Das Mädchen schüttelte den Kopf.
– Das kann ich nicht.
Bevor Amanda noch ein Wort sagen konnte, drehte sich das Mädchen um und rannte den Korridor entlang, wo sie zwischen den Krankenschwestern verschwand. Amanda versuchte, ihr zu folgen, doch ihre Beine zitterten.
Hey, Mädel, warte mal! Wie heißt du?
Sie schrie. Keine Antwort, nur das Geräusch der sich schließenden automatischen Türen, als wäre das Mädchen nie da gewesen. Sie stand atemlos da, das Gesicht schweiß- und tränenüberströmt, und wusste nicht, was sie mehr erschreckte: der Zustand ihres Sohnes oder das Geheimnis um das Mädchen.
Eine Krankenschwester kam mit einem Glas Wasser herbei.
— Madam, bitte setzen Sie sich einen Moment.
Amanda schüttelte den Kopf.
Nein. Ich werde nicht atmen, bis ich weiß, dass er lebt.
Die folgenden Minuten waren eine Qual. Schritte, Maschinengeräusche, das Öffnen und Schließen von Türen. Amanda lief im Wartezimmer auf und ab, den Blick starr auf die Tür der Kinderintensivstation gerichtet. Das Blut an ihren Händen war bereits getrocknet und brannte wie eine unauslöschliche Erinnerung auf ihrer Haut.
Sie hat ihm etwas entlockt…
Sie murmelte vor sich hin.
Woher wusstest du, dass es das war?
Ihre Gedanken kreisten im Kreis, auf der Suche nach einer Erklärung, doch nichts ergab Sinn. Die Bilder wiederholten sich. Die Pinzette, der Wurm, der Schrei, die Ohnmacht und der Blick dieses gelassenen, standhaften, fast übernatürlichen Mädchens.
Als die Ärztin endlich erschien, rannte Amanda zu ihr.
Mein Sohn? Wie geht es ihm? Bitte sagen Sie mir etwas.
Der Arzt nahm sie mit ernster Miene am Arm und führte sie in ein Privatzimmer.
— Frau Amanda, wir müssen reden.
Sie setzte sich, ihr Körper zitterte.
Was haben sie gefunden?
Der Arzt holte tief Luft.
Neben dem entfernten Wurm befanden sich drei weitere Parasiten zwischen Schädelbasis und Nasenhöhlen. Sie waren dort wochenlang gewachsen. Wären sie nicht jetzt entdeckt worden, hätten sie eine Hirninfektion oder sogar den Tod verursachen können.
Amanda führte die Hände zum Mund, ihr Blick war auf die Stelle gerichtet.
Mein Gott!
Der Arzt trat näher und legte ihr eine Hand auf die Schulter.
— Meine Dame, verstehen Sie eines: Dieses Mädchen hat Ihrem Sohn das Leben gerettet.
Amanda stand regungslos da. Die Worte hallten nach, aber sie schienen aus einer anderen Welt zu kommen.
Sie wusste es…
Er flüsterte, während er sich an ihren Blick, ihre Eile, ihre Flucht erinnerte.
— Irgendwie wusste sie es.
Draußen durchbrach das Summen der Monitore die Stille. Amanda stand auf, ihre Beine waren schwach, und ging zu der Glasscheibe, die den Flur von der Intensivstation trennte. Dort lag Emilio, intubiert, und atmete schwer. Sie legte die Hand an die Scheibe und flüsterte:
Du wirst es schaffen, meine Liebe, und ich werde herausfinden, wer dieses Mädchen war.
Amanda verbrachte die nächsten zwei Tage schlaflos. Das Bild des Mädchens verfolgte sie. Dieser ruhige Blick, die sanfte Stimme, die Art, wie sie die Pinzette hielt – alles wirkte ungewöhnlich. Nachts, während das Piepen von Emilios Monitor das Krankenzimmer erfüllte, starrte sie an die Decke und fragte sich, wer dieses Mädchen wirklich war.
Woher wusstest du das?
Sie murmelte die Frage immer wieder vor sich hin, bis sie zu einem Mantra wurde. Tagsüber las sie medizinische Berichte, analysierte jede Untersuchung, doch die Antworten schienen sie zu verhöhnen.
Es ist unmöglich, dass ein Straßenmädchen das vor uns hätte erkennen können.
„Sagte einer der Experten ungläubig. Aber Amanda wusste, dass in diesem kindlichen Blick etwas lag, das jenseits aller Logik lag. Entschlossen rief sie eine Assistentin und befahl:“
Ich möchte, dass du dieses Mädchen findest. Suche in der Umgebung, frage in Obdachlosenheimen, überall. Ich muss wissen, wer sie ist.
Die Geschichte machte bereits unter Krankenschwestern und Journalisten die Runde: Das mysteriöse Mädchen, das den Sohn des Millionärs gerettet hatte. Die Schlagzeilen verbreiteten sich rasant, und Amanda, noch immer geschwächt, beschloss, ein Interview zu geben.
Ich möchte das kleine Mädchen finden, das meinen Sohn gerettet hat. Ich möchte ihr persönlich danken.