(1876, Spessart) Die Familie Donnelly: Deutschlands verstörendstes genetisches Geheimnis

Auf seinem Schoß lag ein Bündel Schriften, Auszüge, Listen, eine nüchterne Zusammenstellung von Jahren, Namen und stillen Urteilen. “Wir werden den Fahrer zuerst sprechen”, sagte Hartmann, ohne den Blick von der Straße zu lösen. Er hat Einfluss. Wenn er seine Stimme erhebt, hört die Gendarmerie hin und wenn er schweigt?” fragte Brenner. Hartmann schwieg einen Moment, dann reden die Kreuze.

In Lo empfing sie das vertraute Geräusch eines Marktages. Stimmen, das Scheppern von Eimern, der Duft von Brot und Sauerkraut, der aus einer Schenke quoll. Doch die Wärme der Stadt prallte an Brenners Entschluss ab. Sie gingen direkt zum Fahrhaus. Der Geistliche, ein Mann mit schmalem Gesicht und hellen Augen, hörte geduldig zu, während Brenner berichtete von den Geburten, den Fehlbildungen, den elf Kreuzen hinter dem Haus, den Lederbüchern, die in Kerschrift das Unerträgliche notierten.

Der Pfarrer legte die Fingerspitzen aneinander. Sie beschuldigen die Eltern des Kindsmords. Das ist ein schweres Wort, Herr Doktor. Es ist das einzige, das dem Geschehen gerecht wird, antwortete Brenner. Ich habe die Aufzeichnungen gesehen, die Gräber gezählt, die Hebarammenrituale ohne Hebarammen erlebt.

Das Kind, das in der letzten Nacht geboren wurde, lebt. Es darf nicht das nächste Kreuz bekommen. Der Pfarrer nickte, sagt: “Ich habe von den Donnels gehört. Sie leben zurückgezogen. Die Leute munkeln. Doch munkeln ist kein Beweis.” Brenner legte ein Heft auf den Tisch. Das hier schon.

Lesen Sie die Zeilen, die ein Vater über seine Kinder schreibt, wenn er nicht mit Gott spricht, sondern mit seiner Kälte. Freigegeben, eine lange Stille. Dann erhob sich der Geistliche. Ich komme mit zur Gendarmerie. Der Wachtmeister, ein kräftiger Mann mit schlichten Worten, ließ sich Bericht erstatten. Er blätterte durch die Seiten, runzelte die Stirn, kratzte sich an der Wange. Das da, sagte er schließlich.

Reicht, um nachzusehen, nicht um zu verhaften. Aber wir gehen hinauf, zu dritt, vielleicht zu viert. Ich kann zwei Männer entbehren. Sie beide kommen mit. Der Hochwürden, auch wenn er meint. Der Pfarrer nickte. Ich meine, dass die Toten nicht länger allein bleiben dürfen. Noch Vor Einbruch der Dämmerung brachen sie auf, der Wachtmeister mit zwei Gendarmen, der Pfarrer, Hartmann und Brenner.

Der Weg zurück in den Spess schien länger als zuvor, denn sie trugen mehr als Taschen und Waffen. Sie trugen Erwartung, Angst, Widerstand und das zarte, kaum spürbare Gewicht der Hoffnung. Als die Hütte in Sicht kam, lag das Tal still. Kein Rauch am Schornstein, kein Geräusch, nur das langsame Tropfen von Wasser aus den nassen Blättern. Brenner spürte, wie ihm das Herz schneller ging.

Er dachte an das kleine Mädchen, an den Atem, der in der Nacht so ruhig geworden war. Patrick stand vor der Tür, als habe er die Schritte schon aus der Ferne gehört. Neben ihm, Bridget, blass, die Hände fest ineinander verhagt. Shames hielt sich im Schatten. Colin starrte reglos auf den Boden und Decklin lugte hinter dem Türrahmen hervor, seine Augen groß wie bei einem Reh.

“Herr Donnelly”, sagte der Wachtmeister, sachlich wie ein Mann, der den Boden prüft. “Wir haben Grund, uns hier umzusehen. Es gibt Berichte, die wir nicht ignorieren können.” Patrick hob das Kinn. Berichte sind Worte. Unser Haus ist ein Haus der Familie und der Kindergräber, fügte Brenner leise hinzu.

Eine Sekunde lang lagen die Blicke von Patrick und Brenner aufeinander, wie zwei Messer, die über denselben Stein schrappen. Dann trat der Pfarrer vor, hob die Hand, nicht als Drohung, sondern als Bitte. Laßt uns hinein. Wenn kein Unrecht geschieht, wird das Licht es zeigen. Patrick wich zur Seite. Es war kein Einverständnis, eher ein Erschlaffen.

Drinen roch es nach kalter Asche, nach Kräutern und dem dünnen metallischen Nachhall von Blut. Die Decken waren an ihren Nägeln geblieben, die Fenster verdunkelt. Doch der Wachtmeister riß einen Vorhang zur Seite und der Nachmittag fiel herein wie ein Messer, das den Raum aufschneidet. “Die hinteren Räume zuerst”, sagte Brenner und dann die Truhe, die zwischen den Betten steht, dann die Dielen beim Regal.

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