
Willkommen zu einer Reise durch einen der verstörendsten Fälle der deutschen Provinzgeschichte. Im Herbst des Jahres 1892, tief im Herzen des Thüringer Waldes, führte Kreispolizist Elias Warns eine Gruppe von Männern in das abgelegene Tal von Hohlgrund, einen Ort, den selbst die Einheimischen nur mit Furcht im Blick nannten.
Dort stießen sie auf ein Grauen, das Jahrzehntelang unentdeckt geblieben war. Die Schwestern Elisabeth und Morwin Schwarzwald hatten über 20 Jahre lang umherziehende Männer in ihr verborgenes Gehöft gelockt, überzeugt davon, sie seien auserwählt, ein neues Volk Gottes zu gebären. 23 verwilderte Kinder wurden in unvorstellbarem Elend gefunden.
Die Schwestern zeigten weder Reue noch Furcht, nur den fanatischen Glauben, göttlichen Willen erfüllt zu haben. Wie konnte ein solcher Wahnsinn so lange verborgen bleiben? Der Thüringer Wald im Herbst 1892 war ein Land, in dem die Zivilisation nur in Form zerstreuter Dörfer existierte. Kleine Lichtinseln inmitten endloser dunkler Wälder. In dieser rauen Landschaft, in der Nebel die Täller wochenlang verschlangen und die Sonne kaum den Boden erreichte, war das Leben hart, einfach und voller Schweigen.
Zwischen den abgelegenen Siedlungen lagen keine bloßen Meilen, sondern Tage mühsamen Marsches über steinige Pfade, die jeden Winter verschwanden, wenn Schnee und Tauflut sie verschlangen. war ein Land, in dem ein Mensch spurlos verschwinden konnte, nicht als Opfer, sondern als Teil der Natur selbst.
In dieser Abgeschiedenheit lebten Familien, die ihre eigenen Regeln, ihren eigenen Glauben und ihre eigene Moral entwickelten. Der Hohlgrund war einer dieser Orte, ein Tal so tief und verworren, dass kaum jemand es betrat. Selbst in den umliegenden Gemeinden wurde sein Name nur im Flüsterton ausgesprochen.
Die Siedlung bestand aus einer Handvoll verfallener Hütten, umgeben von dunklen Fichten und Buchen. Wer sich dorthin verirrte, tat es nicht zweimal. Alte Geschichten erzählten von den ersten Bewohnern, Familien, die hierher geflohen waren, nicht aus Hoffnung, sondern aus Verzweiflung. Unter ihnen war die Familie Schwarzwald, deren Stammvater Johann Schwarzwald als strenger, bibelfester Mann galt, der überzeugt war, die Welt außerhalb der Berge sei von Sünde durchdrungen und dem Untergang geweih.
Sein Sohn Jedidias Schwarzwald nahm diesen Glauben und formte daraus etwas noch dunkleres. Wer ihn in den 1850er oder 1860er Jahren auf dem Markt in Sonneberg oder Neuhaus traf, erinnerte sich an einen mageren, fanatisch blickenden Mann, der von Reinigung, Auserwählung und göttlicher Strafe sprach.
Er kaufte Mehl, Salz und Eisenwerkzeuge und verschwand wieder monatelang in den Wald. Irgendwann hörte man auf, ihn zu sehen. Die Leute dachten, er sei gestorben wie so viele dort. Leise, unbemerkt, namenlos. Doch Jedidias war nicht tot. Er hatte sich vollständig zurückgezogen, nur mit seinen beiden Töchtern Elisabeth und Morwin, in völliger Isolation.
Dort, tief im Tal lehrte er sie, dass die Welt draußen verdorben sei, daß sie allein von Gott erwählt sein, nach der kommenden Reinigung ein neues reines Volk zu gründen. Als Jedidias in den frühen 80er Jahren schließlich starb, waren seine Töchter schon Frauen mittleren Alters geprägt von seiner fanatischen Lehre.
Sie kannten kein anderes Leben, kein anderes Wort als das, was er ihnen eingebrannt hatte. Von da an setzten sie sein Werk fort, überzeugt göttlichen Willen zu erfüllen. Hin und wieder erschien eine von ihnen im Laden des nächsten Dorfes, ein Tagesmarsch entfernt. Die Händler erinnerten sich an blasse Wortkage Frauen, die Fälle und Wurzeln gegen Salz und Stoff tauschten.
Ihre Stimmen klangen flach und leer, ihre Augen blickten wie durch die Menschen hindurch. Kinder wichen ihnen aus. Männer stellten das Reden ein. wenn sie eintraten. Niemand bemerkte, wie ein Muster entstand. Ein reisender Kesselflicker, ein junger Holzarbeiter, ein Wanderprediger, Männer, die kamen und nie wieder gesehen wurden.
In jener Zeit, in der Wald ebenso viele Leben nahm, wie Krankheit oder Hunger, war Verschwinden nichts ungewöhnliches. Doch unter den Holzfällern und Jägern begann sich ein anderes Wissen zu verbreiten. Geflüstert am Feuer, niemals laut ausgesprochen. Wer allein in den Hohlgrund ging, kam nicht zurück. Mit den Jahren wurde der Name Hohlgrund zu einem stillen Fluch unter den Männern, die in den Wäldern arbeiteten.