(1876, Spessart) Die Familie Donnelly: Deutschlands verstörendstes genetisches Geheimnis

Und doch klang in der Nüchternheit so etwas wie Zorn mit, sorgfältig verpackt, damit die Hand ruhig bleibt. Man führte Patrick und Bridget herein. Patrick wirkte merkwürdig gelöst, als habe das klare Licht des Amtszimmers ihm eine furchtbare Entscheidung abgenommen. Bridget dagegen zitterte. Bei dem Wort Gräber entwich ihr ein trockenes heiseres Wein, dem keine Träne folgte.

Shames stand schweigend beim Pfarrer, der Blick ins Leere. Coline hielt die Schultern ihrer Schwester. Decklen aber fehlte. “Wo ist der Junge?”, fragte Brenner und Hartmann fuhr zusammen. “Er war noch am Wagen”, sagte er. Man suchte die Gassen, die Hinterhöfe, den Pfad zum Fluß.

Ein Schuster meinte, ein hinkender Knabe sei mit gesenktem Kopf Richtung Mühlen gelaufen. Ein Müllersknecht dachte, er habe jemanden unter der Brücke kauern sehen. Am Ufer fanden sie feuchten Stein, Moos und das rauheue gleichgültige Rauschen des Mains. Doch kein Kind. Er fürchtet das Haus, murmelte Brenner und er fürchtet sich selbst. Der Richter wies an, den Fahrhof zu sichern.

Ein Zimmer für M und Eilis, eines für Colin und wenn man ihn fände, für Deckeln. Shames brachte man im leeren Schulzimmer unter, wo ein Kachelofen die Luft träge erwärmte und Reihen von Bänken wie stille Zeugen standen. Der Pfarrer verwarrte die Schlüssel mit der Sorgfalt, mit der er die Hostien verwahrte. Die Nacht brachte Brenner keinen Schlaf.

Er sah in Gedanken Decklen an der Brüstung der Brücke, als lausche er einem Lied, das nur er hören konnte, dem Chor der kleinen Kreuze. Er stand auf, setzte sich an den Tisch und schrieb: Sätze, die später wie eine Beichte klangen, dass Wissenschaft ohne Gewissen nur eine andere Kälte sei, das Mut mit unter nichts anderes bedeute, als nicht wegzusehen. dass ein Name Eilis schwerer wiegen könne als ein Dutzend sauberer Theorien.

Am Morgen läutete die Glocke. Der Pfarrer hatte Frühmesse gelesen und die wenigen Frauen, die in der Kälte gekommen waren, nickten ihm beim Hinausgehen zu. Kurze Blicke zwischen Dank und Scheu. Brenner trank dünnen Kaffee, den die Küsterin brachte.

Dann brach er mit dem Amtsarzt, dem Wachtmeister und zwei Männern mit Schaufeln auf. Der Weg zurück ins Tal fühlte sich anders an. Nicht heimlich, nicht gehetzt, sondern wie ein Gang durch ein Kapitel, das man endlich laut liest. Bei der Hütte arbeiteten sie ohne Hast, aber ohne Zögern. Man, beschrieb, öffnete und jedes Wort wurde zu Tinte, die nicht mehr verschwand.

Der Amtsarzt, ein stiller Mann mit grauem Bart, sagte fast nichts. Einmal nur hielt er inne, legte die Finger an die Stirn und flüsterte. Genug. Dann schrieb er weiter. Erde schob sich beiseite, Holz knackte und darunter lag die Wahrheit. Klein, zerbrechlich, unwiderruflich. Im Hausflur saß Patrick auf einem Schemel, die Hände gefesselt, den Blick gesenkt.

Ich tat, was man mich lehrte”, sagte er, ohne aufzusehen. Ich bewahrte die Linie, wie es hieß. Wenn das Unrecht ist, dann war auch das Recht ein Irrtum. Brenner antwortete leise. Manchmal ist das Schwerste nicht der Kampf gegen die Lebenden, sondern gegen die Toten, die in uns weiterreden. Patrick hob langsam den Blick. Und wer redet in ihrem Kopf? Doktor? Brenner dachte an Hörse in Wien, an Worte über Auslese, die ihm einmal sauber erschienen waren. Er dachte an Eilis, an Decklen, an elf Kreuze.

Heute, sagte er, spricht ein Kind. Als sie am Abend nach Lor zurückkehrten, erwartete sie eine Nachricht. Unten am Fluss zwischen weiden und glitschigen Steinen, habe man ein Bündel Kleidung gefunden, das Deckeln gehören könnte. Kein Blut. Keine eindeutigen Spuren, nur Stoff, kalt und schwer vom Wasser. “Er ist nicht tot”, sagte Hartmann trotzig, als könne das Wort die Wirklichkeit zwingen.

“Er hat sich versteckt. Er wartet.” Brenner stand lange am Fenster des Fahrhofs und sah, wie der Tag sich in dünnes Blau auflöste. Er wusste, dass Geschichten selten sauber schließen. Sie fransen aus, verlieren sich im Nebel, lassen Türen offen. Und doch hielt er in diesem Augenblick einen dünnen Faden in der Hand.

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