatte sie nicht geschrieben. Heute habe ich sie wieder gesehen.

Sie haben mich nicht angeschaut. Sie haben mich erkannt. Ich konsultierte Experten für Papier, Tinte, Graffit. Keiner konnte erklären, wie die Schrift entstanden war. Einer, ein Physiker, fragte mich schließlich: “Sind Sie sicher, daß Sie keinen Zwilling haben?” Ich schwieg. Denn als Kind hatte ich dieselbe Frage gestellt und meine Eltern antworteten nie.

Sie zeigten mir auch nie Fotos meiner Geburt. Ich begann erneut, meine Geburtsurkunde zu prüfen. Auf den ersten Blick war alles korrekt. Datum, Ort, Krankenhaus. Doch als ich sie mit dem staatlichen Register verglich, entdeckte ich eine Anomalie. Die Einträge direkt vor und nach meinem waren identisch, doppelt geführt.

Zwei Geburten mit meinem Nachnamen, am selben Tag, mit demselben Vornamen. Einer archiviert in Bayern, einer in Tirol, beide mit exakt gleichen Fingerabdrücken. Ich fuhr sofort nach Tirol. Das Standesamt war wegen Renovierung geschlossen, doch ein Mitarbeiter ließ mich im Archiv suchen. Minuten lang blätterte er. Dann kehrte er bleich zurück.

Related Posts

Our Privacy policy

https://worldnews24hr.com - © 2025 News