Einige trugen Tierfälle, andere nur Fetzen von Leinen. Die Jüngsten waren kaum dre Jahre alt, die Ältesten fast erwachsen. “Mein Gott!”, flüsterte einer der Depotierten. “Zählen”, befall Van. Sie zählt 5, zehn 15 Kinder standen nun vor ihnen, reglos, still, mit Augen, so blass wie die ihrer Mütter.
Sie machten keine Geräusche, keine Tränen, kein Schrein, nur Schweigen. Als der Männer sich näherte, fauchte ein Mädchen, vielleicht 12 Jahre alt, und zog sich zurück, als wäre er ein Tier, das man meiden musste. Die anderen bewegten sich mit ihr gleichzeitig wie ein einziger Körper. Sie schützen sie”, sagte Kaltenborn leise. “Sie glauben, wir sind Feinde.” W fühlte, wie ihm die Kehle trocken wurde. “Sie sind keine Kinder mehr”, flüsterte er.
“Sie sind etwas anderes geworden.” Er befahl, das Hauptgebäude zu durchsuchen. Zwei Männer öffneten die Tür der Hütte. Ein Schwall, modriger, stickiger Luft schlug ihnen entgegen. Innen war es dunkel, der Boden mit Stroh bedeckt, die Wände mit Ruß geschwärzt. Auf einer Seite stand eine grobe Feuerstelle, in der Asche glimmte. Dann fanden sie die Luke.
Unter der Hütte lag ein Keller, ein Erdloch, kaum ein Meter hoch. Eine Leiter führte hinab in Finsternis. Van zündete eine Laterne an und stieg hinunter. Der Geruch war unerträglich. Erde, Schimmel und etwas eisenhaltiges. Blut vielleicht. In der Ecke fand er Seile, noch feucht vom Gebrauch, und eine Holzkiste.
Darin lagen Gegenstände, eine zerbrochene Brille, ein Tabakdöschen, ein Taschenmesser, ein vergilbtes Gebetbuch mit der Aufschrift Samuel Hage. Das sind ihre Männer gewesen, sagte Van, die Verschwundenen. Als er wieder hinaufstieg, blickte er zu den Schwestern. Elizabeth stand noch immer unbewegt. “Gott prüft die Reihen”, sagte sie ruhig. “Ihr versteht das nicht.
” Van antwortete nicht. Er wusste, dass sie recht hatte, aber nicht so, wie sie es meinte. Er verstand wirklich nicht, was er hier sah. Der Rückweg aus dem Hohlgrund dauerte fast zwei Tage. Es war, als wäre sich der Wald selbst gegen ihre Flucht. Wind fegte durch die Äste, Regen durchnäste Kleidung und Fälle.
Pferde scheuten vor Schatten, die niemand wirklich sah. Die Männer trugen die gefesselten Schwestern auf einem Wagen. Die Kinder folgten, apathisch, schweigend, mit leeren Blicken. Niemand wagte sie zu berühren. Ein Junge, vielleicht 15 Jahre alt, blieb dicht bei Elisabeth, als wäre sie seine einzige Welt.
Wenn jemand sich ihm näherte, knurrte er wie ein Hund. In Sonneberg angekommen, verwandelte sich die Rückkehr des Trups in ein Ereignis. Menschen versammelten sich auf der Straße, als sich die Nachricht verbreitete. Die Schwarzwaldschwestern seien gefasst worden. Der Anblick der Kinder ließ die Menge verstummen.
Keine Worte, kein Spott, nur die bedrückende Stille des Entsetzens. Vgab die Gefangenen dem Bezirksgericht. Ärzte untersuchten die Kinder und ihre Berichte gingen wie Schockwellen durch die Behörden. Unterernährt, verwahrlost, von Fieber gezeichnet, aber am Leben. Manche konnten sprechen, doch ihre Sprache war ein unverständlicher Mischlaut aus Dialekt, altem Deutsch und erfundenen Wörtern.
Zwei Jungen verstanden sich offenbar nur über Gesten und Pfeiflaute. Die Ärzte nannten es eine künstliche Sprache der Isolation. Während die Kinder in Pflegeheime gebracht wurden, bereitete das Gericht in Saalfeld den Prozess vor. Die Schwestern Elisabeth und Morwin Schwarzwald blieben im Bezirksgefängnis.
Sie weigerten sich Anwälte zu benennen. Als ihnen ein Pflichtverteidiger zugeteilt wurde, sprach Elisabeth kaum mit ihm. Sie saß mit gefalteten Händen den Blick nach unten gerichtet und betete lautlose Gebete. Van besuchte sie einmal. Warum? Fragte er nur. Elizabeth hob den Kopf. Weil die Welt gereinigt werden muss sagte sie mit sanfter Stimme.
Mein Vater sah, was kommt. Ihr nicht. Wir haben die Kinder für die neue Zeit bereitet. Bald wird das Land brennen und sie werden die einzigen sein, die nicht sündig sind. wenn es schwieg. Ihre Worte klangen nicht wie Wahnsinn, sondern wie Überzeugung und das war schlimmer. Der Prozess begann im Januar 1893.