Der Pfarrer hob still das Brevier. Hartmann spannte die Schultern und in diesem Augenblick, kurz bevor die Nacht sich ganz schloßs, wußte Brenner, daß das, was vor der Tür stand, nicht nur Männer waren, sondern ein Erbe, das nicht ohne Kampfwich. Die Nacht lag schwer auf dem Tal und der Nebel sog jedes Geräusch auf, bis nur noch das Knacken von Schritten auf nassem Laub übrig blieb. Dr.
Theodor Brenner spürte, wie sein Herz schneller schlug, während er dicht bei der Wiege des Neugeborenen stand. Eilis atmete ruhig, die Brust hob und senkte sich in regelmäßigen Zügen, als wüsste sie nichts von der Bedrohung, die draußen lauerte. Der Wachtmeister stellte sich mit gezogener Pistole an die Tür. Seine Männer verteilten sich, einer bei den Fenstern, einer beim Hintereingang.
Hartmann hielt ein Beil in der Hand, daß er aus dem Schuppen genommen hatte. Der Pfarrer stand reglos mit dem Brevier, doch seine Lippen bewegten sich unaufhörlich im stummen Gebet. Draußen wurden die Stimmen lauter. Es klang wie ein Singsang, rau und monoton, als stamm er aus einem alten längst verdorrten Ritus.
Brenner verstand einzelne deutsche Worte, aber auch irische Laute, die ihm fremd waren. Worte wie Blut, Reinheit und Opfer tauchten immer wieder auf, als seien sie das Rückrat des Gesangs. Plötzlich pochte es hart gegen die Tür. Ein dumpfer Schlag, dann ein Zweiter, dann das Scharren von Händen oder Werkzeugen. Patrick, der bisher still in der Ecke gestanden hatte, riss den Kopf hoch. Sie sind gekommen, murmelte er.
Unsere Vättern, sie lassen nicht zu, daß ihr alles zerstört. Der Wachtmeister fuhr herum. Ihre Vättern, sie haben mehr Familie hier. Patrick wich den Blick aus. Sie haben uns beobachtet. Sie wissen, dass ihr gekommen seid. Sie fürchten, dass ihr alles offen legt. Ein weiterer Schlag gegen die Tür. Diesmal krachte das Holz. Splitter flogen.
Der Wachtmeister gab ein Zeichen und die Gendarmen stemmten sich dagegen. Hartmann hielt das Ball bereit, sein Gesicht schweißnass. Brenner griff nach seiner Tasche. Kein Instrument darin war für einen Kampf gedacht. Und doch fühlte er, wie sich seine Finger um die kalten Metallgriffe schlossen. Er wusste, dass er sich nicht gegen bewaffnete Männer wehren konnte.
Seine Aufgabe war eine andere, das Kind zu schützen. Patrick, rief er, sehen Sie hin, sehen Sie, was Ihre Reinheit bedeutet. Männer, die mit Schaufeln und Knüppeln gegen das eigene Blut marschieren. Das ist keine Pflicht, das ist Wahnsinn. Patrick starrte ihn an. Das Gesicht, eine Maske zwischen Verzweiflung und fanatischer Glut.
Wenn wir jetzt nachgeben, stirbt die Linie für immer. Nein, entgegnete Brenner scharf. Wenn Sie jetzt nachgeben, beginnt vielleicht endlich das Leben. Die Tür krachte erneut, diesmal mit solcher Wucht, dass die Angeln quietschten. Dann fiel ein Stein durchs Fenster, Glas splitterte und eine Faust mit einem Knüppel stieß herein.
Einer der Gendarmen schlug zurück und ein wilder Schrei gellte von draußen auf. Die Angreifer wichen einen Moment zurück, doch ihre Stimmen schwollen sofort wieder an, lauter, entschlossener. Es war kein wütender Mob, sondern ein Chor, ein Ritus. Brenner spürte, wie ihm kalt den Rücken hinablief. Diese Männer glaubten an etwas, das älter und stärker war als Vernunft.
Der Pfarrad trat vor, das Brevier hoch erhoben. Im Namen Gottes rief er, haltet ein. Ihr verflucht nicht das Böse, ihr verflucht das Leben selbst. Ein Pfeifgeräusch, dann schlug ein Stein knapp neben ihm gegen die Wand. Der Pfarrer zuckte zurück, doch er wich nicht. Brenner hob das Kind aus der Wiege, hielt es fest an seine Brust.
“Wenn Sie hereinkommen”, dachte er, “dann sollen sie mich zuerst treffen.” Die Minuten zogen sich, bis schließlich der Wachtmeister mit einem wuchtigen Schrei die Tür zurückstieß. genug. Ihr tretet nicht herein. Dieses Haus steht unter königlicher Aufsicht. Wer hier eindringt, begeht Aufruh gegen das Gesetz. Ein Moment der Stille draußen.
Dann hörte man Schritte, die sich zurückzogen, Stimmen, die leiser wurden. Doch Brenner wusste, dass dies kein Ende war. Es war nur ein Rückzug. Als die Tür wieder geschlossen und verriegelt war, setzte er sich das Kind noch immer in den Arm. Er spürte, wie klein und verletzlich es war und wie groß zugleich das Gewicht, das es trug. Denn dieses Kind war nun mehr als nur eine Tochter.